✬ Die zweite Prüfung ✬

Charaktere: ✬ Riotea ✬ - ▲ Bashkul ▲ - « Folasade »


Es war eigentlich zu viel Zeit vergangen, hatte sich fast schon davor gedrückt erneut zum Plateau zu reisen. Aber Riotea hatte es sich vorgenommen. Sie hatte die Karten kaum in der Hand, die Augen nur einmal zum Blinzeln geschlossen, da stand sie wieder in schwarz gekleidet auf dem Berg. Die aufgebrochene Rune war immer noch dem Baum gewichen. Sein Blätterdach verdeckte Himmel und Sonne, dennoch war es hell und angenehm mild. Der leichte Wind ließ die Baumkrone schwanken, das Licht in Strahlen zu ihr runter scheinen. Es hätte eine Weile gedauert, ihn zu umrunden, das Plateau neu zu erkunden. Aber das brauchte sie auch nicht.
Bashkul Stahlrücken stand bereits an einer der Wurzelübergänge am Stamm und winkte ihr zu. Der fast doppelt so große Charr war mit seinem grauen Pelz, den roten Flecken und den Stahlspitzen in der Mähe unverkennbar und wartete geduldig. Seine raue Stimme kratzte aus seiner Kehle.
“Gut zu wissen, dass du wieder da bist.”
Er stand aufrecht, hatte nun die Arme verschränkt und senkt den Kopf zu ihr runter, als sie bei ihm ankam.
“Ich habe mir Zeit gelassen, aber das heißt nicht, dass ich nicht weitermachen will.”
“Keiner von uns dachte das. Jeder hat seine eigene Zeit. Damit auch du. Niemand von uns will, dass du unvorbereitet oder gar gezwungen hierherkommst.”
Überrascht von seinen Worten sah sie zu ihm rauf. Er war in der ganzen Zeit, die sie ihn kannte immer eine Art Kriegstreiber gewesen. Wild und kämpferisch, schnell aufbrausend und meistens derjenige, der sie oft antrieb die Waffen zu erheben. Doch das hatte Riotea auch oft genug für sich genutzt. Die Eigenschaft des großspurigen Soldaten genutzt um über kleinere Grenzen hinaus zu wachsen.
“Wusste gar nicht, dass du so denkst.”
Mit einem ernsten Kopfschütteln sah er den Baum hinauf.
“Weißt du... Meine Hitzköpfige Art hat mich das Leben gekostet. Unnötig. Hier bin ich der einzige Charr und hatte genug Zeit darüber nachzudenken.”
Ein schulterzucken mit schief gelegtem Kopf folgte.
“Vielleicht war es auch der Einfluss der anderen und vor allem von Telpe.”
Sie nickt nur und sah am Baum hoch. Bashkul löste die Arme und klopfte mit seiner großen Pranke fast liebevoll auf die Rinde des Stammes.
“Meine Prüfung hat mit dem Baum zu tun, oder? Sonst wäre er schon weg. Habe ich Recht?”
Zahnig grinsend sah er zu ihr runter.
“Richtig. Um genau zu sein, da drin. Ich wollte dich erst raufklettern lassen, aber ohne Krallen wäre das nicht fair.”
Riotea spürte nur noch, wie Bashkul mit seiner rechten Pranke nach ihrem Arm griff, sie ran zog und mit der linken die Klaue des Zeigefingers an die Rinde setzte und hineinschnitt. Erst von oben nach unten, dann von links nach rechts. Aus Rinde wurde Holz, Holz wurden zu Brettern und am Ende Bretter zu einer Tür. Ein schneller Ruck und die Tür sprang auf, ein Stoß zwischen die Schulterblätter und Riotea stolperte hindurch in die Dunkelheit.
Das Geräusch der zugeworfenen Tür hallte durch die Finsternis. Sie war auf den Knien in feinem Sand gelandet und stützt sich mit den Händen ab. Mit gehobenem Kopf sah sie sich um. Aber die Finsternis blieb. Stille, wie ein Schalldichter Raum. Sie konnte nicht einmal ihren eigenen Atem hören. Dabei musste er durch die trockene Luft zu hören sein.
