Etwas gegen die Leere

Diese Geschichte ist eine kleine und verspätete Referenz zum mehrtägigen Tonteichplot während des Drachenleereausbruchs!


"Schließlich möchten wir herzlich den solidarischen Streitern und helfenden Händen in bitterster Not danken. Worte können nicht ausschöpfen, wie sehr es uns berührte zu erfahren, welches Ausmaß an freiwilliger Hilfe in diese Gemeinde strömte. Die Unterbürgermeisterin und ich...-"


Einer der Männer dieser Stunde - der älteste. Und diese Stunde fühlte sich mit jedem Wort des sprechenden Ministers immer mehr wie Schlafenszeit an. Die Ruhe nach dem Sturm, in der sich die Abendsonne auf den flachen Wogen der Tonteich-Fälle fernab der großen Wiese, auf der die festliche Meute ihr Überleben zelebrierte, spiegelte. Rehberg hatte seinen Bühnenmoment. Nun bedurfte es Luft für seine Gedanken, derer es im pausenlosen Hatz der Kommandantur nie genug gab.


In seiner Galauniform mit frisch errungenem Orden verließ der Feldwebel in einem günstigen Moment das klatschende Publikum. Er striff über die leeren Dorfstraßen, alles hatte sich auf der Wiese versammelt. Hohe Politiker aus Götterfels würden sprechen. Doch nach der Feierei war ihm nicht mehr, Rehbergs Füße schmerzten vom Stehen in den steifen Stiefeln und sein Rücken hatte in den letzten zehn Jahren an Ausdauer eingebüßt. Es war an der Zeit, sich auf den mit Blumenketten und bunten Wimpeln geschmückten Wall zurückzuziehen.


Ruhe. Im Hintergrund die gemütlich hinseiernde Rede eines Ratsherren, vor ihm das beruhigende Wiegen der Baumwipfel und ihrer dichten Äste. Die Drachenleere hatte hier versucht in die Gemeinde einzufallen, ein Versuch der durch zahlreiches Wirken der Seraphen und zivilier Hilfstruppen aufgehalten wurde. Als das Signalhorn dröhnte, waren sie rasch zur Stelle - Selbstlose, Hilfsbereite, Väter, Mütter, Söhne, Töchter. Einige ohne korrekte Ausbildung, viele im vollen Bewusstsein der Gefahr. Der Einsatz war beispiellose Aufopferung für das Volk, eine Aussprache für das Leben und gegen die chaotische Macht.


Sie verteidigten die Geflüchteten. In ihrem Lager gab es Neid, Missgunst, Diebstahl, die Brut der Verzweiflung. Aber den Schattenseiten überwogen die Kleinigkeiten selbstloser und solidarischer Verbundenheit. Eine Fischersfrau, die für ein jüngst verwaistes Kind sorgte und ihr aus einer Socke ihres letzten Paars eine Puppe nähte. Der Bankier, der pausenlos in der Küche aushalf und stets als einer der letzten aß. Der Jäger, der des Abends oft ein paar Flüchtlinge zusammen scharte, um sie mit guten Gesprächen und einem warmen Lagerfeuer abzulenken. Ein Novize, der vor seinem Zelt kleine Messen hielt und den Gläubigen Halt spendete.


Möglicherweise wurde er alt und weich genug für seinen Ruhestand. Der abgebrühte Unteroffizier in ihm hielt diesen kleinen Gedanken, der ihm nun kam für ausgemachten Aberglaube. Doch was, wenn dieses plötzliche Verschwinden der 'Leere' die Kapitulation des Chaos vor der Strahlkraft des Lebens und seiner schönen Gesten war? Was, wenn es die Geschöpfe Tyrias ehrerweisend leben ließ, weil sie die sich ausbreitende Leere mit einer Fülle an starken Gefühlen und Verbundenheit verdrängten? Ein Zeichen der Götter, war es Dwayna selbst, die das Leben in dunkelster Stunde aufkeimen und überleben ließ?


Vermutlich nichts dergleichen. Sehr wahrscheinlich waren es die Wirren für ihn unverständlicher Magie, eine kurze und intensive Laune der Nebel. Aber was auch immer hinter all dem gesteckt haben mochte, ob er es vor seinem Lebensende noch erfahren durfte oder nicht, es bestätigte in seinem fortgeschrittenen Alter nur einmal mehr, was die Leere in Schach hielt.


Freundschaft, Solidarität, Verbundenheit und Aufopferungsbereitschaft ist etwas gegen die Leere. Solange die vernünftigen Völker Tyrias dazu in der Lage sind das Leben hier willkommen zu heißen, auszuschöpfen und die schönen Seiten untereinander zu teilen, wird die Leere stets durch Leben verdrängt.


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