Mit Recht vertreten.

Ein Herrenzimmer.
Dunkle Bodendielen, kurzflorige Teppiche, gedeckte Farben, markant hervorstehende Fußleisten, halbhohe Paneelen, die sich an weinrote Wände setzen, kontrastieren. Schweres Mobiliar. Zwei dunkelbraune Chesterfield-Sessel, einen achteckigen Rosenholztisch zwischen sich wissend. Goldgerändert, zentriert mit hellem Eicheneinsatz, umringt von Marmor. Weiß und schwarz im Wechsel. Acht Quadrate auf einer Geraden. Acht davon übereinander gelegt. Sechzehn filigran geschnitzte Kameraden auf der einen, deren düstere Spiegelungen auf der anderen Seite.
Eine Uhr mit Pendel. Sie tickt. Ein Kamin aus grauem Gestein, schwarzer Funkenrost, orange-gelbe Flammen, zuckend und knisternd. Sterbende Fichtenscheite: Kaum Wärme, viel Licht, rasch vergänglich. Polierte Gläser, ein Globus, glänzend lackiert. Regale, hoch und breit, gefüllt mit zerlesenen Büchern. Foliant, Silberprägung im Einband, aufgeschlagen auf einem Pult, gefangen in Glas. Lang verblasste Lettern, kaum mehr von Tinte getränkt, kränklich und alt, nicht länger Wissen in sich bergend und doch von gesteigertem Wert.
Eine Bar. Rostroter Whisky, zwei Flaschen. Wein, rot und weiß. Eine Karaffe mit Wasser, drei Scheiben Zitrone darin, schmelzendes Eis. Liköre.
Geschmackvolle Gaslaternen an den Wänden, ein Kronleuchter im Zentrum. Kein Kristallglas; Eisen, roh und kantig. Lange Vorhänge, hohe Fenster, Abenddämmerung dahinter. Rötlich greller Schein als schwacher Schimmer zwischen wachsender Dunkelheit, von Nebel zerfressen und erstem Frost. Drinnen ist es warm. Herber Tabak, schwer und pelzig auf der Zunge, würzig im Rachen. Bergamotte, frisch und elegant, vermengt mit Zedernharzen. Minze, ein Hauch bloß davon. Unpassend, falsch in diesem Setting.
Büsten auf Basaltsockeln, unbekannte Gesichter. Staub auf ihren Häuptern, teils darunter. Knarzende Fensterzargen, Schreibtisch, Sessel, Tintenfass und Feder. Löschpapier unter einer Mappe unbeschriebener Papiere.


Einblende


Lebloser Körper am Boden.
Männlich.
Hemd, Weste, Anzughose, gewichste Schuhe: schwarz.
Braunes Haar, grau meliert an den Spitzen. Verdrehter Hals.
Tot.


Szenenwechsel


Der Boden bebte unter den beschlagenen Hufen der Pferde, die, von den harschen Rufen und den harten Tritten ihrer Reiter getrieben, über die Landstraße preschten. Die Gendarmerie jagte zwischen den kargen Feldern hindurch, deren aufgerissene Böden keine Frucht mehr trugen. Die Acker waren bereit für den Winter, harrten der wenigen Tage, die der Herbst noch zählte, ehe die bittere Kälte der Wintermonate sie starr und steif werden ließ. Laut johlend verfolgten die getreuen Soldaten die kleine Gruppe, kaum ein dutzend Reiter, die sie mit einem gehörigen Abstand vor sich her trieb. Grimmige Gesichter auf diesem Teil der Strecke, wenig begeistert von der Vorstellung noch länger erfolglose Häscher zu sein. So nahe waren sie ihnen heute und das nach all den Wochen ihrer Suche, dass sie ungeduldig wurden im Angesicht des bevorstehenden Erfolges. Unruhig in ihren Sätteln, die Schenkel und Pöter längst wundgerieben hatten. Ein Schuss hallte durch den Abend. Eine vergeudete Kugel, verschenkt an die Unholde, die viel zu weit voraus ritten, als dass das Blei einen von ihnen hätte treffen können. Der übellaunige Ruf des Schützen: Geschenkt.


