Raissa

„OMA! Ooma. Oooooma!“ Raissa zündete noch in aller Ruhe eine Kerze an und wandte sich dann lächelnd zur Stimme des Kleinkindes. „Pscht! Ich hab dir gesagt, dass du leise sein sollst!“ zischte die Mutter das Kind an. „Das hier ist noch immer ein Friedhof! Habe ein klein wenig Respekt!“ Das Blaugrün fixierte sie kurz völlig verständnislos, ließ sich aber von der schlechten Stimmung nicht anstecken. Allerdings ließ ihre kleine Hand, die Hand ihrer Mutter, los. „Omaaa Kerfze! - Maya auch?“ sprudelte es neugierig aus der Zweijährigen. „Nein! Denk ni…“ setzte Ivana genervt an. „Natürlich. Komm her, dann darfst du auch eine Kerze anzünden, Herzchen.“ Die Großmutter strafte ihre Tochter mit einem vielsagendem Blick und breitete die Arme aus, um ihre hüpfende Enkelin zu empfangen.


„Schau mal. All diese Kerzen brennen hier, um der Toten zu gedenken.“ Maya hielt sich am Hals ihrer Großmutter fest und lehnte den Kopf gegen die Schulter der weißhaarigen Frau. Der weiße, aufwendig geflochtene Zopf kitzelte das kleine Kind am Unterarm, doch das hielt Maya nicht vom Zuhören ab. „Manche Menschen sagen, dass es den Verstorbenen den Weg ihrer letzten Reise erleuchten soll. Andere meinen, dass das helle Licht den Hinterbliebenen aus ihrer dunklen Trauer helfen soll.“ Sie hielt dem kleinen Kind ein langes Zündholz entgegen und trat mit ihr näher an die aufgereihten Kerzen. „Kerfze schön.“ Die Feststellung hauchte Maya andächtig an die Schulter ihrer Großmutter und schüttelte den Kopf – sie traute sich nicht eine Kerze anzuzünden.