✬ Der Anfang ✬

Charaktere: ★ Riotea - ☆ Vanvalla


Wieder das Plateau. Das grüne Gras, welches der Wind wie Wellen zum Tanzen brachte und der blaue Himmel ohne Wolken. Es hatte sich nichts verändert. Dachte Riotea zunächst. Aber der Elementar war verschwunden. Lag noch immer in verstreuten Trümmern im Gras und hatte sich entgegen ihrer Hoffnung, nicht wieder zusammengefügt. Vom Setzling war auch dieses Mal keine Spur. Dieses Mal ließ sie nur den Blick über das bekannte Terrain schweifen, rührte sich nicht von der Stelle. Beobachtete einen Moment lang das Gras und lauschte dem Wind. Doch da war nichts, was die Natur anders machen würde. Kein unwirkliches Geräusch, kein scheinbares Objekt und auch kein falsches Gefühl schien dieser surreale Ort von sich zu geben.
Ein Stückweit von ihr entfernt lag einer der brocken vom Elementar. Mit langsamen Schritten ging sie darauf zu und merkte es schon beim ersten Setzen ihrer Füße. Das warme Gras. Es fehlte. Beim Blick nach unten fiel es dann auf. Ihre Schuhe waren da und sie waren wie die restliche Kleidung wieder Schwarz und Silber.
Aber ihre Schritte hielten nicht an. Sie ignorierte dieses Mal die farbliche Täuschung. Am Felsbrocken angekommen, legte Riotea die flache Hand auf den bemoosten Stein. Doch nichts geschah. Kein vibrieren der Erde, kein flimmern der Luft und auch keine raue Stimme wie Fels auf Stein. Er fügte sich nicht wieder zusammen.
“Er kommt nicht zurück. Seine Zeit ist um.”
Ohne sich umzudrehen, wusste sie wer mit ihr sprach. Dennoch ließ sie den Blick schweifen als sie sich umdrehte und die Hand vom Stein löste. Vanvalla stand in der Mitte der Rune und sah sie an. Wieder hatte sie das Weiß an ihrem Körper, das Riotea an sich spürte.
“Warum bin ich wieder hier? Ich meine nicht bei dir, ich meine an diesem, genau diesem Ort.”
Sachte bewegte sich ihre Kleidung im Wind, wie Fahnen aus Seide, die ein edles Wesen schmückten. Es dauert merklich bis Vanvalla sich auch rührte.
“Dieser Ort wurde nur für mich erschaffen. Eine Zuflucht. Niemand außer mir kann diesen Ort betreten, oder ihn auch nur erahnen.”
“Also ist es kein Traum? Sondern kommt von woanders, von den Karten, oder?”
Ihr weißes Ich antwortete nicht, aber das brauchte sie nicht. Riotea wusste es bereits.
“Warum? Was ist das für ein Ort?”
“Er hat ihn erschaffen. Als geistiger Rückzugsort. Um nachzudenken und seine Gedanken von der Außenwelt zu trennen. Jetzt wo er Tod ist, ist es mein Ort.”
Wer gemeint war, wusste sie sofort. Noch etwas verwirrt sah sie sich um. Ja, der Ort strahlte eine gewisse Ruhe aus, brachte die Gedanken zur Ordnung und ließ das Herz ruhen. Auch wenn der Weg hier hoch kein einfacher war. Der Ort war eine Zuflucht, ein Geheimversteck für Gedanken. Und dennoch eine Art Gefängnis für Vanvalla.
“Er wurde also von Träger zu Träger weitergegeben. Warum bin ich hier? Ich meine... ich habe ihn nie selber betreten. Immer hat mich jemand hergeholt.”
“Ja, ich. Weil es tatsächlich einen anderen Weg gibt, die Karten zu zerstören, als das Ritual. Einen Weg den im Moment nur ich gehen kann. Also stellte sich mir die Frage, ob ich ihn wirklich hören will.”
Für einen Augenblick stand Riotea nur da und ließ den Wind mit ihrer falschen Kleidung spielen. Schwieg und dachte darüber nach, ließ die Art und Weise wie Vanvalla die Worte sprach noch einmal durch ihren Kopf hallen. Erst dann setze sie einen Fuß vor den anderen, wich der Rune aus und ging auf Vanvalla zu. Nur zwei Schritte von ihr entfernt blieb sie stehen.
“Also wird am Ende das Deck zerstört. Genau das wollte ich nie.”
Es vergingen einige Atemzüge, in denen der Wind mit losen Grashalmen spielte. Vanvalla hob die linke Hand und ließ darin die Karten erscheinen.
“Nicht so, wie beim Ritual.”
Sie fragte nicht sofort, aber die Neugierde siegte.
“Also gut. Welchen Weg?”
Mit einer langsamen Bewegung fächerte Vanvalla die Karten auf und legte sie vor sich auf einen unsichtbaren Tisch. Strich sie auseinander und Reihte sie so nebeneinander verdeckt auf.
“Jede dieser Karten, würde mich prüfen. Jede auf ihre eigene Art und Weise. Bestehe ich die Prüfungen, wird der Pakt verändert. Sie löschen sich nicht gleich. Sondern erst wenn ich sterbe.”