Unter dem fallenden Schuss zuckten die Häupter der Verfolgten. Ihr Führer zog den Schädel zwischen die Schultern und das obgleich er der Letzte war, der sich vor einem Treffer hätte fürchten müssen. Es war Ansporn genug die Hacken tief in die Flanken der Pferde zu treiben, blutig so manch eines davon, schaumig waren sie alle. Feucht und klamm das Fell an ihren Hälsen, von Schlamm und Dreck gesprenkelt. Die Tiere waren sehnig und langbeinig, gedrillt darauf zu rennen, immer zu und immer weiter, je kürzer die Tage wurden. In das Donnern ihrer Flucht mischte sich das Knarzen des Lederzeuges, das sich malträtiert sah unter den Anstrengungen, die es zu erdulden hatte. Keuchen und Fluchen, gelegentliches Husten.
Die Männer waren hungrig und von schlechtem Gemüt. Sie hatten keine Lust mehr noch länger davon zu laufen, wollten lieber kämpfen, selbst wenn es aussichtslos schien. Sie waren zu wenige, keine Frage und es würde nicht besser werden jetzt, wo sie am Ende ihrer Kräfte angelangt waren. Kein Schlaf, kaum Ruhe, wenig Brot für den Weg, das Wasser war ihnen vor Stunden ausgegangen. Die Hoffnung blieb. Diese Tage konnten überstanden werden. Sie mussten es, wollten sie leben. Es würde Opfer geben, ganz fraglos, sie wussten es alle. Längst nicht mehr vollzählig, bildeten sie den hartgesottenen Kern, der nicht vergehen mochte. Die letzten Überbleibsel ihrer Art, Träger einer Idee, die völlig utopisch schien in Anbetracht der Fakten, die keiner von ihnen bisher ausgesprochen hatte.
Es gab nur einen Hoffnungsschimmer in dieser schier aussichtslos scheinenden Situation. Ein letzter Halm, an den es sich zu klammern galt, wollten sie leben. Der Wald, der sich in etwas mehr als einer halben Meile vor ihnen zwischen den Feldern erhob, bot trügerische Sicherheit. Die Stämme standen dicht, die Äste hingen tief. Es war nur eine Gelegenheit, gespickt von Gefahr und Unwegsamkeiten, aber es war eine Chance, die sich keiner der Gejagten entgehen lassen wollte. Sie mussten es nur mehr schaffen diese letzten Meter hinter sich zu bringen, ohne dass die Distanz zwischen ihnen und ihren Treibern so gering wurde, dass die Wucht der Flinten die bleiernen Kugeln in ihre Rücken stieß. Behielten sie dieses Tempo bei, dann würden sie es schaffen. Ihre Verfolger mochten ausgeruhter sein, doch jene, die hier ritten, waren voll der Überzeugung. Sie waren nicht ausgezogen den Tod zu finden. Sie waren gekommen das zu Leben erstreiten, um das sie sich betrogen fühlten.
Ein zweiter Schuss fiel, etwas näher jetzt und doch so wirkungslos wie der erste. Vereinzeltes Schnauben, amüsiert und selbstgefällig. Es war zu schaffen. Hielten sie nur durch bis zum Rand des Forstes, dann würden sie gewinnen. Eine siegreiche Schlacht bloß, kein gewonnener Krieg, aber es war ein Anfang.


