Warum?


Sie saß oben auf der Hütte und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Sie mochte die südlichen Zittergipfel. Der Übergang von schneebedeckten Bergen zu sattem, saftigem Grün hatte sie jedes Mal gefangen. Lange waren sie nicht hier gewesen. Und auch, wenn das Hüttenoberhaupt nach wie vor ein grimmiger Griesgram war, konnte sie Jokell nach so vielen Jahren ansatzweise verstehen.
Ihr Blick schwenkte zur Seite, als sie jemanden neben sich hörte. Die Mundwinkel zuckten nach oben. Auf nackten Füßen kam ihre Tochter zu ihr gelaufen. Sie sprang ihrer Ma an den Hals und ließ sich auf deren Schoß fallen. Die wilden roten Locken von Mutter und Tochter sprangen eifrig durch den Schwung. Sie lachten. Die Blicke gingen hinaus auf das weite Feld im Lornars Pass. In der Ferne konnte man mehrere Erdelementare aufragen sehen. Kaum eine Bewegung taten sie. Und selbst wenn, waren diese langsam und bedächtig. Mit einem leisen, zufriedenen Seufzen drückte Monennia ihre Tochter eng an sich. Für den Moment war die Zeit des Friedens bei ihnen angekommen.


„Ma, das war schön was du gezaubert hast.“ sprach Sóla nach einer Weile.
„Gezaubert? Was meinst du, Sonnenschein?“
„Wo wir bei der Hütte waren. Ich hab ihn gesehen! Da war ein Schmetterling und der hat gebrannt! Und dann ist der geflogen. Das war so schön! Und dann ist der so geflogen und zu dir und dann hat er so gemacht:“ Das Mädchen flatterte während ihrer Beschreibung mit aneinander gelegten Daumen ein Schmetterlingsflattern. Zuletzt spreizte sie die Finger und warf ihre Arme weit in die Luft. Die Wangen ganz fleckig vor Aufregung kicherte sie leise los. Der Blick suchte den ihrer Mutter. Das Kind strahlte vor Freude und Begeisterung. „Ma, das hat mir SO gefallen!“
„Das war nicht ich. Das war ein Sylvari. Rhyndir heißt er und er war bei unserer letzten Reise dabei, weißt du?“
Kinderlippen schürzten sich, während das Mädchen eine Weile schwieg. Wohl wurden die Worte der Mutter überdacht, denn schließlich trafen sich die Blicke wieder.
„Ma, kannst du so was auch?“
„Was, Magie?“
Sóla nickte.
„Nicht mehr ... denke ich.“
„Warum?“


Monennia wollte gerade antworten, doch stockte sie. Ihr Blick glitt nach Norden, wo die Berge noch zu sehen waren. Warum eigentlich? Die Tochter hatte die richtige Frage gestellt. Es waren so viele Jahre vergangen mittlerweile. So viele. Und einen Augenschlag später fand sie sich gedanklich dort, wo alles begonnen und geendet hatte...



„Lass sie einfach fließen, hm? Du wirst sehen, dann klappt es. Es ist nicht schwer. Nur, wenn du es dir schwer machst.“ Yrsa lächelte mild zu ihrer Tochter hinab, die vor Anstrengung einen hochroten Kopf hatte. Mit einem sanften Kopfschütteln ging sie neben ihr in die Knie, legte ihre eigenen Hände an die Handrücken ihrer Tochter. „Ganz leicht. Ohne Anstrengung und Zwang.“ Die Berührung war einer Feder gleich und ging wie ein Atemzug hin und her. Nach und nach entspannte sich das Mädchen, lehnte sich an die Mutter und atmete langgezogen aus. So wirklich verstand sie nicht, was die Mama mit „fließen lassen“ meinte. Aber sie gab sich Mühe. „Schließe die Augen. Stell ihn dir vor. Du musst ihn in deinen Augenlidern sehen können. Siehst du ihn?“ „Nein ... gleich. Warte, Mama.“ Eine Pause entstand. „Ja!“ „Dann lass ihn fliegen!“ Ein kleiner Schwall chaotischer Magie überkam die Norn, als ein kleiner transparenter Schmetterling sich zwischen ihren Händen bildete. Träge, etwas windschief und unförmig flatterte er vor den Beiden herum. Das Mädchen öffnete die Augen und schrie entzückt auf, als sie sah, was sie erschaffen hatte. Der Schmetterling zersprang daraufhin wie Glas, aber das Kind strahlte munter über den Erfolg.


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„Mama?“ Sie rüttelte am Leib ihrer Mutter. „Pa? Paps, wach auf!“ Die Hände gruben sich in das Hemd des Norn, der regungslos auf dem Boden des Waldes lag. Heiß rannen die Tränen über ihre schmutzigen Wangen. Sie schüttelte abwechselnd an ihrer Mutter, dann an ihrem Vater. „Wacht auf... Wacht auf! WACHT AUF! Ein leises Klirren von Glas drang an ihr Ohr. Hastig sah sie sich um und sah mehrere transparente Schmetterlinge verblassen. Die Magie hatte den Eltern in diesem Kampf nicht geholfen.



Sie blinzelte. Die Wärme Sóla‘s spürte sie dicht bei sich, weshalb sie ihre Tochter fest an sich drückte. Das Kind bekam einen Schmatz auf den Lockenschopf. Einen weiteren Augenblick ließ sie verstreichen, ehe sie eine Antwort auf die Frage gab.
„Vielleicht wird es endlich Zeit, es wieder auszuprobieren.“

„The Norn will not change simply because the Dwarves do not understand our ways.
I'd rather be hated for who I am than loved for who I am not.“

Jora

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