✬ Donetta ✬

Charakter: ✬ Riotea ✬


Es war nicht so, dass sie Thimorn nicht dabeihaben wollte. Sondern dass sie nur zum Plateau zurückwollte. Keine Prüfung, nur Neugierde und Nachdenken. Zurück und sich ansehen wie alles nach dem Zusammenbruch des Baums dort aussah. Es dauerte auch nur einen Augenaufschlag und ihre schwarzen Stiefel wurden vom satten Grün der Wiese umspielt. Vom Laub des Baumes war schon längst nichts mehr zu sehen. Die letzten zerborstenen Wände waren mit Moss überzogen, dass sich wie eine Decke darübergelegt hatte. Erst jetzt konnte sie sehen, dass die Rune wieder intakt war. Aber es blieb keine Zeit darüber nachzudenken.

“Herrlich dieses Chaos von Zerstörung und Wandel. Immer wieder erfrischend zu sehen wie es sich hier verändert.”

Ihr glockenhelles Lachen jagte Riotea einen Schauer über den Rücken. An jedem anderen Ort wäre sie Donetta aus dem Weg gegangen. Aber hier war das etwas anderes. Selbst als Seele hatte die Frau nichts von ihrer Kaltherzigen Giftzunge verloren. Auch ihr Lächeln konnte nicht verbergen, dass sie das Leid anderer wie Lebensenergie in sich aufsog, als wäre es eine Droge.

“Aber ja, die Rune ist immer noch da. Der Schein trügt, sie ist Intakt und du vermeidest immer noch jeden kleinen Tritt darauf. Es ist nur eine Steingravur.”

Die Art wie sie die Worte betonte, abfällig und so leichtlebig, gleichzeitig Leblos so dass es Riotea eine bleibende Gänsehaut verpasste. Es kostete sie Überwindung sich umzudrehen. Donetta saß etwas abseits auf einem Felsen, den Riotea als den Brustkorb des Elementar wiedererkannte. Das linke Bein angezogen und mit verflochtenem Fingern um ihr Knie gehalten. Das übertriebene Lächeln hatte was von einem Raubtier, das nur auf eine naive Reaktion der Beute wartete. Sich aus Dummheit selbst opferte.

“Die Rune ist der Zauber oder? Die Magie welche euch hier festhält, habe ich recht?”

Sie nickte, aber das Nicken war ehrlicher als jedes Wort das sie hätte sagen können.

“Unzerstörbar wie die Zeit, mächtiger als die Altdrachen und doch kann eine einzelne Seele sie ungeschehen machen.”

Für einen Moment hallten die Worte in ihren Kopf wider, versuchten sich in einfache Worte und Bilder umzuwandeln.

“Das Plateau gehorcht noch immer meinem Willen, oder?”

Wieder nickte Donetta, aber es war ein anderes, viel unterschwelliger.

“Sicher, solange bis der Zauber gebrochen wurde. Erst dann führt uns der Weg in die Nebel.”

Riotea drehte sich zum Mittelpunkt der Rune. Der einfachen kleinen Kule im Stein. Schloss die Augen und atmete tief durch. Sie musste gegen Donettas eisige Aura ankämpfen, um sich auf den Elementar zu konzentrieren. Dann aber konnte man es hören. Das rieseln von Sand und Staub, das dumpfe Geräusch, wenn Stein auf Stein trifft. Spürte wie die Erde bebte und in Bewegung geriet. Ein erschrockener Laut verriet ihr auch, wie Donetta vom Körper des Wesens fiel. Kiesel klackerten über massives Gestein, das schleifen von Felsen auf Felsen hallte über die Ebene.

“Du hättest mich vorwarnen können!”

Ungeachtet von Donettas Worten, stampfte sie voller Kraft auf den Boden auf. Spürte den Schmerz, wie er ihr rechtes Bein hochkroch und sich an der Hüfte verlor. Aber auch wie eine Druckwelle über die Ebene hinwegrollte. Sie spürte das Plateau. Langsam öffnete sie die Augen und sah das wuchtige, grobe Wesen vor sich an. Genauso wie es in ihrer Erinnerung war und für sein Dasein typisch, regungslos und ohne Leben.

“Wach auf!"

Nichts. Keine Regung, nicht einmal ein Kiesel bewegte sich.

“Ach herrje, das ist ja nicht mit anzusehen. Kleines, ist dir mal in den Sinn gekommen, dass dieses Ding da vor dir ein Elementar ist? Du bist Nekromantin. Finde den Fehler.”

