Der Flug zur Sonne - Eintrag 26-27

[Sonne-Playlist]



Eintrag 26, Tag 26


Die Wachsamen patroullieren nun vor der Speisekammer und dem Maschinenraum.
Taktiker Silear Orondos, der Elonier, schritt mit gezogener Pistole durch die stählerne Halle, seine Blicke schweiften über die kupfern glänzenden Rohre.
Er sah mich an, wie ich auf einer Leitung saß und im schummerigen Licht in meinem Buch schrieb.
„Dich sieht man hier auch öfters letzte Zeit.“
Ich erklärte ihm, dass die momentante Situation nun mal die wichtigste war. Ich hatte eine Pause mit meinen Traumfragen eingelegt. Wenn Nizpi ein wenig Ruhe gefunden hatte, würde ich sie darauf ansprechen.
„Ich habe Euch heute beim Essen gesehen, Vylo. Ihr habt ziemlich reingehauen. Sicher, dass Ihr nicht nachts durch diese Röhren schleicht, hm?“ Er zwinkerte mir zu, eine Geste die mir wohl zeigen sollte, wie wenig er mich ernst nahm.
„Ihr schaut mir beim Essen zu? Und wenn ich mich Mittags sattesse, wieso soll ich dann noch was klauen?“
„Guter Punkt.“ Er zuckte mit den Schultern. „Aber -“
Ein lautes Kratzen in einem der Rohre hinter uns. Die Charr hatten es auch bemerkt und kamen angetigert, ebenso Recke Yrlan, der nette hellblaue Sylvari.
Skruu schob sich an ihnen vorbei, tastete das Rohr ab. Ein Tapsen.
„Da.“, sagte sie schließlich. Sie klopfte auf eine festgeschraubte Lüftung in dem Rohr. „Abmachen.“
Das tat sie selbst.
„Rollo! Sektion 4 und 6, Dampfabtrieb!“
Sie wandte sich an die Wachsamen, die nichts besseres zu tun wussten als auf die Öffnung zu zielen.
„Wir räuchern es aus. Wir erhitzen die Rohrsektionen zu beiden Seiten. Wenn es nicht hitzefest ist, wird es schon flüchten und genau hier auftauchen.“ Skruu schob das Gitter zur Seite und zog ihre Pistole.
Bald hallte ein hohes, respekteinfößendes Kreischen durch das Rohr, gefolgt von einem Klackern. Skruu und die beiden Wachsamen wichen geschlossen einen Schritt zurück.
„Erst schießen, wenn es sich aggressiv zeigt! Es könnte alles mögliche sein!“, befahl Taktiker Orondos.
Hinter uns stand Manooma, angespannt, ihren Zeichenstift bereit. Vielleicht würde das unbekannte Wesen ja in wenigen Sekunden zur Unkenntlichkeit geschossen, also blickte sie konzentriert auf die Öffnung des Rohres.
Es ließ nicht lange auf sich warten. Die Wachsamen hielten ihre Abzugfinger unter Kontrolle, als etwas graues nach draußen huschen wollte, direkt in den blitzschnellen Würgegriff Skruus.


Eintrag 27, Tag 26


„Wir haben hier ein Rattenproblem.“, verkündete Skruu trocken, als sie die zappelnden Skritt in ihren Klauen betrachtete. Die Skritt, es war ein Weibchen, quiekte noch eine Weile, ehe sie Worte fand.
„Ich - ich, nein, ich wurde eingebaut! Absichtlich!“
Skruu sah das Wesen an, während Yrlan losging, um die Magisterin zu holen. „Absichtlich? Du wurdest absichtlich eingebaut?“
Die Skritt patschte sich an die Stirn, schüttelte schnell den Kopf. „Nein...nicht absichtlich.“
„Was war dann absichtlich, Skritt?“
„Nichts.“ Die Skritt schwieg.
„Absichtlich eingebaut, das hast du doch gesagt?“
„Nein. Nur eingebaut.“ Die Skritt zitterte wie ein verängstigtes Mäuschen, aber Skruu gab nicht nach.
„Und was sollte das 'Absichtlich'?“
„Nichts. Was soll es sollen? Es soll nichts sollen!“
Skruu sah zu mir und Taktiker Ordonos herüber.
„Wie redet man mit einem Skritt?“, fragte sie.
Der Taktiker hielt immer noch die Waffe auf die Skritt gerichtet. „Gar nicht.“
Beide zuckten mit den Schultern, dann fragte ich:
„Wer bist du eigentlich?“
Eifrig begann die Skritt zu nicken und versuchte sich noch einmal aus dem Griff zu winden.
„Ah, gut! Bessere Frage. Snikki. Alle mögen Snikki.“
Skruu verzog das Gesicht. „Absichtlich?“
„Nein. Ja, doch.“
Manooma schob sich nach vorne.
„Hoo. Wer ist alle? Mehr Skritt?“
„Alle alle. Ja, mehr Skritt, viel mehr.“
„Auf dem Schiff?“
„Nein. Alle unten. Durften nicht. Außer Snikki.“
Ein erleichteres Seufzen ging durch die Runde.
Skruu nahm Snikki in die andere Hand. „Ach und Snikki durfte? Die Magisterin hat gesagt – 'Snikki, komm' mit zur Sonne'?“ Sie knurrte.
Snikki schabte sich mit dem Zeigefinger am Kinn. „Ja...ja so ähnlich.“
„Kennst du die Magisterin?“, fragte ich.
„Doch.“
„Kennt Sie dich?“
„Nein...ja...bestimmt. Snikki ist beliebt. Sehr. Sie kennt Snikki.“
Ordonos nahm die Pistole herunter. „Skritt. Die Magisterin ist gerade auf dem Weg hier her. Sicher, dass du sie kennst?“
Die Skritt grübelte. Sie hatte sich in der Klaue der Charr so gemütlich es ging zurückgelehnt.
„Mh. Doch nicht soo gut. Asura finden, dass alle Skritt gleich aussehen.“
„Charr auch.“, warf Skruu ein.


