Flüchtige Begegnung

Ich drehe mich um und schlage die Augen auf. Es dämmert gerade. Ich kann spüren, dass du noch da bist, ohne dich gesehen zu haben. Deine Präsenz ist kräftig. Wie dein Griff, mit dem du mich am Vorabend gepackt hast. Ich gebe es nicht zu, doch kurz hatte ich Bedenken, dass du mich einfach erwürgst. Dein Wesen fasziniert mich. Es ist so anders als das Meine. Du provozierst, reizt aus und machst einfach. Ich beobachte, wäge ab und gehe eher zwei Schritte zurück bevor ich einen nach vorne trete.


Langsam setze ich mich auf. Mein langes Haar ist noch immer in viele Zöpfe gefasst. Ich streiche durch sie hindurch. Sie sind noch gut. Es reicht, sie morgen zu öffnen und zu säubern. Mein Blick trifft auf deinen Körper. Friedlich siehst du aus. Unser aufeinandertreffen hatte einen guten Nutzen für mich. Doch nun wird es Zeit, dass sich unsere Wege wieder trennen. Einmal noch streifen meine Finger über deine Brust. Sacht wandern sie über die Male, die du von diesem Raubtier hier hast. Ich kann nicht anders, muss schmunzeln.


Erst jetzt erhebe ich mich, trete aus dem Verschlag nach draußen. Das Gefühl von feuchtem Gras unter den Füßen ist erfrischend. Der kalte Wind zerrt kurz an meinem nackten Leib, lässt mich ein wenig schaudernd zurück. Es war warm neben dir. Gemütlich. Doch diese Wärme ist nicht, was ich suche. Ich recke meinen Kopf und erhoffe mir, dass die ersten Sonnenstrahlen bereits meinen Schopf treffen. Noch schaffen sie es nicht. Es wird noch eine Stunde vergehen müssen.


Ich gehe zurück in die spärliche Behausung. Mit einem großen Schritt steige ich über deinen Körper. Dein Atem hebt und senkt deine Brust. Doch ich habe nicht die Zeit, einen weiteren Moment in Gedanken daran zu verweilen. Oder auch nur nochmal der Versuchung nachzukommen und dich zu wecken. Ich ziehe mich an. Schicht um Schicht ziehe ich über meine nackte Haut. Meine Sachen schützen meinen Körper nicht. Doch sie sind kleidsam. Ich mag, was ich in dem Spiegelbild sehe, das mir der Fluss gerne zeigt.
Mit einem letzten Gang durch den Verschlag habe ich alles, was ich heute benötige.


Ein letzter Blick wandert zu dir, wo du noch immer den Schlaf des sicheren Ortes genießt. Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns noch einmal wieder sehen. Es würde mir gefallen. Dein Wesen fasziniert mich. Ich habe noch keinen Plan, keine Taktik, keine Idee, die dir gerecht wird. Vielleicht, wenn die Geister es so wollen, vielleicht werden wir uns dann erneut begegnen.

„The Norn will not change simply because the Dwarves do not understand our ways.
I'd rather be hated for who I am than loved for who I am not.“

Jora

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