Hoffnung stirbt zuletzt

Der Blumenstrauß war wunderschön. Das strahlende Blau der Kornblumen wechselte sich im Farbspiel mit Lavendel ab, dazwischen die zarten weißen Blüten der Gipsblüten, ein wenig Grün und Rena war verzaubert gewesen als sie das Geschenk überreicht bekommen hatte.
"Eine gute Wahl, Ihr habt alle meine Lieblingsblumen getroffen." hatte sie gesagt und den Mann angestrahlt der ihr diese gebracht hatte. Die beiden kannten sich lange und er hatte mit ihren Brüdern im Heer gedient, früher im Garten des Landanwesens gespielt und war ein Freund der Familie. Auch die Eltern waren befreundet, Rena glaubte diesen Mann in- und auswendig zu kennen.
"Ich habe mir erlaubt, den Lavendel beizufügen. Ich erinnere mich, wie Ihr stehts danach geduftet habt."
Und damit bewies er, wie wenig sie ihn kannte. Rena hatte ihre Verlegenheit und ihre Überraschung hinter einem sanften Lächeln verborgen, wie sie es so oft tat. Die Unterhaltung war dahingeflossen, wandte sich den Familien zu, deren Geschäften, dem Garten, der Malerei, Klavierspiel und Geigen und dann war der Nachmittag vorbei. Er war mit ihr durch den Garten spaziert, hatte sich in aller Ruhe jede Pflanze erklären lassen die dort wuchs, das Gewächshaus besichtigt, den Kräutergarten, den kleinen versteckten Teich mit den Enten und hatte nachgefragt. Nach jeder Blüte, jedem Strauch. Renas Stimme drohte beinahe rau zu werden, doch sie genoss seine Gesellschaft zu sehr, die ruhige, aufmerksame Art wie er ihren Erklärungen lauschte, die Art auf die seiner Aufmerksamkeit vollkommen bei ihr ruhte. Dann musste er wieder fort, doch der Blumenstrauß war ihr geblieben. Er stand wohlerhalten und noch immer wie am ersten Tag blühend auf ihrer Kommode, wo sie ihn gleich am Morgen nach dem Aufwachen sehen konnte, das letzte war das sie sah bevor sie einschlief. Die Glaskuppel und die zarte Magie hielt die Blumen frisch und sie blühten, strahlten und schenkten Rena einen kleinen Funken Hoffnung. Zaghaft und doch schwelend. Eine Freundschaft war ihr mehr wert als alles andere.


Nun hatte sie wochenlang nichts von ihm gehört und fragte sich, ob sie doch etwas falsch gemacht hatte. Zuletzt war sie Gast bei seiner Familie gewesen, sie hatten sich im Salon unterhalten. Über Essen, über Bücher und dann über ihre Brüder. Es hatte ihr wieder einmal das Herz zerrissen und sie hatte ein paar Tränen vergossen. Und er hatte ihr ein Taschentuch gereicht, nachdem er sich vor ihren Sessel gekniet hatte um sie zu trösten.
"Was kann ich tun?" hatte er gefragt, die Stimme ein wenig rau, der Ausdruck in seinen Augen bittend, fast schmerzhaft so.
"Spielt für mich." bat sie leise und er drückte ihre Hand. Dann war seine Wärme fort, doch er saß am Klavier und entlockte den Tasten ein Lied, das ihre Seele berührte. Er spielte und sie konnte nicht umhin ihn dabei zu beobachten. Die langen, starken Finger die über die Tasten glitten, die Neigung seines Kopfes, das sanfte Wiegen seines Rückens. Ein paar Tränen flossen noch. Das Lied war so wundervoll in seiner Traurigkeit und Wehmut das Rena nicht anders konnte. Am Ende war es jedoch vorbei und sie lächelte ein wenig. Noch immer mit Tränen in den Augen, doch sie lächelte. Er kam zu ihrem Sessel zurück, half ihr auf und schloss für einen Augenblick länger als nötig seine Hand um ihre. Genauso unnötig wie die Geste, mit der sie seinen Kragen richtete. Er drückte ihre Hand einmal mehr und übergab sie dem Butler, damit er ihr das Puderzimmer zeigte. Und mit zitternden Fingern steckte sie das Taschentuch zusammengefaltet in ihre Rocktasche. Als sie zurückkehrte, lächelte er warm.
"Das nächste Mal, spielt Ihr für mich, meine Baroness."
Renas Lächeln war warm und sie nickte. "Wenn Ihr möchtet, mein Graf."


