Spiegelkabinett

Samantha hatte kein Auge zu getan, obwohl sie sich müde und ausgelaugt fühlte. Sie hatte es sich auf den Boden bequem gemacht. Klassisch in einem Kniesitz, wie es Canthaner oft taten wenn sie zu Tisch saßen. Der Kopf war gesenkt und der Blick auf das Fußende des Holzbettes gerichtet. Ihre Hände ruhten auf den Schenkeln. Die Handinnenflächen nach oben gerichtet.


Stunden vorher war dafür gesorgt worden, dass sie glaubte verrückt zu werden. Es bedurfte etwas Einsamkeit und ein Raum - gekleidet aus Spiegel um die Berrine - nun Uenosawa - aus der Fassung zu bringen. Eine schöne Frau, gefangen in diesem Spiegelkabinett war für sie eher einem Gruselkabinett gleich. Gewiss konnte man meinen das sich jemand, der sich selbst liebte - hier wohlfühlte. Doch sie liebte sich nicht. Alles was das Weib für sich hegte war ungesunde Aversion.


Nachdem der Kerl gegangen war, der sie hier einsperrte - ging Sam den Raum ab. Zählte grob die Meter in Gedanken und schien zu schauen ob es wichtige Details gab. Letztendlich um sich mit dem Raum vertraut machen. Er sollte für eine unbestimmte Zeit ihrer sein. Ihr war es ein Gräul, hier zu bleiben. Ihren eigenen, leeren Augen ausgetzt zu sein. Die eigene Beobachterin zu sein.


Perverse würden ihre Reiz in diesem Raum finden. Samantha war aber nicht aus diesem Anlass hier und schon gar nicht aus eigenem Antrieb.


Es verstrichen ein paar Stunden in der sie den Raum erkundete und langsam zu Kräften kam. Zuletzt noch war sie gefesselt an einem Bett gewesen, künstlich in einen Schlaf versetzt und voll mit irgendwelchen Rauschmittelchen der sie sich nicht ganz so sicher war, was da in den Körper gejagt wurde. "Zu ihrer eigenen Sicherheit.", dachte Sam verächtlich zurück und hob den Kopf um nach oben zu sehen. Nachdem sie an der geschlossenen Tür vorbei gegangen war, die auf eine seltsamen Art und Weise nahtlos in das vollumfassende Spiegelkabinett angepasst war.


Ein Blick in die Höhe offenbarte weiteres Kettengeschmeide. Aufgerollt an Seilwinden befanden sich brünierte Ketten in einer verworrenen Anordnung, deren Sinn sich nicht direkt erschließen ließ. Aber sie werden bestimmt auch mit einer Fixierung zu tun haben, wie es die Ketten an den jeweiligen Bettpfosten hatten.


Ihr schwante nichts gutes. In ihrer Magengegend machte sich ein mulmiges Gefühl breit. Das Gesicht spiegelte sich auch an der Decke und so sah sich Sam einen Moment lang in der Spiegelung an. Das Herz polterte schnell und pumpte das gefrorene Blut durch die Gliedmaßen. Rasend und ungehemmt keimte Wut auf. Statt gesunder Angst sowie Verzweiflung, war da nackte Wut.


Alles was erreichbar war, wurde mit Fäusten maltretiert. Das Paravent, dass die Notdurft von dem Raum abtrennte flog ungehindert zu Boden und riss den Eimer mit sich in dem sie ihr Geschäft verrichten sollte. Das hatte zur Folge das die Wut noch angefacht wurde durch das laute poltern des fallenden Eimers - der einen finalen, kräftigen tritt bekam um in einem der Spiegel auf Kniehöhe zu landen. Schnaufend, sowie angespannt walzte das Weib nun zu dem Bett herüber und sprang hinauf um auf die Matratze einzuprügeln. Ein kleiner Anflug von Vernunft schwang mit, damit sie ihre Wut nicht ungehindert freien lauf ließ und womöglich noch mehr beschädigte als nötig. Die Gefahr war groß, dass sie sich selbst Schaden könnte.


Der Raum war gefüllt mit den immerwährenden, dumpfen Schlägen auf die Laken, die auf dem Bett ausgebreitet waren. Schreie der Wut, Schluchzen und ihrem Atem.


Ihre Frage nach dem Warum? brannte und pochte immer wieder rot und heißglühend in ihrem Kopf.

Kommentare 9

  • Was für eine Geschichte. Richtig richtig gut!

  • Wirklich beklemmend. Auf eine gute Weise. Ergibt das Sinn?

    • Wenn es das für dich macht, dann - ja! Ich weiß nur nicht, ob ich in Ihrer Haut stecken möchte. Ich glaube nicht. :)

    • Das auf keinen Fall!

  • Ach Harlem, endlich kann ich bei dir auch mal Herzchen hinterlassen! <3
    Ich kenne Sam zwar nicht, kann aber dank dem wunderbar intensiv und spannend verfassten Text direkt mit ihr fühlen *wirft den leeren Popcorneimer in Richtung Spiegel* Mehr davon!

    • Das freut mich! Also, das Herz und das du mitfühlen kannst. :3

  • Hach, Sam.

    Einer der garstigsten Chars, die ich kenne - und gut gespielt obendrein.


    Tolle Geschichte!