Albtraumhafte Erinnerung Teil 2

Der Tag der alles veränderte…



Wieder einmal sitze ich hier, vor diesem kleinen, vergitterten Fenster und sehe hinaus auf das emsige Treiben auf der Straße, die Straße die ich als Kind früher mein Territorium nannte, die Straße durch welche ich gemeinsam mit meiner Schwester immer gestreift bin, bereit neues zu entdecken, mitten in der Hauptstadt.




Eine Welt erstreckt sich nun vor mir, von welcher mir abgeraten wurde, diese allein und für alle erkennbar zu betreten. Denn immer noch sind sie hinter mir her, wer eigentlich genau? Sind es Schergen meines Vaters, dem ich das Geschäft seines Lebens vermasselt habe, weil ich diesen arroganten A… nicht heiraten wollte. Niemals hätte ich es von meinem Vater gedacht, dass das wunderbare und harmonische Verhältnis zwischen uns beiden einmal derart zerbrechen könnte. Oder sind es die Leute des von mir in drastischer Art und Weise zurückgewiesenen angedachten Ehemanns die hinter mir her sind. Ich könnte ihm das nicht einmal verdenken, aber eigentlich ist er ja selbst schuld, so hat ja auch, den Göttern sei es gedankt, das Gericht dann entschieden. Wer einer Frau Gewalt antun will muss damit rechnen, dass sie sich verteidigt. Das hätte mein Vater wohl auch nie gedacht, dass ich sein Geschenk, den silbernen Brieföffner mal dafür verwende.





Wenn die wüssten, wie nahe ich ihnen eigentlich bin. Ich hätte es mir aber früher niemals denken können in so einer Umgebung zu leben. Genauso wenig wusste ich wie familiär es hier abläuft. Es ist eine richtige Familie obwohl fast niemand hier (Außer die schönen Flussland-Zwillinge) blutverwandt ist. Vor allem wie schnell, unkompliziert und herzlich sie mich aufnahmen. Die einzige Bedingung, die sie stellten, war dass ich auch etwas dafür tun müsse. Nur die Tätigkeit, die die Damen des Etablissements ausführen, würde ich nie tun können, außerdem würde mich wohl irgendjemand im Laufe der Zeit erkennen. Und so mache ich nun das was man hier noch tun kann. Das was ich schon in der Benimm-Schule am meisten von allem mochte: Tanzen!



Damals war ich schon die beste Tänzerin in der Klasse. Alle Jungs standen Schlange bei mir, wenn es darum ging, eine Tanzpartnerin zu wählen für Veranstaltungen und Prüfungen. Und nun haben mir die Damen des Hauses auch noch ihre Tänze gelehrt, jede einzelne. Jede der Damen verbrachte Tage, wenn nicht Wochen, damit ihre Kenntnisse, ihre Bewegungs-Stile und ihre Körpersprache weiterzugeben, und daraus habe ich mir meinen eigenen Stil entwickelt, und er kommt an. Und wie der ankommt!



Meine Auftritte um Mitternacht, angekündigt als 'Königin der Nacht', sind zu einer Attraktion geworden, auf die täglich bis Mitternacht gewartet wird. Die anzüglichen und abstoßenden Zurufe des Publikums blende ich einfach aus dabei, höre sie schon gar nicht mehr. Denn wenn ich eines bin dann ist das unantastbar, für niemanden zu haben und die Unbekannte. Meisterlich verdeckt die Maske, die ich dabei trage, meine Identität. Die rothaarige Perücke verstärkt den Effekt noch dazu. Genauso geheimnisvoll wie ich auf der Bühne erscheine, genauso schnell verschwinde ich wieder. Wofür Mesmer-Fähigkeiten so alles gut sein können.



Vorgestern hätte ich mich fast verraten, als ich ihn im Publikum erblickte, der den ich heiraten sollte und der mich bedrängte, Ihn dem ich den Brieföffner in den Bauch rammte. Ich musste alle meine Selbstkontrolle aufbringen um meine Show fertig zu bringen. Wahrscheinlich haben es sogar manche Stammgäste bemerkt, dass ich wohl nicht ganz bei der Sache war. Ich hoffe heute bei der nächsten Show bin ich wieder die 'Königin der Nacht' die alle kennen – oder eben nicht kennen.