“Soll das heißen... die Seelen werden erst freigelassen, wenn ich alleine den Platz in den Karten einnehme?”
Es war noch verwirrend, aber Riotea wollte es genauer wissen. Die Chance kennen, die sie möglicherweise ausschlagen wollte.
“Nein, ich werde nicht in eine der Karten gebannt. Die Seelen werden mit mir in die Nebel gehen. Alle. Die Magie der Karten erlischt. Der Zauber wird gebrochen sein. Unwiderruflich.”
Die Worte sollten einen Moment auf sie wirken, sollten ihren Verstand erreichen und klären was es bedeuten würde. Sich ein Bild davon machen, wie es dann aussehen würde.
“Aber das Ritual, was passiert, wenn es doch durchgeführt wird? Sterbe ich dann dennoch?”
Die in Weiß gehüllte schüttelt den Kopf und ließ die Karten sich selber mischen. Noch immer verdeckt, wechselten sie ihre Position, ohne berührt zu werden.
“Nicht, wenn ich die erste Prüfung bereits begonnen habe. Das Ritual würde scheitern. Keine Seele wird befreit und ich werde am Ende nicht sterben.”
“ Verstehe. Die Prüfungen... Hat sie schonmal jemand versucht und ist gescheitert? Bestanden kann sie ja keiner haben.”
Keine Reaktion. Nur ein unendlich langsamer Augenaufschlag in endlosem Schweigen. Doch das sollte Antwort genug sein. Der Blick wanderte mit wachem Geist über das Plateau und musterte die Rune.
"Dann komme ich aber beim nächsten Mal selbständig her.”
Nur ein einfaches Nicken. Kein Laut, keine weitere Bewegung von ihr.
“Will ich die Prüfungen denn?”
Einen Moment lang passierte nichts. Die Frage hing wie träge Spinnenweben in ihren Gedanken. Nur die Karten stellten sich auf und hielten ihr das Deckblatt vor. Schwebend und doch unbewegt blieben sie in der Luft hängen. Keine drehte sich um, keine Sprach oder deutete auch nur an wer welche war.
“Bedenke, jede dieser Prüfungen hat Auswirkungen auf mich. Was hier passiert, wird mich beeinflussen und außerhalb verändern. Niemand kann hier herein und etwas ändern, niemand kann von außen sagen was zu tun ist. Die Prüfungen sind ganz alleine für mich.”
Atemzug um Atemzug stand Riotea da und dachte über die Worte nach. Vor allem Thimorn würde es auffallen. Er kannte sie und sie kannte ihn. Selbst wenn er seine Angst nicht zeigen würde, würde sie ihn von innen heraus zerfressen.
“Ich mache die Prüfungen.”
Kaum ausgesprochen, hoben sich die Karten und taumelten in einem unsichtbaren Wirbel gen blauen Himmel. Ihre Gesichter unerkennbar verdeckt und ihre unausgesprochenen Worte verschluckt.
“So soll es mir geschehen.”
Den Blick noch in den Himmel gerichtet, trat Vanvalla auf Riotea zu. Verringerte haltlos den Abstand. Riotea wollte gerade die Arme heben und den Zusammenstoß aufhalten, da spürt sie, wie Vanvalla durch sie hindurch zu gehen schien. Es war kein Gefühl, als würde Körper mit Körper zusammenstoßen und verschmelzen. Nicht wie ein Windzug, der vom Scheitel bis zur Sohle jeden Winkel des Körpers umspielt. Es war als würde etwas durch sie hindurch gehen, etwas mit sich hinausziehen und etwas anderes zurücklassen. Als würde sie erst unendlich schwer werden und dann federleicht.
Als sie an sich heruntersah, zogen sich schwarze Fäden von ihrer Kleidung zurück. Als hätte man sie mit etwas feindlichem übergossen, um das Schwarz zu verscheuchen, um das Silber zu überdecken. So wurde sie wieder in ihre alte Gestalt zurückverwandelt. Doch bevor sie es richtig begreifen konnte, zersprang das Plateau um sie herum...


Mit einem Ruck öffnete sie die Augen. Sie lag zusammengerollt auf dem Sofa und war scheinbar eingenickt. Ihre zu großen Stiefel am Ende des Sofas, ihre Tiger-Plüsch-Mütze lag auf dem Tisch.
14 Prüfungen...
Diese Eine Aussage hallte ihr durch den Kopf. Es gab kein Zurück. Sie wollte nicht Jahrhunderte warten bis sie Thimorn in den Nebeln wieder begegnen konnte.

Kommentare 3

  • NICE!!

    • Ich mag den Plot! Das ist eine spannende Geschichte und toll erzählt. Ich mag auch wie Vanvalla einfach mal gar nichts sagt wenn die Antwort unangenehm wäre. XD <3

    • Danke!<3
      Das ist der Vorteil wenn man mit sich selber redet. Man weiß, was man nicht hören will ^^