Während die Rufe der Soldaten in meinem Rücken immer lauter wurden, hatte ich keine Lust mehr deren gebrüllte Silben zu entziffern. Viel mehr war es mir ein Anliegen mich auf den Weg zu konzentrieren, der vor mir lag. Es war schwer genug gewesen diese Halbaffen in Schacht zu halten, sie davon zu überzeugen das Herrenhaus zu verlassen, Gold und Silber nicht raffgierig und ohne Verstand an sich zu reißen. Wir waren keine Plünderer, keine ehrlosen Räuber, die gedachten in Ruhm und Reichtum zu schwelgen, für den wir lediglich einen Hals hatten brechen müssen. Wir waren Krieger. Kämpfer für die Freiheit, für Einigkeit und Brüderlichkeit, Geselligkeit und eine Meinung, die uns keiner nehmen konnte. Idealisten, keine Frage, aber solche eben, die sich nicht mit geschwungenen Reden alleine zufrieden gaben.
Drauf geschissen.
Feiglinge waren das. Sie alle miteinander. Gegrölt und geprahlt hatten sie. Wir ziehen aus den Herrn zu töten. Gestohlen hat er unser Vieh! Unser Geld! Unsere Ehre! Ehre...Als verstünde sich auch nur ein einziger von ihnen wirklich darauf. Sie johlten Parolen, die sie gar nicht verstanden, rühmten sich mit Taten von Männern, deren Größe sie niemals erreichten und glaubten an eine Einfachheit der Dinge, die ihnen sehr bald einen Strick um die feisten Hälse legen würde. Mittel zum Zweck: Mehr waren sie alle nicht.


Als der Wald näher kam, ich hatte mich dabei erwischt mit dem Erfolg meiner Flucht zu hadern, gewann ich neuen Mut. Die Stute, die ich mir erwählt hatte, war keine Enttäuschung gewesen. Ein schönes Tier, dem ich sicherlich dann und wann nachtrauern würde, gewiss sogar, ich mochte sie. Aber auch sie war eines der Opfer, die zu bringen ich bereit war. Egal was die anderen taten, vermutlich sterben, aber ich hatte anderes im Sinn. Niemand würde mich dazu bringen mit dem Pferd in den Wald zu reiten. Eine hochstehende Wurzel, ein tiefhängender Ast, eine Sekunde unaufmerksam, einen Moment unfähig das Tier in seinem Trieb zu lenken und es wäre vorbei. Ich war zu erfahren, um mich auf das Glück alleine zu verlassen. Zu schlau vielleicht, zu eitel. Kein Gedanke an jene, die hinter mir fielen. Namenlose Gestalten ohne Gesicht, Geschichte und Zukunft. Schachfiguren, die vom Feld gefegt wurden, einzig dazu bestimmt aus der Partie zu fliegen.


Es waren nicht nur die Pferde, die erschrocken schrien, als sie die Grenze passierten, in den Wald hinein stoben. Aufgespießt von kargen Ästen, zerstochen von spitzen Zweigen und erschlagen von dicht an dicht stehenden Stämmen, hallte das dumpfe Knacken berstender Knochen durch die Abenddämmerung. Haut riss, platzte, wurde an grober Rinde zerrieben während Tiere und Reiter gleichermaßen stürzten. Jedenfalls jene, die ihr Tempo nicht gedrosselt hatten. Die anderen, erschrocken zum Teil, rissen so harsch an den Zügeln ihrer Zossen, dass diese sich aufbäumten. Hart der Aufprall, schmerzvoll und erbarmungslos. Ein kurzes Trauerspiel von kläglich staksenden Personen, gefangen zwischen Furcht und Verzweiflung in direkter Konfrontation mit dem eigenen Versagen, so kurz vor dem Ziel. Dann zerstoben jene, die noch fähig dazu waren. Sie rannten davon, flohen in die Wälder und verschwanden im Unterholz. Ihr Führer war einer von ihnen. Der Erste, der nicht erschauderte unter dem Anblick seiner fallenden Genossen, deren Unglück er gar nicht gesehen, lediglich am Rande registriert hatte.


Szenenwechsel


Zurück im Herrenzimmer.


