✬ Du und Ich ✬


Charaktere: ★ Riotea - ☆ Vanvalla ☆


Ein bekanntes Bild. Das große Plateau auf dem Berg, der grüne Teppich aus saftigem Gras und die in den Steinboden gemeißelte Rune. Der aufgeklarte Himmel und der seichte Wind, der das warme Gras wie Wellen wiegen ließ. In der Mitte Stand wieder der Steinelementar, wie ein unnatürliches Gebilde, durchzogen von Erzadern und überwuchert von dunklem Moos. Vom Setzling oder den Rosenrangen war nichts zu sehen.
Sie selbst trug bekannte Kleider, doch wirkten die Farben falsch. Statt weißer Tücher mit einem goldenen Band, waren sie Schwarz wie die Nacht und Silber. Es fühlte sich vertraut an und war dennoch so ungewohnt, dass Riotea sich nicht wie sie selber vorkam.
Dennoch war sie dieses Mal Vorsichtiger, war der letzte Besuch auf der Bergspitze doch schmerzhaft gewesen. Sie besah sich den Stein erst einmal, ging in völliger Ruhe einmal um die gesamte Rune herum. Hatte weder schmerzen in den Füßen, noch hinterließ sie blutige Abdrücke. Alles war still, kein Flüstern und keine Kiesel die sich bewegten, nichts geschah. Es war vertraut und doch war es anders.
Mutig stellte sie den ersten nackten Fuß auf den äußeren Rand der rauen, steinernen Rune. Es dauerte keinen Moment, da bröckelte der Steinhaufen auseinander und formte wieder den Elementar vom letzten Mal. Arme, Beine und auch die zuerst leeren dunklen Augenhöhlen. Aber sie blieben dunkel.
“Wach auf!”
Es war kein richtiger Befehl, keine Bitte, nicht mal ein Wunsch. Sie wollte es. Er sollte erwachen.
Aber die Erhoffte Reaktion blieb aus. Die dunklen Löcher im Stein, der den Schädel darstelle blieben dunkel. Der Elementar selber bewegte sich nicht.
“Du hast mich zurückgeholt. Also sag mir, was du von mir willst!”
Doch der Stein tat, was seine Natur war, er rührte sich nicht und schwieg. Wütend ging sie auf den Elementar zu, wich der Rune aus und setzte ihre Füße nur ins warme Gras. Bei ihm angekommen, rammte sie dem viel größeren Wesen die flachen Hände vor den Bauch.
Der Stein blieb unbeeindruckt.
Ein zweites, ein Drittes Mal folgten, ohne Erfolg. Erst als sie sich mit aller Kraft gegen ihn stemmte, hörte sie den markanten Ton von schleifendem Stein auf Stein, sah Steinstaub und kleine Kiesel rieseln. Das dumpfe knacken von brechendem Stein hallte über das Plateau. Das Gebilde drohte zu zerbarsten.
Erschrocken flüchtet Riotea von ihm weg, raus aus der Rune und das gerade noch rechtzeitig. Steinbrocken und Staub versprengten sich über das ganz Plateau hinweg und hinterließen die Trümmer des Elementaren. Riotea wurde nicht getroffen und rieb sich nur die Augen.
Wie Nebel lag der Staub noch in der Luft, versperrte die Sicht zur Mitte. Hustend stand sie auf und sah sich um. Die willkürlich verteilten Trümmer veränderten das Plateau kaum, dennoch hatte sie das Gefühl ganz woanders zu sein.
“Er hätte mir nicht antworten können.”
Die Stimme war ihr nur allzu vertraut, war sie doch ein Lebenslanger Begleiter. Es hätte der Wortwahl nicht bedurft, um zu wissen wer mit ihr sprach. Mit klärendem Blick sah sie zur Mitte. Der Staub legte sich, wurde vom Wind über das Gras hinweggewirbelt und umspielte die dünnen Beine der bekannten Gestalt. Hob weiße und goldene Bänder und Tücher, ohne sie vom Leib zu reißen und ließ die goldene Kette leise klimpern. Grüne Augen sahen sie ernst an.
“Warum hast du mich zurückgeholt?”
Weil ich mir die Fragen nicht beantworten kann.”
”Welche Fragen?”
“Was passieren wird.”
Riotea wusste genau worauf sie hinaus wollte und hatte sich die Frage in den vergangenen Tagen dutzende Male gestellt. Aber nie eine Antwort darauf gefunden.
“Wie viele wissen es wirklich? Wie viele kennen mich?”
Fragen, die sie sich nicht beantworten konnte. Riotea hatte längst die Kontrolle darüber verloren, wer davon wusste und hätte sich nicht einmal selber die Frage beantworten können, wie viele von ihnen es für sich behalten konnten.
“Ich weiß es nicht. Ich weiß es einfach nicht!”
Mit geballten Fäusten stand Riotea da und wusste nicht was sie tun sollte. Ihre Gedanken kreisten und jagten sich, verloren sich im Machtkampf der Wichtigkeit und ihre Erinnerungen drohten sich mit Vorstellungen aus Angst vor den Folgen zu vermischen.
“Verliere ich sie, verliere ich mich. Werden die Karten zerstört, werde ich sterben.”
Diesen Gedanken hatte sie nie zugelassen, wollte ihn nie denken. Denn selbst wenn die Karten nur verschlossen bleiben, würde Vanvalla unweigerlich sterben.
Ein kleiner Teil von ihr, den sie erst angefangen hatte aufzubauen, zerstört durch den Irrsinn einer Seraphen. Die in ihren Augen nur Freude daran empfinden kann, unschuldige zu quälen und innerlich zu zerstören.
Ein Teil von ihr, der ihr Freude brachte, ganz gleich ob das was sie sagte die Wahrheit war, oder nun doch nur aus dem Geist der Karten entsprang. Ob es nun ein schmunzeln ins Gesicht zaubern konnte oder den Leuten nur müdes Schulterzucken entlockte.
“Nein! Ich gebe dich nicht so einfach auf!”
Vanvalla streckte ihr die Hand entgegen und schwiegt. Erhobenen Hauptes ging Riotea auf ihr zweites Ich zu und nahm die Weiße Hand in die Schwarze Hand. Zog sie zu sich in die Arme. Doch statt zu spüren wie eine andere Gestalt in ihre Arme fällt, zersprang Vanvalla in unzählige kleine goldene Sterne.
Der Schwarze Stoff nahm den Sternenstaub an und schien sich davon bleichen zu lassen, reinzuwaschen. Schwarz wurde zu Weiß und Silber wurde zu Gold. Das vertraute Gefühl bekam das vertraute Aussehen wieder.
“Ich bin du, aber du nicht ich.”

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