✬ Schweige, mein Herz ✬

Charaktere: ✬ Riotea ✬ und ☾ Lyude ☾


Es war spät, längst dunkel. Riotea war in ihrem Zimmer und lag bereits im Bett, als sie Thimorns Schritte hörte. Es war Thimorn, das wusste sie genau. Kein anderer hätte noch Holz in den Ofen geworfen, bevor er so die Treppe rauf kam. Aber anders als sonst, kam er nicht an ihre Tür um zu lauschen. Sondern ging direkt in sein Zimmer.
Sie hatte Schuldgefühle und diese brannten bereits den ganzen Abend lang. Hatten ihre Freunde darüber, dass sie die Karten zurück hatte mehr als überschattet. Sie wusste das er die Karten nicht mochte. Nicht mochte was sie damit tat. Wollte die Karten nicht Haus haben, also ließ sie die Karte woanders. Nicht im Haus und schon gar nicht auf dem Hof.
Sie deckte den Frühstückstisch am nächsten Morgen als wäre nichts gewesen, als er herunterkam. Wusste das sie den schein das alles in Ordnung sei nicht aufrechterhalten könnte, egal wie sehr sie wollte, dass der Tag normal anfing.
Thimorn hatte sie wortlos in den Arm genommen, zärtlich und liebevoll und ihr leise entschuldigende Worte zugeflüstert. Ehrliche Worte. Dabei war Riotea ihm nicht böse gewesen, im Gegenteil, sie wusste wie sehr er die Karten hasste und nahm den Zorn vom Abend zuvor Wortlos an. Nicht um sich selber zu bestrafen, sondern als Mahnung. Sie nahm seine Entschuldigung an und wollte nur das alles wieder gut war. Aber sagte ihm auch, dass sie ihm alles erklären würde, versprach es und meinte es dabei sogar sehr ernst.
Später, am Vormittag, kehrte sie nach Götterfels zurück. Zurück ins Salma-Viertel und schlich sich unnötig durch die Hintertür ins Haus. In Lyudes Haus. Die Nachbarn belächelten es schon. Sie war dort bekannt wie ein bunter Hund und es störte auch niemanden mehr, dass sie grundsätzlich nur noch durch die Hintertür kam.
Aber als sie in der großen Küche stand war irgendetwas anders. Seine Schuhe waren nicht da, also war er wohl schon längst im Krematorium. Aber das war es auch nicht. Kälte. Der Ofen, die Asche war längst war völlig kalt.
Hatte er am Abend denn kein Holz mehr aufgelegt?
Oder war er gar nicht Heim gekommen?
Sie kam nicht dazu darüber nachzudenken, da holte sie ein bekannter Geruch aus den jungen Gedanken. So flüchtig wie ein Hauch, kaum da war die Erinnerung mit ihm verschwunden.
Ohne groß darüber nachzudenken ging sie die Treppe hoch. Doch statt ihn vielleicht doch auf dem Sofa zu finden, war auch da niemand. Sessel und Schreibtisch waren verweist. Nur der Geruch wurde stärker, aber es roch irgendwie falsch. Etwas stimmte nicht. Oben im Schlafzimmer angekommen, wusste sie auch was.
Sein Bett war völlig zerwühlt, es war nicht seine Art. Nicht einmal wenn er alleine im Haus wohnte, war es seine Art das es unordentlich war. Aber das allein war es nicht. Halb von der herunterhängenden Bettdecke verdeckt, lag daneben auf dem Boden eine leere Flasche Gin. Auf dem kleinen Schränkchen neben dem Kopfende stand eine Schüssel mit einem Lappen. Das darin nicht nur Wasser war, verriet nicht nur der Gin Geruch, sondern auch die rote Färbung. Riotea kannte ihren Bruder. Wusste das er sich nie Grundlos verletzen würde, aber dass es immer die gleiche Weise war.
Blanke Fäuste gegen steinerne Mauern.
Er würde es nicht zugeben, die Handschuhe umso mehr tragen und alles tun um die Schmerzen zu verbergen.
Kopfschüttelnd ging sie zur Treppe zurück, beließ alles wie es war. Erst von den Stufen aus, fiel ihr Blick auf den Schreibtisch. Die Blätter lagen wahllos darüber verstreut. Waren mit Blut oder schwarzer Tinte verschmiert. Von der ganz heruntergebrannten Kerze bekleckert, verbrannt oder angesenkt worden. Worte unleserlich überkritzelt und Texte in so kleine Fetzen gerissen, das man die hastig geschriebenen Worte nicht mehr zusammenfügen konnte. Es war seine Schrift, unruhig, hektisch, aber es war von ihm. Er hatte Riotea sooft bei Briefen geholfen, zuletzt an die Seraphen, dass sie keine Zweifel hatte. Nur ein Fetzen blieb von seinem Zorn verschont. Halb von Blut und Tinte verwischt, doch einige Worte haben überlebt.


… und glaube sie könnte heilen, reißt die Wunde mit aller Macht wieder auf...
… zu spielen und denken es könnte helfen... ... das Gefühl zu verbluten.



Es war ihr neu, das Lyude etwas zu Papier brachte, was nichts mit einem Brief zu tun hatte oder einer Einkaufsliste glich. Er hatte ihr früher dabei zugesehen. Nie hinterfragt was sie schrieb. Nur warum. Ihre Antwort war, um den Kopf frei zu bekommen. Gedanken und Gefühle zu Ordnen. Um ihre Träume aus dem Kopf, aber nicht dem Gedächtnis zu locken.
Hatte er es ihr nun gleichgetan?
Das etwas vorgefallen sein musste, wusste sie spätestens nachdem sie das Blut gesehen hatte. Lyude hatte sich verletzt um den eigentlichen Schmerz zu übertönen. Einen anderen zu fühlen als den, den er fühlte. Zwar hatte er es ihr nie so gesagt, aber sie waren Geschwister. Sie kannte ihn und er kannte sie.
War es Jivanta?
Hatte er Lyude
doch das Herz gebrochen?
Riotea schnürte sich der Hals zu. Das Lyude noch immer unter allem litt war ihr nur all zu bewusst. Doch wie sehr, hatte er sogar vor ihr verbergen können. Alleine diese wenigen Worte waren dazu fähig ihr einen Stich ins Herz zu versetzen. Mit Tränen in den Augen wich sie vom Schreibtisch zurück. Holte die Karten aus dem Versteck und verschwand durch die Eingangstür. Hastig verwischte sie die Spuren im Schnee und hoffte, dass der neue Schnee alles verbergen würde.

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