Yurij warf einen Blick auf die leblose Gestalt, über die eines der Dienstmädchen ein Laken gebreitet hatte. Grünstichig ihre Wangen, als sie aus dem Zimmer eilte, es kaum bis zur Latrine schaffte, in der sie sich übergab. Der Mann hatte ihr bedauernd nachgesehen. Sie war ein armes Ding, gezeichnet fürs Leben, so wie er glaubte. Eine junge Frau, die etwas erlebt hatte, dem sie nicht hätte ausgesetzt werden sollen. Der Iorga sah zurück in den Raum, halb Salon, halb Arbeitszimmer. Die Zweifarbe seiner Augen glitt über das Interieur; er sah es zum ersten mal an diesem Abend. Die Soldaten des Grafen auf der Jagd wissend, schritt der Iorga zwischen den ordentlich aufgereihten Büsten hindurch. Er trat an den einstigen Hausherren heran, starr dessen Haltung, wächsern die leblosen Züge, die unter weißem Linnen verborgen lagen. Der Mann raffte den Stoff seiner Hose und sank in die Hocke. Eine schmucklose Bewegung, die die hellen Nadelstreifen im dunklen Grau des dicht gewebten Stoffes wellten. Seicht wölbte sich eine der hellen Brauen im blassen Antlitz Yurijs, der die Rechte streckte und beherzt in das Laken griff, um es mit einem knappen Ruck aus dem Handgelenk heraus auf die Schultern des Bedauerlichen herab zu zwingen. Genickbruch. Es brauchte keinen Mediziner diesen Umstand zu erkennen. Als er eine Bewegung in seinem Rücken wahrnahm, drehte der Iorga sein Haupt. Die verschiedenfarbigen Iriden ruckten in ihre Winkel und mit einem kurzen Nicken signalisierte der Blonde dem Adjutanten des Gardekommandeures, dass er sprechen durfte. Yurij erwartete einen ersten Lagebericht. Die Bestandsaufnahme, um die er gebeten hatte. Eine Nennung aller Zeugen, die es geben mochte. Er erhielt nichts davon. Als der Soldat zu sprechen begann, sich einen kurzen Salut sparend, waren es lediglich Floskeln, die über seine erschreckend vollen Lippen quollen. Yurij schloss die Augen. Tonlos atmete er durch, dem Gebrabbel des Mannes lauschend, der sich groß und wichtig nehmen musste, so wie er dem Iorga begegnete. Unfähig zu akzeptieren, dass er diesem hier wenigstens zeitweise unterstellt war, strebte der Genosse weit weniger nach Aufklärung, als viel mehr danach seine eigene Männlichkeit unter Beweis zu stellen. Dem ebonfalkener Anwalt waren die vermeintlich ungesehenen Blicke des Adjutanten nicht entgangen. Sie waren zwiegespalten. Misstrauisch und verhalten auf der einen, von einem sonderlichen Interesse und grenzüberschreitendem Verlangen auf der anderen Seite. Yurij warf das Laken zurück über die Totenfratze, legte seine Hände auf die eigenen Oberschenkel und drückte sich zurück in den Stand. Ein Muskel an seinem Kiefer zuckte, als er sich zu dem Mann herum drehte, der in den letzten Zügen seines hohlen Berichtes lag. Falsche Freundlichkeit begegnete dem Soldaten, perfekt inszeniert und oft benutzt, sodass es schwer war ihren Wahrheitsgehalt zu ermessen.