Bald hallten viele Schritte durch den Maschinenraum. Nizpi, gefolgt von einigen anderen.
„Wer bist du und was willst du hier, Skritt!“
„Sitzen.“, sagte sie und blickte nun mit traurigen Augen auf den Boden.
Nizpi sah Snikki finster an. Sie hasste es, wenn etwas nicht nach Plan lief. Snikki war kein Teil des Plans, zumindest nicht ihres Plans.
„Skruu, lasst sie runter. Ordonos, wenn sie fliehen will, Beine wegschießen.“
Snikki hob beschwichtigend die Arme und ließ sich auf den Boden absetzen, wo sie gehorsam hocken blieb.
Nizpi baute sich vor ihr auf, verengte die Augen.
„Skritt, du hast eine Mission der Abtei Durmand unterwandert, hast illegal unser Luftschiff betreten und Nahrungsvorräte gestohlen, was die geschätzte Zeit unserer Mission verkürzen wird. Du hast Schaden an der Wissenschaft bewirkt. Erkläre dich.“
Snikki schaute auf, lächelte, beinahe stolz.
„Danke!“ , sagte sie nur.
„Spiel nicht mit mir Skritt!“
„Snikki. Skritt heisst Snikki, alles gut, ja? Tu keinem weh.“ Sie schien ihr Schicksal nun gelassener zu ertragen.
„Schön! Snikki, erkläre dich!“
„Wurde eingebaut. Einfach so.“ Sie rieb sich den Hals.
„Unmöglich.“
„Doch.“
Skruu räusperte sich. „Vorhin sagte sie, 'absichtlich'.“
Vehement schüttelte Snikki den Kopf. „Nein unabsichtlich! Einfach so.“
Nizpi atmete einmal durch, setzte sich auf den Boden.
„Du lügst. Die einzigen Skritt, die beim Bau der Durmand eingesetzt wurden, gehörten zur Bergwerkskru. Die hat sich der Durmand nie genähert.“
Man wollte keine Skritt beim Bau eines so 'glänzigen' Schiffes wie der Durmand dabei haben. Nizpi hatte auch keinen Nutzen darin gesehen, einen Skritt mit zur Sonne zu nehmen. „Als Individuen sind Skritt nutzlos“, wie sie zu sagen pflegte.
„Bin in den Karren gefallen. Ohnmächtig. Und eingebaut.“ Snikki schniefte leise.
Nizpi schüttelte den Kopf.
„Wir haben keine Karren eingesetzt, um Material von der Bergwerkskru zur Durmand zu transportieren.“
Snikki blickte auf. „Nicht...? Was dann?“
„Das Material wurde bis zum Rand in Kisten gefüllt, die fest verschlossen von Golems zur Baustelle befördert wurden.“
„Ach ja stimmt. Ja, bin da reingefallen. Der Golem hat mich verschleppt!“
„Du wärest in der Kiste erstickt, Skritt.“
„Snikki.“
„Du wärest immer noch erstickt, Snikki.“
Snikki schüttelte den Kopf.
„Hatte da mal viel Glück. Hab' ich immer. Da war ein...ein Atemlöchlein.“
Inke trat mit schweren Schritten nach vorne und bäumte sich über Nizpi und der Skritt auf.
„Und nen Mordshunger, hä? Entweder frisst du so viel wie 'nen ausgewachsener Charr oder da sin' noch mehr. Ich würd' ja persönlich jede Fliese hier umdrehen, wenn ich nicht so unverschämt reich wär'.“
Nizpi schüttelte den Kopf. „Das werden wir nicht tun. Aber ich teile die Ansicht, dass sie nicht die einzige blinde Passagierin ist.“
Die Skritt schwieg sich aus. Inke kniete neben ihr nieder. „Oder du hortest! Mädel, das verdirbt ohne Kühlung! Das kannst du nicht einfach so horten! Die armen Hühner. Der Hühnergeist wird dich dafür zerpicken du lumpige - “
Nizpi hob ihre Hand, Inke zuckte mit den Schultern. „Sag' ja nur...“, brummte sie.
Die Magistern nahm das Gespräch wieder auf. „Du musst ein Versteck haben, in..“ Snikki unterbach sie.
„Nein! Kein Versteck. Leb' von Hand im Mund.“
„Du hast das, was du gestohlen hast, unmöglich schon konsumiert. Außerdem, in 97% der Fälle weisen die Denkstrukturen von Skritt-Individuuen ähnliche Verhaltensweisen auf, wenn sie die Rolle eines blinden Passagieres einnehmen: Sie errichten ein Versteck um zu schlafen, zu essen und ihre Schätze zu horten. Simpel.“
„Und Klo! Nein, nein! Also, nein, ich bin nicht 97. Ich bin nur eins.“
Nizpi blickte die Skritt noch einen Moment ausdruckslos an, ehe sie aufstand und den Wachsamen zuwinkte. „Genug. Macht Euch nützlich. Sperrt sie ein und schickt Manooma zum Reden zu ihr. Vielleicht auch jemanden von den Sylvari.“
Sie machte Anstalten zu gehen. Snikki seufzte, blickte sich um und trottete dann neben den Bewaffneten her.
„Frau Magnister?“
„Was.“
„Ich kriege Essen dort?“
„Ein wenig.“
„Darf ich auch raus?“
„Nein.“
„Auch nicht in Maschinenhalle?“
„Nein, es sei denn du hast uns etwas mitzuteilen.“
Snikki rieb sich an der Stirn, sie schien gewaltige Denkanstrengungen zu machen. Sie seufzte wieder und schüttelte den Kopf, als sie ihre Entscheidung traf.
„Mh, muss dann wohl....weil sonst verhungert der.“
„Wer?!“
„Zeig' ich...“