Das Taschentuch lag nun neben dem Blumenstrauß, auf der Kommode.


Und dann hatte sie wochenlang nichts von ihm gehört. Sicherlich war es besser so. Er hatte ihr so viel versprochen, so viel gewollt von ihr.
Er wollte sie malen, ein Portrait gleich. Ein großes. Er malte gern. Er wollte für sie Klavier spielen, ihr Blumen schenken, ihre Tränen trocknen die er ihr nicht verboten hatte sondern für die er den Grund hatte wissen wollen. Er wollte das sie für ihn Geige spielte, das sie mit ihm tanzte. Er wollte dafür einen Ball ausrichten. Er wollte sie singen hören, er wollte ihren Garten besichtigen, er wollte das sie ihm Rat gab.
Er wollte eine Ehefrau. Das hatte er gleich klargestellt.


Rena wollte einen Partner. Einen Mann mit dem sie gemeinsam durchs Leben gehen konnte und der ihr den Rücken stärkte, wenn es holprig wurde. Auf dessen Ruhe und Kraft sie sich verlassen konnte. Auf dessen Diskretion sie sich verlassen konnte. Einen, der ihr keine Skandale bescheren würde, einen zuverlässigen und beständigen Partner. Sie wollte keine Liebe. Liebe hatte sie verbrannt, hatte sie blind gemacht für Dinge die nun als Erbin wichtig waren. Ihr Vater und auch ihre Mutter wollten sie glücklich sehen, doch Rena wollte sich einfach nur sicher wissen. Mit jemandem an ihrer Seite, der ihr ein guter Freund war. Liebe war unter all diesen Umständen nicht wichtig. Ihr Herz war noch immer so voll mit all dem Schmerz den Liebe ihr eingetragen hatte und manchmal war es schwierig nicht bitter zu werden. Sie weigerte sich. Sie hatte ihren Verlobten geliebt, auch wenn er sie verlassen hatte. Sie hatte ihre Brüder geliebt, auch wenn sie gestorben waren und sie liebte ihre Mutter, auch wenn die Frau die nun mit am Esstisch saß wenig gemein hatte mit der blühenden Frau die Rena gekannt hatte.
Sie weigerte sich bitter zu werden. Niemand wollte einen bitteren Partner.


Als der Brief kam, weigerte sie sich ihn zu öffnen. Natürlich hatte ihr Butler dies übernommen, der Mann war pflichtbewusst und ordentlich, doch das hieß ja nicht das sie den Brief tatsächlich lesen musste. Der kleine Funke Hoffnung den sie so eifersüchtig beschütze, der glimmend und flackernd in ihrer Brust ruhte, war noch nicht bereit dazu. Er war schwach. Sie war schwach. Sie würde es nicht ertragen, wenn er nun das letzte Mal geschrieben hatte um lebewohl zu sagen, oder zu erklären, dass er nun eine Frau gefunden hatte. Sie würde sich für ihn freuen. Immerhin waren sie Freunde. Eine Freundschaft war ihr mehr wert, als alles andere.