„Ich bedauere es, dass es Ihnen noch nicht möglich gewesen ist meiner Bitte Folge zu leisten. Es wird schwer werden meiner Arbeit nachzugehen, ohne dass mir die dafür erforderlichen Informationen vorliegen. Ich hatte gehofft bei der Rückkehr des Kommandanten einen ersten Bericht vorlegen zu können. Immerhin, bitte korrigieren Sie mich sollte ich fehl liegen, war es seine Idee mich zu kontaktieren, nicht wahr?“


Er klang unbescholten, lächelte schmal und freundlich, unaufregend zwar, aber einnehmend. Yurij hatte wenig Meinung davon sich von diesem Mann hier in seinem eigenen Bestreben aufhalten zu lassen. Es war ihm lästig sich mit diesem hier auseinandersetzen zu müssen, auch wenn er wusste, dass er keine andere Wahl als eben diese hatte. Niemand sonst hier besaß ausreichend Befugnisse den Iorga in seinem Wirken zu unterstützen, dem es eine rechte Qual war zu wissen, dass er hier einen vor sich hatte, dem der Sinn nach ganz anderen Dingen stand.


Mit einem routinierten Griff an seinen Kragen richtete der Rechtsvertreter sich den Sitz des hellen Krawattenschals, den er sich voller Sorgfalt am Morgen um den schlanken Hals gebunden hatte. Sorgsam und mit Bedacht, jede Falte heraus streichend, war der Knoten perfekt gelegt, das Tuch tadellos mit Hemd und Weste in Einklang gebracht worden. Das offene Jackett sich selbst überlassend, trat Yurij auf den Soldaten zu, in dessen Fokus er sich verstand. Die breite, dezent klobige Statur des Adjutanten machte es dem Blonden schwer auf den Flur hinaus zu schauen. Vorbei an den Schultern seines Gegenübers, die unter dickem Leder verborgen lagen. Schmale Lippen rieben beiläufig übereinander. Es war keine Unruhe, die von dem Iorga Besitz ergriff, der ein selten erlebtes und doch recht vertrautes Unwohlsein in sich aufsteigen fühlte. Diese Masse Mensch zwischen sich und dem Ausgang wissend, machte es ihm schwer sich auf das eigentlich relevante zu konzentrieren. Nur weil er seine Professionalität wahrte und sich auf sein eigenes Wesen verließ, durfte er immerhin nicht zwangsläufig davon ausgehen, dass sein Gegenüber es ähnlich damit hielt. Er war nicht das erste Mal unter diesen Leuten, die fern ab der Hauptstädte lebten, abgespalten von der Gesellschaft, die zwar um deren Existenz wusste, aber nur wenig bis gar keine Bestrebungen darin legte sich mit diesen armen Seelen zu verbinden, die ihr Dasein im selbstgewählten Exil fristeten. Wo Herren große Häuser bewohnten, waren es die Diener, die deren Launen zumeist hilflos ausgeliefert waren, unfähig ihre eigenen Bestrebungen zu verwirklichen. Welche Last war es da den eigenen Herren zu verlieren, der Zukunft und Unterhalt sicherte und zugleich: Welche Befreiung aller Ketten, die man sich blind und voller Vertrauen über die Jahre hinweg hatte anlegen lassen. Manchmal, Yurij wusste darum, vertrugen Menschen eine spontan gewonnene Freiheit nicht gut. Fraglich wie es mit diesem hier war, der gerade die muskelbepackten Armen vor der voluminösen Männerbrust überschlug. Das Lächeln des Iorgas verblasste.


Ein absonderlicher Moment der Stille legte sich zwischen diese beiden ungleichen Kerle, die wenig miteinander gemein hatten. Wo der eine aus dunklen Augen musternd lauerte, Gedanken hinter einer abgeflachten Stirn miteinander rangen und Pflichtgefühl gegen inneren Trieb anfocht, gab der andere sich schlicht der eigenen Beherrschung hin. Yurij hatte längst begriffen, dass eine Konfrontation unweigerlich bevor stand. Es spielte keine Rolle wie es dazu hatte kommen können, waren sie sich doch aus ganz anderen Gründen hier begegnet. Aber eben das war es, woran er eben erst hatte denken müssen: Diener, die sich ihrer Herren beraubt sahen, fühlten sich gelegentlich zu Dummheiten verleitet, an die sie sich unter anderen Umständen mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit nicht gewagt hätten.


