Sieg und Niederlage

Sie sitzt vor der Kohlepfanne im kleinen Zelt. Hier drinnen ist es wärmer. Es ist keine heimische Hütte in der das Leben tobt, doch es ist angenehm. Einen Moment für sich haben. Die Geräusche außerhalb ausblenden. Sie hat die Lagen aus Wolltüchern, Leder und Leinen bereits abgelegt und zieht die Spange aus dem Haar. Die gebändigten Locken fallen wild über Schultern und Rücken, springen durch die Bewegung noch neckisch auf und ab. Auf dem Fell vor ihr ruht die Spange.
Wenig später hebt sie die Hände und reibt sich durch das Gesicht, ehe sie langgezogen seufzt.


Es ist ein Sieg, den sie errungen haben. Seit vielen Wintern der größte Sieg für das Volk der Norn. Doch sie kann ihn nicht genießen, seit sie zurück im Lager sind. Etwas war geschehen. Noch vor dem großen Kampf. Aber was? Sie schüttelt den Kopf. Weiß es nicht. Kann es nicht greifen. Schuld daran muss die Verletzung sein. Deshalb kann sie keinen klaren Gedanken fassen. Die Linke hebt sich und streift vorsichtig über die Schulter. Dort hat er sie getroffen. Im Nachhinein wirken die Verletzungen lächerlich. Aber sie weiß, dass es tiefer reicht. Sie sehen es nicht. Ob sie es spüren können? Nein. Oder doch? Sie ist sich nicht sicher. Wieder schüttelt sie mit dem Kopf, die Hand fällt nach unten auf ihren Schoß. Kein Wort hat sie darüber verloren. Ihr Bundkerl weiß es. Seinen Blick hat sie bemerkt. Er hat es ihr angesehen. Er kennt sie, wie niemand sonst. Dennoch. Kein Wort hat sie gesagt. Nichts.



Nichts gesagt ...


Sie ist nicht die Einzige, die schweigt. Der Groll im Lager ist greifbar. Zuerst ist sie sich nicht sicher gewesen, dachte es wäre Einbildung. Niemand spricht es aus. Aber es ist da. Die Blicke. Die Distanz. Schon seit der Rest der Gruppe am Lager angekommen ist. Was ist geschehen, dass es nun so ist? Ihre Gedanken schweifen weiter. War es der Knochenhäuter? Vielleicht die verdorbenen Wachsamen ... Nein. Abermals reibt sie sich durch das Gesicht. Langsam lässt sie sich nach hinten in die Felle sinken. Sie hat nicht die Kraft, um sich damit zu befassen.
Wer schweigt, hat nichts zu sagen.


Ihre Augen schließen sich. Die Gedanken hängen kurz bei der Reisegruppe. Sie haben sich voneinander entfernt. Viele Andere haben sich voneinander entfernt.
Bande sind gerissen. Aufgrund von Entscheidungen.



Der Sieg fühlt sich nicht wie ein solcher an.


Das Rudel zerbricht.


Und der Drache hat gesiegt.

„The Norn will not change simply because the Dwarves do not understand our ways.
I'd rather be hated for who I am than loved for who I am not.“

Jora

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