Akte 463 - Kapitel: Postum

Aktenzeichen: 463.9.1

Betreff: Letzte Predigt des Ignatius Horratio Simsir

Verfasst:

- Ursprünglich: 80. Koloss, 1330 n.E.

- Kopiert: 55. Phönix, 1333 n.E.


Addendum des Skriptor: In der Hoffnung, diese Kopie möge das Zentralarchiv in Götterfels erreichen. Die Rede des Priesters Ignatius Simsir in sichtbar angeschlagenem Zustand ergriff ihrerzeit jeden anwesenden Streiter. Ich habe tapfere Männer mit Gänsehaut und meine Kameraden in Tränen gesehen. Der schicksalsträchtige Tag vor seinem Tode war ein Manifest seiner allgegenwärtig geistigen Klarheit und Weitsicht.


Während des Feldzugs erweckte er auf uns junge Novizen und Akolythen ständig den Eindruck, mehr zu wissen, als er uns teilhaben ließ. Eine höhere Wahrheit und eine Erkenntnis, die ihn unangetastet durch Heerscharen von Feinde stoßen ließ.


Diese letzte und hier für die Nachwelt kopierte Rede sollte unser Gefühl bestätigen. Ruhe in Frieden, Mentor, Kamerad, Freund, Ehemann und Vater. Mögest du in seine Reihen der Ewigen aufsteigen.


- Novize Z.v.A., Amnoon, 1334 n.E.


~*~


"Kameraden, Soldaten, Brüder.


Zunächst beglückwünsche ich den erfolgreichen Vorstoß unter Priesterin Shayan im Süden. Die Siedlung wird uns ein wichtiger Stützpunkt für weitere Offensiven sein. Im selben Atemzug muss ich zugeben, wie sehr ich es bereue nicht selbst den Widerstand derer gebrochen zu haben, die trotz ausführlichen Aufrufs der Gefügigkeit zu den Waffen griffen.


Es kann nicht oft genug betont werden, welcher Tragik sich unser Volk aussetzt. Ihr habt sie gesehen, die vielen Leichen im Dorf. Familien, Kinder, Frauen. Ich verabscheue diesen Anblick und die Gedanken, göttergeschaffenes auseinander reißen zu müssen abgrundtief. -Jedem-, absolut jedem ist verboten diese Tat zu verherrlichen. Es ist kein Heldentum und kein Mut, blutige Verbrechen an unseren Volksbrüdern und -Schwestern zu begehen. Darauf komme ich gleich zurück.


Vereinzelter Zweifel und Gerede über Insubordination und Rechtmäßigkeit haben sich in Verbindung mit den jüngsten Taten meinen Ohren aufgezwungen. Die, die nicht die nötige Stärke aufbringen zu verstehen, werden dem großen Feldherrn anderweitig dienen. Aber um das Grausame so unnötig wie möglich zu machen will ich alle, die jetzt und hier versammelt sind daran erinnern:


Ihr seid auserwählte Zeloten eures Gottes! Balthasar der Feurige, Vatermörder und Kampfhund hat die Bedrohung erkannt, der wir die Stirn als Volk der Menschen zu bieten haben! Eine unserer größten Stärken ist, die Schwächen unserer Sippe zu kennen und lasst mich euch sagen: Wir sind oft wegen unserer Ignoranz und unseres Zögerns schwach, wegen unserer Moral und dem uns eingepflanzten Mitgefühl. 'Menschlich' zu sein bedeutet, eine Entschuldigung für die eigene Unzulänglichkeit zu finden. Wir, in dieser historischen Zeit, ändern das! Wir erheben uns über die Vorwürfe unserer alten Freunde und Familien im bewehrten Heim, denn sie haben nicht gesehen, was wir sahen! Sie genießen den Schutz, mit Blut durch nun gefallene und verkrüppelte Streiter in roten Rüstungen errungen!


Welche Ausreden finden sie, die urtümliche Bedrohung ungesühnt über die ihnen fremden Menschen ziehen zu lassen? Wie können sie mit ihrem Gewissen vereinbaren, die Zukunft der Menschheit im Stich gelassen zu haben? Wie viele Tränen kann eine Frau vergießen, wenn sie ihren Mann zerbissen durch Granit und aufgespießt auf Kristall sieht?


Sie sind die Ignoranten! Die sich, selbst wenn sie das verdorbene Augenweiß der Drachenbrut sehen ihrer Pflicht entziehen! Mögen unsere Methoden auf sie auch grausam wirken, sie sind das notwendige Mittel um eine unserem Feind ebenbürtige Streitmacht aufzustellen! Wir sind die Hirten mit brennenden Stäben und unsere uneinsichtigen Geschwister die panische Herde, die den Blick nicht über den Zaun erheben kann!


Was wir tun ist grausam. In der Heimat werden sie uns zurecht hassen. Doch hier und jetzt sind wir diejenigen, die allen Hass dieser Welt aufbringen müssen. Hasst unseren Feind und hasst die Verständnislosen. Verschließt eure Herzen vor dem Gräuel, das wir anrichten.


Hasst, damit es am Ende keinen Hass mehr geben muss. Kämpft, damit wir irgendwann den Ewigen Krieg in die Nebel tragen können. Verteidigt das hohe Wohl des Volks, damit zu irgendeinem Zeitpunkt der absolute Sieg errungen wird. Erst, wenn der letzte Soldat fällt ist die Menschheit zu ihrer höchsten Form aufgestiegen.


Lasst mich zuletzt sagen: Wenn wir siegreich sind, werden wir Kriegshelden sein; im Falle der Niederlage ist jeder von euch ein Verbrecher. Bringt morgen allen Hass für unseren Feind auf, den ihr in euch tragt.


Sieg oder Niederlage! Ruhm oder Tod! Heil dem Feurigen!"

Kommentare 10

  • Border ich kann es nur immer wieder sagen: du bist ein Poet in allen Disziplinen!

  • Es ist beinahe ein wenig gruselig, wie man sich diese Rede auch im realen Leben an vielen Stellen vorstellen kann. Und dass sie nicht nur im RP Menschen mitreißen würde.

    • Ja, da muss ich dir beipflichten!

    • Definitiv, es ist auch unter anderem beabsichtigt dass man im Hintergrund ein beklemmendes Gefühl bekommen darf. Manchmal gibt es nicht gruseligeres als eine motivierte Masse. x)

    • "Manchmal" ist gut. :)

  • Woha, episch! Ich liebe deinen Art zu schreiben. :3

  • Sehr schön geschrieben und man kann förmlich spüren wie die Stimmung gewesen sein muss während der Predigt.