Snikki führte uns zu dem äußersten der sechs großen kupferfarbigen Kessel, die im hinteren Ende der Maschinenhalle standen. Er war etwa so groß wie ein kleines Hüttchen.
Inke knurrte und stapfte wieder nach vorne. „Verhungern?? Du hast da meine Hühner reingeworfen!?“
„Ja, nein, aber, nein, aber nicht verbrannt. Er hat die gegessen.“
Rollo lachte kehlig auf. „Natürlich hat er die 'gegessen'. Weisst du wie heiß es in diesem Kessel ist, Skritt?“
„Gar nicht. Ganz wenig Grad.“
„Wenig Grad?? Ich würde ihn an deiner Stelle nicht anfassen...“
Als Anwort darauf hüpfte die Skritt auf das Schutzgeländer und legte beide Handflächen auf die Kesselwand. Es schien ihr nicht wehzutun. Sie wandte sich um.
„Guckt, kleine Skritt ist mutiger als der Charr. Guckt mal alle!!“
Rollo sah nur erstaunt auf den Kessel, er und Skruu blickten sich an. Nizpi funkelte in die Gruppe.
„Und...was hat das zu bedeuten? Wieso weiss eine Skritt mehr über die Maschinen hier als Ihr selber...?“
Skruu winkte ab. „Ach. Nein, stimmt, das ist nur der sekundäre Ersatzkessel. Natürlich ist der nicht heiß.“
Nizpi nickte knapp, dann beobachtete sie mit den anderen, was die Skritt da trieb. Die Wachsamen hatten wieder die Pistolen auf sie gerichtet. Sie klopfte an die Kesselwand.
„Äh, Du da, Planveränderung!“, rief sie gen Metallwand, dann hielt sie ein Ohr an den Kessel, schaute zu Nizpi. „Der kommt gleich da raus!“
Eine größere Menge hatte sich hier unten gesammelt, die Neuigkeit sprach sich langsam herum. Der Kessel schien der Skritt allerdings nicht antworten zu wollen.
„Wer ist da drin?“, fragte Nizpi trocken. Die Skritt hampelte auf dem Geländer herum, schüttelte den Kopf.
„Nein, schwer zu erklären wie der aussieht. Gleich siehst du! Blinder Passagier.“
Es gab Geräusche im Inneren. Scharren, Klicken, Quietschen, alles klang mechanisch. Dann ein Klackern, als würde jemand eine Kurbel drehen. Die Vorderseite des Kessels wurde langsam nach oben gezogen, im Inneren des Kessels brannte wie erwartet kein Feuer, es war stockfinster.
Rollo fuhr sich über die Hörner. „Das...sollte so ein Kessel eigentlich gar nicht können. Eine Seite öffnen.“
Fast alle Wachsamen waren nun angerückt, um ihre Waffen auf den geheimnisvollen Kessel zu richten, die Skritt interessierte das aber nicht mehr. Ungeduldig hüpfte sie auf dem Geländer herum, als wollte sie mit einem Ritualtanz das Öffnen der Tür beschleunigen.
Abwartend verschränkte Nizpi die Arme vor der Brust, bis das Tor einrastete. Es war ohnehin schon nicht sehr hell im Maschinenraum, in dem Kessel erkannte man erst recht nichts. Nizpi klappte ein Monokel herunter, das ihr erlaubte, hinter das Dunkle zu sehen.
Sie zuckte kurz zusammen.
„Dubranochev...?“, sagte sie dann schließlich in abfälligem Ton.