Schwestern - 2

„Dachte ich mir. Keine Beweise, keine Antworten.“


Villiméy drehte sich um, wollte ihre ältere Schwester einfach stehen lassen. Für sie war dieses Gespräch beendet. Doch die Hand Illgrésis schnellte vor, der Griff fasste schraubstockartig um ihren Oberarm.
„Warte!“
„Boah, was willst du noch, Grési?!“
Die Jüngere wirbelte herum und starrte in aufkeimendem Zorn hinauf zu ihrer Schwester. Diese hob beschwichtigend ihre Hände.
„Ich will Antworten. Du hattest schon als Kind so einen Hass auf ihn. Sprich endlich mit mir, Iméy.“
„Ich hatte meine Gründe. Außerdem glaubst du mir nicht. Hast du damals nicht und wirst du heute nicht. Warum also sollte ich nur einen Gedanken länger an diesen Bastard verschwenden?“


Illgrési schwieg. Resignierend atmete sie aus und strich sich eine Strähne zurück in den perfekt sitzenden Dutt. Mühsam versuchte sie sich an die Tage zu erinnern, in denen die beiden Schwestern scheinbar so unbeschwert mit dem Jungen des Nachbarhofes spielten. Schließlich schüttelte sie den Kopf.


„Wann habe ich dir nicht geglaubt?“ hakte sie nach einer Weile nach.


Die Jüngere schnaubte. Schon wieder schob sie die Arme in eine abweisende Verschränkung. Doch anstatt trotzig das Kinn zu recken, brach sie den Blickkontakt. Viele Augenblicke vergingen, ehe eine Antwort kam.
„Weißt du noch, als Paps gegangen war? Zwei Tage danach bin ich heimgekommen und Ma hat mich geschimpft, weil ich mich in den guten Klamotten geprügelt hatte.“


Die Ältere musste nicht lange überlegen und nickte wissend. An diesen Tag erinnerte sie sich gut. Das Geschrei war groß und laut gewesen. Die Ohrfeige, die die Jüngere sich von der Mutter einfing schmerzte damals auch Illgrési. Sie selbst hatte ihrer Schwester an diesem Abend noch heimlich ein Schmalzbrot ans Lager gebracht. Ohne Essen ins Bett. Eine Strafe für dreiste Lügen und die ramponierte Kleidung.


„Ich wollte mich prügeln. Hab ich auch. Aber nur, um mich zu wehren. Du weißt, dass ich nicht einfach auf Leute losgehe. Er hat mich mit dem Stab vom Hirtenkjalf verdroschen.“


Die Züge der großen Schwester sahen fragend drein. Zuletzt hob sich eine Braue.
„Warum das? Und warum hast du nichts gesagt? Ich hätte dir geholfen!“
„Weil er verdammt nochmal Bock hatte! Außerdem hab ich das, du taube Nuss! Aber Ma hat mich nicht ernst genommen und du ... DU warst ja schon immer die perfekte Tochter! Von da an passierte es andauernd. Aber jetzt ... Jetzt war es das letzte Mal. Er vergeht sich nie wieder an jemandem.“


Wieder kehrte Stille zwischen den Beiden ein. Auf die letzten Worte hin wichen die fragenden Züge von Illgrésis Gesicht, machten einer erschrockenen Fratze platz. Sie starrte ihre Schwester an. Diese starrte zurück.
„Ich lag richtig,“ sprach die Ältere leise. „Du hast es getan.“


Kälte stach im Blick der Jüngeren.


„Und ich würde es wieder tun.“

„The Norn will not change simply because the Dwarves do not understand our ways.
I'd rather be hated for who I am than loved for who I am not.“

Jora

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