Offenbarungen

Diese Geschichte entstand in meinem Kopf und es gibt von mir eine Rohfassung davon. Mit Hilfe von der lieben @Mina wurde es nochmal abgerundet und ergänzt mit ihren eigenen Ideen, da es unsere beiden Charaktere betrifft. Danke! ❤️




Regentropfen trommeln sanft gegen das Fenster im obersten Stockwerk der Wunderlampe. Der mit dunklen Wolken verhangene Himmel klärt sich schon seit Tagen nicht und doch ist es ein willkommener Anblick nach der Dürre im Sommer, die das Land gebeutelt hat. Claire sitzt alleine an ihrem Schreibtisch, der an den von Bethany angrenzt, getaucht in das warme Licht der Lampen. Die beiden Frauen haben die Schreibtische im Winkel zueinander gestellt, sodass sie nahe beieinander sind und Besucher noch vor den ihen Platz nehmen können. Auf den Tischen stapeln sich Dokumente in ordentlich beschrifteten Kladden, Bücher und Schreibwerkzeug, sowie akribisch sortierte Briefstapel mit gebrochenen und ungebrochenen Wachssiegeln.


Den großen Teil des alltäglichen Geschäfts hat die Assistentin inzwischen übernommen und es wäre wohl angemessener sie als rechte Hand der Harper zu bezeichnen. Längst schon hat Beth so viel Vertrauen in Claire, dass diese die Bücher führt und die Gehaltsabrechnungen der Angestellten abwickelt, die wöchentlichen Bestellungen mit Hilde und Hugh bespricht und außerdem den Briefwechsel mit den Händlern übernimmt. Lediglich für die Sonderfälle, die saisonalen Karten und besonderen Anlässe benötigt Claire noch den Segen ihrer Chefin, in allem anderen ist sie inzwischen eigenständig und blüht in ihrem Schaffen auf. Es hat Beth eine große Last von den Schultern genommen und nun gönnt die Rothaarige sich endlich mal so etwas die Freizeit, etwas das die Brynell immer wieder erfreut. Heute ist Claire jedoch ungewöhnlich unkonzentriert und wenig strebsam. Sie stiert hinaus in den Regen und hält das Kinn in die zarte Hand gestützt, den Ellenbogen auf die Tischplatte gestemmt.


Auf der Nase sitzt ihre Brille und auf dem Tisch vor ihr liegen diverse Aufgaben – solche die schon erledigt sind und solche die es noch zu erledigen gilt. Gerade sinniert die Brynell noch darüber, dass es wohl nicht gerecht ist hier zu sitzen und Löcher in die Luft zu starren wo sie sich mit so viel harter Arbeit so viel Verantwortung erkämpft hat, da betritt die Harper das Büro. Ohne anzuklopfen, mit ruhigen und gemessenen Schritten und so schreckt Claire nicht aus ihren Tagträumen auf, sondern wandelt weiter auf verschlungenen Pfaden, die sie weit weg von Lieferantenverträgen und Reservierungen bringen. Inzwischen ist Claire immun gegen die Präsenz der Harper, manche nennen es die Ruhe vor dem Sturm, andere gehen gleich einen Schritt weiter zur Naturgewalt. Bethany Anne ist für gewöhnlich keine Frau, die man lange ausblenden kann und doch werden ihre Schritte langsamer und ein Seufzen klingt von den Lippen der Rothaarigen, kaum dass sie die Brynell erblickt.


Bethany umrundet Claires Schreibtisch und setzt sich neben ihr auf den Tisch, beide Hände um die Tischkante geschlungen, als halte sie sich daran fest. Erst jetzt bemerkt Claire ihre Freundin und blickt zu ihr auf, ein wenig selbstvergessen noch nach ihren Gedankenspielen. Das Waldgrün fixiert Claire mit einem Blick der die kleine, braunhaarige Frau nun jedoch zurückschrecken lässt. Darin liegt eine kaum unterdrückte Kraft, die an tosende Stürme erinnert. Claire kennt diesen Blick und sie kennt das Temperament der Rothaarigen noch besser. Manchmal wirkt die Harper so wundervoll warm und freundlich und dann ist es einem, als würde man einem Raubtier in die Augen blicken oder einen Sturm heranrollen sehen. Unweigerlich schnürt sich der Hals der Brynelle bei diesem Anblick zu und sie faltet beide Hände fest im Schoß, der festen Überzeugung das es nun einen der berühmten Stürme geben wird. Nicht das diese Stürme je unangebracht wären, es ist nur nicht schön so kalt von ihnen erwischt zu werden.