Zwar reizte Donetta Riotea mit ihren Worten, aber noch deutlicher konnte man sie nicht auf das Problem aufmerksam machen. Unschlüssig starrte Riotea in die leeren Augenhöhlen. Kein Funke, kein Leben, nichts was darauf hinwies, dass er überhaupt mal am Leben war.

“Du hast mit uns insgesamt 14 Seelen und einen Teil ihrer Fähigkeiten in deiner Macht. Deine eigene nicht mit inbegriffen. Wenn du wolltest, könntest du sogar deinem Mann die Seele nehmen, bevor er überhaupt merkt das irgendwas mit ihm geschieht.”

Mit einem Ruck drehte sie sich zu Donetta um. Sie stand einfach da und begutachtete ihre krallenartigen schwarzen Fingernägel.

“Niemals!”

Donetta zog eine Schnute und richtete sich ihre Haare, als wäre das Gesprächsthema das normalste der Welt.

“Sag das nicht. Wer weiß wann er dir langweilig wird, mit seiner Prüden Art.”

Sie wusste ganz genau wie sie Riotea bis auf die Knochen reizen konnte und dass binnen weniger Worte. Ohne groß darüber nachzudenken richtete sie die linke Hand auf Donetta und keine Sekunde später durchzog der gleiche rote Lichtschein die Ebene wie beim Adlerauge. Der Pistolenschuss kam ohne Waffe, aber mit weit mehr Feuerkraft als sie es von ihren Übungen mit gewohnt war. Sie glaubte sogar, dass es mehr Macht war, als sie jemals bei Lyude erlebt hätte.

Aber Donetta ließ das alles völlig kalt. Nicht eine Haarsträhne hatte sich bewegt, obwohl das Knöchellange Gras aufgepeitscht herumwirbelte. Schnalzend wedelte sie mit dem erhobenen rechten Zeigefinger herum.

“Na na na. Wer wird denn gleich? Aber schön zu sehen das du es begriffen hast. Hat ja lange genug gedauert.”

“Du glaubst gar nicht wie gerne ich dir gerade den Hals umdrehen würde!”

Kurz stutzte Donetta und brach dann in schallendes Gelächter aus, was aber mehr wie kratzende Fingernägel auf einer Tafel wirkte. Mit den Händen an die Hüfte gestemmt stand sie vor Riotea.

“Es wäre mal wieder eine Abwechslung zum sonst sehr eintönigen Alltag. Aber unnötig.”

Immer noch voller Wut, verkrampfte sie die Linke zur Klaue und riss sie einfach von links oben nach rechts unten. Zerschnitt die Luft zwischen ihnen, obwohl sie einige Meter von Riotea entfernt stand. Die schwarze Klauenhand erreichte Donetta zwar, aber hatte immer noch keinen Effekt. Grub sich nur tief ins Gras.

“Na du bist doch nicht etwa sauer, weil ich Thimorn Prüde genannt habe, oder?”

Diese übertrieben zuckersüße Art, die offensichtlich aufgesetzte Unschuld. Wäre Riotea nicht schon rasend vor Wut gewesen, spätestens jetzt hätte sie Donetta umgebracht.

Von blanker Wut getrieben schlug sie beide Hände auf den Boden und fixierte Donetta mit ihrem Blick. So wie es Riotea wollte, erschien die einzige Rune die sie kannte unter ihren Händen und begann in einem unnatürlichen schwarz zu leuchten. Doch bevor irgendetwas passieren konnte, spürte sie einen so heftigen Sog in der Magengegend, dass sie Angst hatte Blut spucken zu müssen.

“Es reicht!”

Das grollen der rauen Stimme lief ihr durchs Mark. Es war nicht einmal die Lautstärke, das rollende R als Akzent oder die Worte. Es war die Aura, welche Riotea quasi zu Boden drückte.

“Verschwinde.”

Die herrische Geste galt Donetta, die entgegen ihrer sonstigen Art recht schnell den Worten Taten folgen ließ und schweigend verschwand. Der gerade Rücken und die strenge Haltung waren nicht die einzigen Merkmale. Telpe war der älteste von ihnen und jener, vor dessen Autorität Riotea am meisten Respekt und Angst zugleich hatte. Mit jedem Schritt den er näher kam, wandelte sich das schwarz der Kleidung in ein tiefes rot wie Blut.

“Geh. Zügle deinen Zorn und komme erst wieder, wenn er gewichen ist.”

Noch bevor Riotea irgendetwas sagen oder tun konnte, stand sie bereits wieder in ihrem Zimmer.

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