Aber irgendetwas stimmt nicht, heute ist etwas anders. Eine bedrückte Stimmung liegt in der Luft. Sind es meine magischen Fähigkeiten, die mich vor etwas warnen wollen, ich weiß es nicht. Oder ist es doch nur die Nervosität und die Angst davor, er könnte wieder im Publikum sitzen. Was ist das? Ein seltsames Geräusch, ein Flügelschlag, noch einer, als würde ein Greif direkt vor meinem Fenster kreisen. Aber da ist keiner, kein Greif auch kein anderes flugfähiges Wesen. Aber trotzdem die Geräusche. Da kommt etwas, nur was? Ganz nah stelle ich mich an das Fenster und spähe hinaus. Ich schaue nach links – nichts, rechts ebenso nichts, unterhalb des Fensters nichts und dann richte ich den Blick nach oben, muss dabei blinzeln denn mein Blick richtet sich nun gegen die Sonne. Da ist etwas, ganz genau in der Sonne erscheint ein Punkt. Ich muss die Augen zu kneifen, um etwas genaueres erkennen zu können. Schnell wird es größer, immer größer, schon verdeckt es die Sonne und meine Augen entspannen sich etwas. Aber nur um gleich darauf in weit aufgerissen zu werden. Denn allmählich erkenne ich was da auf mich, oder besser gesagt auf die Stadt zufliegt. Nein, kein Greif oder kein anderes flugfähiges Wesen aus Elona. Was da auf die Stadt zufliegt ist ein Drache! Irgendwann habe ich einmal etwas von Wyvern gehört, die es irgendwo weit entfernt geben soll, aber selbst die wurden mir nicht als sooo groß beschrieben. Spätestens jetzt merken es auch alle anderen Einwohner in der Stadt, denn das ohrenbetäubende Gebrüll, dass die Kreatur ausstößt ist von nichts und niemandem in der Stadt zu überhören. Mit den Händen gegen die Ohren gepresst wende ich mich ab. Als das Gebrüll abreißt, wende ich mich wieder dem Fenster zu. Das Gebrüll war so laut, dass ich immer noch ein eigenartiges Pfeifen in den Ohren höre. Von dem Krach und dem Tinnitus irgendwie benebelt sehe ich wieder hinaus.



Dann trifft es mich mit voller Wucht, durch das offene, nur vergitterte Fenster. Ich sehe Rot – nein Purpur. Das ist alles was ich dann noch realisiere. Ein Schmerz, wie ich ihn noch nie in meinem Leben gespürt habe, und dieser explodiert regelrecht mitten in meinem Gesicht. Das es Kralkatoriks Brandsturm war, der meine Unterkunft und dadurch auch mich traf, werde ich erst viel später erfahren. Die Wucht des Aufpralls holt mich von den Beinen und ich falle.





Der Aufprall kommt rasch. Ich stoße mir sogar den Kopf noch dabei und sehe Sterne um mich herumtanzen. Was? Ich sehe Sterne? Kein Purpur. Der Schmerz ist weg! Was zum? Langsam lichtet sich mein Sichtfeld wieder und was ich sehe lässt mich aufatmen. Ein Zimmer, ein anderes Zimmer kann ich nun erkennen. Mein Zimmer in meiner Wohnung in Löwenstein. Ich liege, aber nicht in meinem Bett, sondern daneben. Es fröstelt mich leicht, denn mein Nachthemd ist von oben bis unten durchgeschwitzt. Ich weiß nicht, wie und wann ich mich dann aufrappelte, wie ich mich an die Wand lehnte, wie ich dann die Arme um die Knie schlang. Ich weiß auch nicht, wie lange ich so an der Wand kauerte. Irgendwann reißt mich dann eine bekannte Stimme aus diesem Zustand. Es ist unverkennbar meine Schwester. „Hey, was machst du denn da auf dem Boden?“ höre ich wie durch einen Schleier als sie sich vor mich hinkniet.

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