Ein Donnerschlag, wie ein noch entferntes Gewitter, alleine und irgendwie falsch. Doch ein Geräusch von Oben, von der nicht zu sehenden Decke. Wieder Donner, nur einzelner Schlag. Nein, kein Donner. Eine Trommel. Eine gigantische Trommel, dessen Schläge den Boden erzittern ließen. Ein dritter Schlag, ein vierter.
“Die Charr der Legionen haben die Wahl, welcher Legion sie zugehören wollen. Zu meiner Zeit waren das Eisen, Blut und Asche.”
Hallende Worte mit grausamer Stimme, welche das Nichts der Dunkelheit füllten. Riotea konnte den Wind spüren, der wie ein Atemstoß durch den Raum ging und mit den Worten Kohlepfannen weit über ihr entzündete. Die giftig grünen Flammen erhellten den ausgehölten Baum und schienen sein staubiges inneres auszukühlen. An den runden Wänden waren Drei große Tore, die mit Gittern versperrt waren. Massives Eisen das fast schon detailverliebt miteinander verflochten war.
“Ihr Menschen habt das nicht in dieser Form. Aber so wie wir uns entscheiden und damit unseren Lebensweg gehen, so hat jede Entscheidung auch ihre Konsequenzen. Ein Zurück gibt es dann nicht mehr.”
Vor jedem der Tore tauchten Fußspuren auf. Als wäre gerade erst jemand oder etwas dort hindurch gegangen.
Rechts wie die eines Moa, kurze Schritte, als wäre er einfach gemütlich zum Tor spaziert.
In der Mitte waren keine Spuren, nur fein gerieselter Sand lag da.
Links waren es Fußabdrücke. Nackte Füße, größer als ihre.
Irgendwas sagte ihr, dass sie sich für das linke Tor entscheiden sollte. Ein Gefühl, wie von einem Magneten angezogen, Unsichtbar und doch so deutlich. Sie folgte den Spuren zum verschlossenen Tor und sah durch die Gitter. Geschockt riss sie die Augen und griff nach den verflochtenen Streben.
“Bleib hier! Warte! Geh nicht weg!”
Riotea rüttelte verzweifelt am Tor. Erst Bashkuls Brüllen öffnete das Tor, ließ es zitternd und ratternd nach Oben gleiten. Ohne zu zögern duckte sich Riotea darunter hindurch, bevor es auch nur zu Hälfte offen war und rannte in die Dunkelheit.
Fast unter der Decke, oberhalb der giftig grünen Kohlepfannen, öffnete sich das Holz, entstand ein Vorsprung wie ein Balkon. Bashkul folgte Folasade und sah kritisch Riotea nach.
“Ist es nicht etwas zu viel für sie gerade?”
Folasades Seidenweiche Stimme war das absolute Gegenteil zu Bashkuls knurren.
“Nein. Das ist genau das, was sie jetzt braucht. Eisen muss geschmolzen werden, wenn man eine Klinge schmieden will. Ich breche nur das gute Eisen aus dem Felsen.”
Folasade schwieg und sah runter.
Riotea hörte wie das Tor hinter ihr wieder auf den Boden aufschlug, drehte sich aber nicht um. Rannte weiter und auf das Licht zu, in dem er gerade verschwunden war. Stand dann aber nur wieder im inneren des Baumes. Alles war wie zuvor. Das grüne Licht der Kohlepannen, der sandige Boden und die Kälte. Nur wahr jetzt ein Tor verschwunden und die Spuren anders.
Links waren keine Spuren, dafür rechts die Fußabdrücke. Schnellen Schrittes folgte sie den Abdrücken zum rechten Tor, es versank im Boden als sie näherkam und Riotea sprang einfach darüber hinweg. Wieder schloss es sich hinter ihr und sie stolperte durch die Dunkelheit ins Licht. Wieder stand sie im Baum und wieder war ein Tor verschwunden. Aber die Abdrücke waren keine Füße mehr, sondern von einem Charr.