Schließlich nahm sie jedoch auf dem Stuhl platz und las. "Sehr geehrte Baroness Finnegan."
Ihr Herz stockte einen Moment. Förmlich. So furchtbar förmlich. Doch dann glitt ihr Blick über die nächsten Zeilen und ihre Finger zitterten als sie diese an ihren Mund legte. Seine Großmutter war gestorben und der törichte Mann hatte gedacht, er sollte sie in dieser Laune nicht behelligen. Seine Familie war krank, seine Großmutter tot und er dachte, seine Laune wäre das schlimmste was er ihr antun könnte. Und nun schrieb er ihr doch, weil es ihm so auf der Seele brannte. Sie laß die nächsten Zeilen und musste sie zwei, dreimal lesen. Er hatte sie verschreckt. Das stimmte. Er war so furchtbar stürmisch, so sicher, so fordernd gewesen. Hatte ihr so viele Dinge versprochen und sie damit erinnert an jemanden der ihr das Herz vor langer Zeit gebrochen hatte. Genau deswegen traute sie solchem Gerede nicht. Genau deswegen wollte sie lieber einen Freund, als einen Liebsten. Er schrieb, dass es seine Schuld wäre, ihr diese Angst nicht genommen zu haben, dass er so furchtbar eifrig gewesen war, weil er schon so lange ein Auge auf sie geworfen hatte. Schon als sie noch jünger waren. Fassungslos starrte Rena auf die Zeilen und erinnerte sich an den fast explosionsartig-extrovertierten jungen Mann der sie zum Tanzen aufgefordert hatte. Der sie beinahe stürmisch über die Tanzfläche gewirbelt hatte bis ihre ruhige und sanfte Fassade brach und sie heiter lachend mit ihm über das Parkett wirbelte. Ihre Brüder hatten dieses Funkeln in den Augen gehabt nach diesem Tanz und ihr war klar gewesen, dass sie ihn dazu angestiftet hatte. Einen Kuss hatten sie trotzdem alle beide bekommen.
Und nun schrieb ihr dieser Mann, dass er ihre sanfte und ruhige Art mochte. Weil sie einen so schönen Kontrast zu seiner bildete. Sie lächelte sachte und wurde fast rot, als sie die nächste Zeile las. Ein Mann, der noch keine Frau an seiner Seite wusste, einer dem sein Fehler aufrichtig leid tat, einer dessen Vorhaben es war es nun ruhig angehen zu lassen.
"Oh Melandru gib mir Kraft." Rena schickte ein Stoßgebet gen Himmel und strich mit dem Daumen über seine Unterschrift. Die Grußformel darüber. Euer Graf.
"Mein Graf." flüsterte sie leise und lächelte sachte. Der kleine Funke wurde ein wenig größer und flackerte nicht mehr so ängstlich. "Mein Graf."


Und so schrieb sie ihm. Tadelte ihn sich nicht gemeldet zu haben. Tadelte ihn dafür seine Sorgen nicht mit ihr zu teilen. Denn. "Auch in schweren Zeiten, müsst Ihr mir schreiben. Wie soll ich mir sonst Sorgen um Euch machen und Euch helfen mein Graf?" Wie sollte sie sich sonst um ihn kümmern. Er war doch ein so guter, wundervoller Freund.

Kommentare 8

  • Total schön :)

  • Du bist verrückt!
    Ich habe da gar nicht mit gerechnet. Du hast ja nicht mal Andeutungen gemacht. Sonst durchschauen ich sowas immer! :(


    Und: wieder hast du mir eine Gänsehaut verpasst. Du hast mich in eine weitere Perspektive bei Rena reinblicken lassen und das auf eine unaufdringliche Art und Weise, wie Rena selbst. Die ist ein so toller, tiefer Charakter.


    Und zu deinem Schreibstil... Du weißt das ich deinen Stil liebe und ich mich neben dir, Motte oder Amnesyas immer schäbig fühle. *Lach.*
    Du bist sehr Wortgewandt und vermittelst an richtigen Stellen wie man sich fühlen sollte. Ich finde es so toll, wie du mit wenigen Worten einen ein wenig in Richtung lenkst - wie und was man fühlt... Und vor allem was der Charakter fühlt. Hach.
    ❤️

    • Ich hab extra nichts gesagt, weil ich dich überraschen wollte <3 Manchmal krieg ich das ja sogar hin! Hehe.


      Du brauchst dich gar nicht schäbig fühlen mein Liebes, ich liebe deinen Stil und auch deine Art RP zu machen nämlich genauso wie du meine. Das "Hach" kann ich also nur zurückgeben <3
      Freut mich immens, dass dir die Geschichte gefällt.

    • ❤️
      Ich liebe dich!

    • <3
      Ich liebe dich!


      Passt also gut zusammen :3

  • Zauberhaft, sehr liebevoll erzählt. Ich fühlte mich auch gleich in die Romane von Jane Austen versetzt! <3

    • Vielen, vielen lieben Dank!
      So hohes Lob, da werde ich glatt rot. Meine Güte <3