Beth spricht für einige schmerzhaft lange Momente kein Wort, nur dieser Blick dem Claire nicht auszuweichen vermag, so sehr sie auch die Augen niederschlagen und auf ihrem Stuhl zurück rutschen möchte. Als Bethany die Stille endlich bricht, ist ihre Stimme entgegen der Erwartung eines Sturmes ruhig und sanft: „Bels hat es mir erzählt.“


Schock, Angst und dann Resignation, gefolgt von Entschlossenheit huschen über Claires Gesicht in einem wahren Kaleidoskop von Gefühlsregungen und sie setzt an zu sprechen, doch Bethany hebt ihre Hand und bedeutet Claire mit einem deutlichen Blick zu schweigen. Mit einem leisen Klicken klappt der Mund der Brynelle wieder zu und die Harper schrägt den Kopf leicht an als sie ihre Freundin betrachtet. „Bevor du dich jetzt entschuldigst… Meinen Glückwünsch, ich hoffe ihr werdet glücklich miteinander.“ Diese Äußerung lässt Claire nun doch fassungslos zurück, immerhin hatte sie sich auf einen Streit, oder zumindest eine Diskussion eingestellt.
Die Augenbrauen der Harper sind herabgezogen und ihr Blick erst. Statt unbändiger Freude steht in ihrem Gesicht ein Hauch von Härte, gepaart mit schwierig zu lesenden Emotionen. Die Rothaarige ist manchmal furchtbar kompliziert und Claire rutscht auf dem Stuhl etwas hin und her, nicht unähnlich einem Schulmädchen, das vor den Rektor gerufen wurde. Natürlich war es seltsam für Bethany, genau deswegen hatte Claire sich ja selbst so lange dagegen gewehrt und ein schlechtes Gewissen gehabt.


„Ich werde nicht versuchen zwischen dich und Dexter einen Keil zu treiben. Ihr seid beide erwachsene Menschen und alt genug. Er tut dir offenbar gut, auch wenn er nicht der richtige Mann für mich war. Ich wünsche euch alles Glück der Welt.“ Bethanys Stimme wird für ein paar Herzschläge wärmer, bis sie sich etwas vorlehnt und leiser spricht. Mit beiden Händen greift Beth nach der Rechten ihrer liebsten Freundin, um sie festzuhalten. Der Tonfall rutscht in eine Lage ab, die Claire gut kennt, Seide über Stahl, keinen Widerspruch duldend und den Zuhörer auf Messers Schneide tanzen lassend.Ein Schauer kriecht ihren Rücken hinab, das letzte Mal hat sie diesen Tonfall gehört aus dem Mund der Rothaarigen, als sie mit Michail sprach.


„Doch ich sage dir eines: Sollte er dir weh tun, oder dich unglücklich machen, oder dich verbiegen, oder dir Schlechtes tun, werde ich mit ihm das Gleiche tun, was ich mit deinem Exmann getan habe. Ich liebe dich, wenn auch nicht so wie ich Bels liebe, oder wie Dexter dich liebt. Doch wenn dir jemand ein Haar krümmt.“ Beths linke Hand streicht sanft eine von Claires dunkelbraunen Locken zurück und ein Lächeln geistert über das vernarbte Gesicht der Rothaarigen. Sie spricht den Satz nicht zu Ende, doch in ihrem Blick steht einmal mehr der Ausdruck, welcher die junge Frau so furchtbar alt wirken lässt. Als hätte sie zu viele Dinge in ihrem Leben gesehen und davon zu wenig guter Natur.


Claires Herz, das eben noch hämmernd in ihrer Brust raste, beruhigt sich nun langsam und ihr Blick wird weicher und wärmer, die Hände der Harper bedecket sie mir ihren eigenen um sie sanft drücken. „Ich bin mir sicher, dass weiß er und so wird er dir keinen Anlass dazu geben.“ Ein Lächeln schleicht sich langsam und zögerlich auf Claires Lippen und wird von der Harper erwidert. „Das hoffe ich, mein Liebes.“ Beth lehnt sich vor und tupft einen zarten Kuss auf die Schläfe ihrer besten Freundin, die so viel zerbrechlicher ist als sie selbst. Was für ein ungleiches Paar die beiden doch bieten.


Bethany rutscht von der Tischkante herunter und lässt Clairs Hände los. „Das ist auch gut so, denn ich will das du meine Trauzeugin wirst.“ Mit einem schelmischen Grinsen hebt Beth ihre linke Hand und präsentiert somit zum ersten Mal den Ring, welchen sie am Ringfinger trägt. Der helle Bernstein ist gefasst in filigran geschlagenem Silber das wie Ranken um den Stein liegt, geschmückt mit zarten, goldenen Blüten, die im Kontrast zum Silber das Schmuckstück vervollständigen. Wie gut der Vogelfrey seine Frau doch kennt.


Für einen Moment kann Claire nur starren, dann klappt ihr Mund auf und sie stößt ein ganz und gar freudiges Quietschen aus, das ihrem Alter in keiner Weise angemessen ist. Der Freude, die sie in diesem Moment empfindet, verleiht es jedoch wunderbaren Ausdruck. Mit einem heiteren Lachen springt die Brynell aus ihrem Stuhl und fällt der Harper um den Hals, die mit ihr in Gelächter ausbricht und die Umarmung fest erwidert. „Natürlich!“ lautet die überschwängliche Zustimmung und das ungleiche Gespann starrt sich ein wenig ungläubig an. „Wir sind schon unverschämt glücklich.“ Befindet Claire leise und Beths Mundwinkel zucken.


„Nein, das haben wir verdient. Alle beide.“ Und mit einer herzlichen Umarmung wird weiterer Protest der Brynell schlicht im Keim erstickt.