Am Schiffshaus

Behandelt inhaltlich das gleiche Konzept wie: Im Mamorpalast
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Im Gegensatz zu seinem eigenen kalten, geordneten Mamorpalast, war der Verstand von Fjodor ein Kunstwerk.
Zusammengesetzt aus Schiffskörbern, Planken, Masten und Tauen, mag es für die meisten Betrachter das reinste Chaos sein. Doch für Yaska war gerade diese Komplexität, das Geheimnisvolle und die gleichzeitige Kraft, die es ausstrahlte so anziehend. Das Gebäude blieb äußerlich nie lange gleich. Mal verschwand ein Lukenfenster, mal wölbte sich ein Schiffskörper anders, als noch vor ein paar Wochen. Eine verworrene Skulptur aus düsteren Nischen, verwitterten Decks und maritimer Kunstfertigkeit. Die 3 hinein geschlagenen großen Säbel aber, die das Haus durchstießen wie ein erlegtes, wildes Tier, würden wohl nie verschwinden, egal wie sehr es noch atmete.
Yaskas Verstand näherte sich dem Haus und dem Wald, den es umgab. Aktuell bestand der Wald aus großen Nadelhölzern, wie sie zumeist in den schroffen Zittergipfeln zu finden waren. Die hohen und dicken Stämme und Nadeln verbargen das Schiffshaus fast gänzlich vor dem Besucher und schufen eine Welt aus Zwielicht und Dunkelheit zu ihren Füßen. Selbst der Boden erschien wie ein echter, unberührter Waldgrund, voller Sträucher und Moos, durchzogen mit Baumwurzeln und geräuschverschlingendem Unterholz. Der ehemalige Magier konnte Fjodors mentale Detailverliebtheit und Kraft nur bewundern. Yaskas Präsenz konnte gar nicht anders, als von der Rabenform in die Wolfsform zu wechseln, als die heimelige Dunkelheit des Waldes ihn umfing.
Die silbrig leuchtende, an den Rändern zerfasernde Wolfsgestalt, die Yaskas manifestierter Verstand war, wanderte als einsames Irrlicht zwischen den großen, alten Bäumen, dessen Nadelkleider so hoch und weit ragten, dass es aussah, als hielten die Äste sich gegenseitig fest. Ein Zelt aus Sehnsucht nach den Zittergipfeln und den Wölfen, die sie durchstreiften. Fjodors Heimat. Fjodors Familie. Die glimmenden Wolfspfoten machten kein Geräusch, wie sie so über das Unterholz liefen und der Wolfsleib hinterließ kurzzeitig einen leuchtenden Hauch an der Rinde der Bäume, wenn er sich an diesen entlangschmiegte. Die Farbe von Zufriedenheit mischte sich gedämpft in das Silber der Wolfspräsenz. Yaska zog Kraft aus diesem Ort, den nur er so friedlich betreten durfte. Sie umfing ihn, in der Einsamkeit des Waldes, der geheimnisvollen Finsternis und dem Aufragen des Schiffshauses, mit seinen chaotischen Windungen aus Planken, Relings, Takelage und Bullaugen.
Yaskas Verstand blieb im Wald nicht lange unbemerkt. Schließlich blinzelten die ersten Augen aus dem Dickicht. Ein Nebelhauch schien vorbeizuhuschen, der sich schließlich manifestierte. Und dann noch einer, und noch einer.
Weitere Wölfe tauchten auf und liefen spielerisch auf die fremde Präsenz zu. Sie umgarnten den Besucher mit schmiegsamen Berührungen und Schnauzenstubsern. Fjodors Willensschemen. Sie waren in dem Norn so präsent und mächtig, dass sie sich nicht damit begnügten im Haus zu bleiben. Ein Charakterzug, den Yaska wohl selten so vorrangig an einem anderen Norn wahrgenommen hatte. Fjodors Willensstärke manifestiert sich aus einem eigenen Antrieb und war nicht immer so sichtbar, wie jetzt.
Yaskas Verstand rannte los wie ein juchzendes Kind. Durch den von Fjodors mentaler Präsenz erweckten Wald, über das weiche Moos, wie ein Leuchtfeuer, umgeben vom Rudel aus rauchigen Schemen.