✬ Heimkehr ✬

Charakter: Riotea - Nahira - Falk


Eigentlich war Riotea fast im selben Augenblick eingeschlafen, als ihr Körper die Kissen berührte. Aber wie so oft schreckte sie mitten in der Nacht auf und war hellwach. Natalie und Erik lagen noch scheinbar im tiefen Schlaf in ihren Betten. Unruhig stand sie auf und schlich umher, so wie sie es in vielen Nächten zuvor schon tat. Unten vor Haus setzte sich an eine der Kanten und sah zum Himmel rauf. Die Sterne funkelten friedlich und der Himmel wurde nur von leichten Schleierwolken verdeckt.
So schnell wie es passierte, konnte sie sich gar nicht wehren. Die eine Hand packte ihren rechten Arm und dreht ihn auf ihren Rücken, die andere hielt ihr den Mund zu. Kaum später spürte sie zwei Pranken an ihren Füßen und verlor den Boden darunter. Im ersten Moment noch so geschockt und Überrascht, dass sie sich nicht wehren konnte, zappelte sie im nächsten Moment mit allem was ihre Kräfte hergeben.
“Verdammt hör doch auf!”
Die Stimme war scharf, aber gedämpft, kam von der Person an ihren Füßen und die Worte galten eindeutig Riotea. Statt aber still zu halten, wehrte sie sich weiter und spürte den Kontern in Form von mehr Druck auf ihrem Mund sofort.
“Verfluchte Axt... hör doch auf! Wir lassen dich ja gleich runter!”
Wieder war die Stimme gedämpft und scharf. Aber dieses Mal ließ Riotea ihre Gegenwehr sein und ließ sich hängen. Es dauerte noch etwa 5 oder 6 Schritte, da hielten sie an und die Pranken ließen Rioteas Füße los.
“Lass sie los und mach die Kerze an.”
Gesagt getan, der Griff an ihrem Arm löste sich und fast zeitgleich auch die Hand vom Mund. Geknautscht landete sie auf dem Hintern und sah im fast völligen Dunkel von einem Schemen zum anderen. Dann hörte sie von einer Seite ein Streichholz und sah wie die kleine Flamme eine Kerze entzündete. Der Mann vor ihr deutet auf die andere Seite, also drehte sie sich um.
“Eh, ‘Nabend.”
Mit einem erschrockenen Laut rutschte Riotea zurück, als sie in das breite, Bärenfallen artige Grinsen der Charr blickte.
“Was denn? Hab’ ich mich etwa gegen den Strich gebürstet?”
“Was zum Schwarzpulver läuft bei euch falsch? Wer seid ihr?”
“Nein, dein Lächeln ist so zuckersüß wie immer, Nini.”
Der Sarkasmus in seiner Stimme war so trocken und rau wie Schleifpapier.
“Ich bin Nahira und das ist Falk... und du bist Rio. So weit, so gut.”
“M-Moment... DU bist Nini?”
Seufzend wischte sich Nahira durchs Gesicht. Merklich genervt sah sie zu Riotea runter.
“Wenn Ly aufhören würde mich Nini zu nennen, hör ich vielleicht irgendwann auf ihn Kaffeebohne zu schimpfen. Ja, genau die bin ich.”
“Lyude? Ist er etwa hier?”
“Nein, aber ich, weil er mich geschickt hat. Er will dir eine Chance geben nach Hause zu kommen.”
Gerade als sie aufstehen wollte, sank sie wieder zurück. Die Worte hatten sie schlagartig aufgewühlt.
“Na Hause? Wie meinst du das?”
Blinzelnd sah Nahira zu Falk.
“Wir schulden ihm noch einen großen Gefallen. Also hat er uns gebeten dir nachzureisen und dich zu beobachten. Jetzt haben wir den Befehl erhalten, dich zu fragen, ob du nach Hause willst. Deshalb die Aktion.”
“Da hörste...”
“Nach Hause... zurück nach Götterfels...”
Unschlüssig sah sie von Nahira zu Falk und zurück. Im schwachen Schein der Kerze waren ihre Gesichter mehr halb erhellte Fratzen und in ihr keimte der Gedanke, sie würde träumen. Wäre beim Sternengucken eingeschlafen und würde nun an der Gebäudekante liegen.
“Hör mal kleine, Lyude hat sich die ganze Zeit Sorgen gemacht. Noch mehr als ihr Amnoon verlassen habt und ist fast tot umgefallen als wir sagten, dass ihr in Vaabi aufgeploppt seid.”
“Vor allem wie...”
Thimorn und Sharatur sind eingeweiht. Sie haben nichts dagegen, wenn du mit uns kommst, wir haben nur den ausdrücklichen Befehl nichts gegen deinen Willen zu tun.”
Völlig überfordert sah sie in die Dunkelheit zurück, wo sie Natalie und Erik vermutete. Heimweh machte ihr das Herz schwer und ein schlechtes Gewissen ihre Gedanken zäh.
“Erik und Natalie alleine lassen und... einfach verschwinden?”
“Einfach weg is’ nicht. Wir sind ja keine Unmenschen. Wenn du dich verabschieden willst, dann ist das verständlich und machbar.”
Einen Moment schweigen die beiden. In Rioteas Kopf drehte sich alles. Und ihr wurde so schlecht, dass sie sich übergeben wollte.
“Pass auf, wir stellen dir die Kerze hier hin und du hast Zeit nachzudenken. Wenn du eine Entscheidung gefällt hast, dann puste die Kerze aus und wir kommen zurück. Bis dahin lassen wir dich in Ruhe.”
Langsam sah Riotea zu Nahira hoch. Es dauerte eine Weil bis sie den Vorschlag verstand und dann nickte. Die Kerze wurde von Falk zu Boden gestellt und beide verschwanden außerhalb des Lichtkegels. Riotea blieb allein zurück.
Eigentlich stand ihre Entscheidung schon fest, aber es schnürte ihr die Kehle zu. Immer wieder sah sie Thimorn und Sharatur und das wiedersehen, aber dann Natalie und Erik in der Wüste. Elona war nicht ihre Heimat und auch nicht der Ort, den sie sich vorgestellt hatte. Ihr Ziel erwachsen zu werden, schien noch viel weiter entfernt als vor der Reise. Sie wollte oft zurück und jedes Mal ließ sie sich aufhalten. Aber dieses Mal, redete keiner auf sie ein, sondern man gab ihr eine Chance und völlige Ruhe.
Seufzend ließ sie sich nach hinten fallen und sah in den Himmel. Die Sterne beruhigten sie und für einen winzigen Moment konnte sie alles vergessen. Als sie ihre Augen schloss, kam ihr ein Gedanke. Kaum später stand sie auf und suchte den Weg zurück zum Haus. Die Kerze ließ sie stehen und auch die Flamme an. Sie schlich die Treppe wieder rauf und nahm ihren Rucksack. Dennoch verging Zeit, bevor sie zur Kerze zurückkam und die Flamme auspustete.