Das spitze, von einem hellen Bartschatten bedeckte Kinn des Iorgas senkte sich marginal. Yurijs Haltung veränderte sich. Der Iorga, eben noch aufrechten Ganges, strotzend vor selbstbewusster Zufriedenheit, machte einen halben Schritt zurück. Leicht gebeugt das linke Knie, der rechte Fußballen ein My mehr unter Belastung stehend. Er fühlte das Prickeln in seinem Nacken, den Schauer, der seinen Rücken herunter jagte. Übelkeit, die in seiner Kehle aufstieg, herunter gezwungen nur durch stoisches Sinnen, Trotz und innere Auflehnung. Er war Initiator in diesem Moment. Das Warten war ihm lang geworden, unangenehm in seiner Art. Wieso dem Unausweichlichen noch länger davon laufen?


„Sie sollten sich wieder an die Arbeit machen. Vielen Dank für Ihre Unterstützung. Ich werde jetzt nach dem Dienstmädchen sehen und schauen, ob sie etwas mehr Licht ins Dunkel bringen kann.“


Ein Versuch bloß.
Ein Erfolg.
Der Adjutant nahm Haltung an, brach die Armschranke, die sich vor seiner Brust aufgetürmt hatte, nickte und verließ den Raum. Was blieb war blinzelnde Überraschung.


Yurij schnalzte mit der Zunge. Er lachte leise und schüttelte den Kopf. Eine Geste, die Ausdruck seines eigenen Erstaunens war und zu der er sich ganz generell nur selten hinreißen ließ. Sonst gerne nüchtern in den Beweisen seiner eigenen Fehlbarkeit, lag es ihm heute fern sich gänzlich starr zu geben. Die Leiche in seinem Rücken war an hirnlosem Stumpfsinn immerhin nicht mehr zu übertreffen. Nach einem letzten Blick über die Schulter, den abgedeckten Toten kaum mehr mit der ihm zustehenden Würde bedenkend, schritt der Iorga voran, auf den Ausgang zu und durch den sich nach oben hin zuspitzenden Rahmen hindurch. Dann traf ihn der Schlag.


Ausblende

Kommentare 4

  • Stimme Margos zu - sehr schön geschrieben, aber ich musste mich beim ersten Lesen auch manchmal sehr "konzentrieren", um folgen zu können, aber da es spannend ist und Spaß gebracht hat, war es nicht schlimm.
    Die Stelle als einige im vollen Galopp in den Wald ritten, war sehr bildlich beschrieben.

    Ich möchte wissen, wie es weitergeht :D
    Wer ist der Tote?
    Wer ist der Anführer, der entkommen konnte und was sind seine Hintergründe?
    Warum traf Yurij dann der Schlag und war es überhaupt metaphorisch oder doch ein physischer?

    • Vielen Dank auch dir für deinen Kommentar. Ich habe vor heute Abend weiterzuschreiben. Mal sehen ob es klappt. Gerade in den letzten sehr arbeitsreichen Wochen fiel es mir oft schwer und ich habe es schlicht gelassen. Aber gestern packte mich die Lust. Sobald der Keksteig im Kühlschrank ruht, setze ich mich mal wieder ran. Ohne Gewähr, dass etwas gescheites dabei heraus kommt 8)

  • Sehr schön geschrieben, manchmal viel es mir schwer zu folgen bei der Verfolgungsjagd aus wessen Sicht geschrieben wurde. Aber ansonsten eine erfrischende neue Art des Geschichtenschreibens hier im Forum.

    • Vielen Dank dir. Ich probiere gerne ein wenig herum und hatte auf dem Weg zur Arbeit das Herrenzimmer als Szene im Kopf. Das ist dann daraus geworden. Ich hatte gehofft, dass es nicht so "einfach" herunterzulesen ist und versucht durch den Stilwechsel ein wenig der Hektik aufzufangen. Freut mich, dass es offenbar gelungen ist :)