Panisch sah sie sich um, aber außer ihren eigenen Spuren war da nichts. Ihre Fußabdrücke begannen da wo sie gerade stand. Das Tor aus dem sie kam, war verschwunden, nur das Holz des Baumes war noch da. Wütend stürmte sie auf das Tor zu, es zersplitterte als sie Näher kam. Auf der anderen Seite, rannte sie Bashkul direkt in die Arme und kippte stark abgeprallt nach hinten.
“Jede Entscheidung bringt dich weiter, aber keine zurück. Warum rennst du den Weg eines anderen nach, statt deinen eigenen?”
Bashkul stand wieder mit verschränkten Armen da und sah streng zu ihr runter. Aber sie konnte ihm nicht antworten, sie wusste es nicht. Er löste die Arme und reichte ihr die Pranke zum aufhelfen, aber statt aufzustehen, zog Riotea die Beine an und vergrub das Gesicht schluchzend in den Armen.
Folasades Schritte waren so weich, dass man sie nicht kommen hörte, dabei waren ihre Abdrücke genauso gut zu sehen wie Bashkuls. Die Bodenständige Art in ihrer Stimme, die leicht gezogenen Worte und ihre fast kristallklare Aussprache. Sie war besorgt um Riotea.
“Wir wandeln auf Pfaden die schon unzählige vor uns gingen. Manche Spuren sieht man noch, andere sind in Vergessenheit geraten. Aber niemals sind sie gleich. Jeder geht sie anders, jeder mustert sie aus einem anderen Blickwinkel.”
Gerade wollte Brashkul dazu ansetzen etwas zu sagen, da legte die Sylvari ihre Hand auf seine massige Schulter und sah ihn an, schüttelte den Kopf. Wollte selber etwas sagen, da hörte man es deutlich. Ein leises Rascheln, wie fallendes, trockenes Laub. Das gerade noch so helle frische Holz des ausgehöhlten Baumes ergraute, wurde trocken und faserig. Knarren und Knacken, wie von morschen Ästen hallte von weit oberhalb ihrer Köpfe.
“Das... Ach, ein paar Trümmer und ein bisschen Chaos machen nichts. Oder?”
Folasade beachtete den Charr nicht, kniete sich zu Riotea runter und legte ihre leuchtenden Hände auf ihre Arme.
“Tief in dir drin, weiß du bereits, dass du ihm nicht mehr folgen kannst. Es ist Zeit deinen Weg zu gehen.”
Staub rieselte, Holzsplitter fielen zu Boden und draußen konnte man hören wie die massiven Äste zu Boden fielen und im trockenen Laub zersplitterten. Rinde brach, ließ den Stamm einreißen, die Erde brach erneut auf und legte schwarze faulige Wurzeln frei. Mit besorgter Mine stand Folasade auf und nickt Bashkul zu. So lautlos wie sie kam, so lautlos verschwand sie und ließ Riotea mit dem Charr zurück. Der Typische leichte Wind des Plateaus wirbelte Sand, Holzspäne und Staub auf. Das welke Blätterdach ließ die milde Sonne immer mehr hereinscheinen. Als Riotea den Kopf hob, war der Baum kaum mehr zu erkennen, schien schon seit Jahrhunderten zu zerfallen.
“W-was ist passiert?”
Panisch sah sie zu Bashkul hoch.
“Tja... Das Plateau gehorcht dir. Fühlt mit dir, so wie es einst dem Erschaffer gedient hat. Für ihn war es aber ein Ort der Ruhe und Meditation, auf dich reagiert es viel empfindlicher. Es reagiert auf alles was mit dir passiert. Für dich bricht gerade eine Welt zusammen, also brach das Plateau zusammen.”
Riotea stand auf und sah sich um. Auf den Überresten des Baumes bildete sich langsam Moos.
“Es lief nicht ganz nach Plan, aber ich denke du hast verstanden worum es ging. Der Erschaffer des Weges ist nicht mehr da. Jetzt ist es an dir.”
Er tippte ihr mit einer Kralle genau auf ihr Herz, sie spürte quasi wie das Schwarz der Kleidung einem hellen Weiß wich. Noch bevor sie begriff was er damit meinte, öffnete sie die Augen und war wieder auf dem Hof.