Der Flug zur Sonne - Eintrag 30-35

[Sonne-Playlist]



Eintrag 30, Tag 28


Die beiden blinden Passagiere sind nun wieder frei. Als den Wachsamen aufgefallen ist, dass die Skritt ihre Gefangenschaft auf dem bequemen Bett genießt, wurde beschlossen sie arbeiten zu lassen. Wenn die blinden Passagiere aus Barmherzigkeit ohnehin am Leben gehalten werden müssen, sollte man ihnen auch eine Funktion geben, so die Worte der Magisterin.


Dubranochev ist natürlich in die Maschinenhalle zurückgekehrt. Er kennt sämtliche Funktionen und Apparaturen dort, daher wurde sein Einsatz sehr wohlwollend angenommen. Vielleicht erreicht er sein Ziel, einen der Vulkananzüge auf der Sonne tragen zu dürfen.
Snikki hingegen wurde ausgerechnet von Inke rekrutiert. Sie will, dass die Hühnerdiebin für ihre Verbrechen gerade steht. Also wird sie jetzt zum Küchendienst verdonnert – Tische decken, Tische abräumen, Tische wischen, Geschirr spülen, Geschirr sortieren...
Das war eigentlich als Strafe gedacht. Womit Inke nicht gerechnet hat ist, dass Snikki große Freude an dieser Zwangsarbeit entwickelt hat, allein in den ersten paar Minuten. Heute morgen hat sie angefangen, jetzt ist es schon Abend, ihre Laune ist ungetrübt. Inke fand das zunächst nicht so gut, hat dann aber eingesehen, dass die Skritt ihnen einiges an Arbeit abnimmt. Somit hat Zina mehr Zeit zum Kochen und Inke hat mehr Zeit für alles andere, was sie sonst gerne macht. Ganz wichtige Sachen, versicherte sie mir.


Eintrag 31, Tag 30


Ich habe Dubranochev nach dem Golem gefragt, den wir unter den Fliesen in der Maschinenhalle gefunden haben. Darauf hatte er lachend den Kopf geschüttelt. „Typisch.“, war seine Äußerung, mehr erfuhr man nicht darüber. Vielleicht ein Streich von ihm? Oder eine Art Versicherung?


Eintrag 32, Tag 33


Wir haben nun das gläserne Krähennest, dass sich Takuma gewünscht hat. Er hat es gemeinsam mit Rollo und Heggar fertiggestellt und draußen angebracht. Dazu haben sie die Vulkananzüge benutzt, auch wenn Nizpi zunächst dagegen gewesen war.
Wenn man nun die Leiter von der Maschinenhalle hoch ans Heck steigt, findet man sich in einer kleinen runden Glaskuppel wieder, die einen Rundumblick auf die Sterne in der Leere und natürlich die Sonne bietet.
Sollten Reperaturarbeiten auf dem Heck anfallen, so lässt sich eine Tür öffnen. Und sollten wir der Hitze der Sonne zu nahe kommen, hilft die Kraftfeldverstärkung von Vooli, der Hilfsgolemantin. So versicherte sie uns zumindest.
Außerdem haben wir ein abgerundetes Sofa dort hochgeschleppt, so dass man eine gemütliche Sitzecke
mit einem fantastischen Ausblick hat. Rollo hat auch ein Fernrohr eingebaut, das sich in einem kleinen Bereich schwenken lässt.
Nicht viele passen oben hinein, je nach Volk finden bis zu fünf dort oben Platz, wenn man nicht stapelt.


Eintrag 33, Tag 35


Die Sonne kommt näher und es ist ungewiss, ob wir die Ankunft auch überleben werden. Heggar Eiksson hat daher heute im Aufenthaltsraum seine bisherigen Skulpturen ausgestellt. Falls wir also alle verbrennen, dann hat sie wenigstens jemand gesehen. Es sind nur die 'Muster', wie er sagt, noch keine 'Heggarschen Vollkommenheiten'.
Zunächst waren da hölzerne Modelle der Fluufladen, der Gluufoos und der Wolkenkrake. Er hat sie in hellem Blau angestrichen, doch er war nicht zufrieden mit dem Ergebnis. Die echten Wesen waren schließlich durchsichtig. Doch sein neustes Werk ist nicht mehr aus Holz.
Heggar hat nämlich auch die Walblase, oder um die richtige Bezeichnung zu verwenden, das 'ätherische Kollektivgewebe', nachgebaut. 'Ätkoge' kürzen wir es inzwischen ab. Um so eine Ätkoge also darzustellen, hat Heggar eine längliche Blase aus Glas geblasen, etwa fünf Schritte lang. Die vier Flossen hat er dann einzelnd aus dem zähen Glas herausgezupft und das so entstandene Gefäß mit Wasser gefüllt, welches er nun mit oranger Farbe einfärbte. Die Schlieren der Farbe ziehen sich noch durch das 'Wesen' und werden sich im Laufe des Tages gleichmäßig verteilen. Um das Gebilde verteilt sind in kleinen runden Gefäßen die 'Kinder' aufgestellt, also das Gebilde in geteilter Form.
Inke und Heggar brachten das Glas das ein oder andere Mal zum Zittern, als schmutzige Witze über Wale, Glasbläserei und ähnliches gerissen wurden.
Außerdem bekam Inke die Idee, dass Heggar ihr Glaskrüge in Form der Himmelwesen erschafft, die sie dann in ihrer Taverne verkaufen kann. Die große Ätkoge hier würde sie für eine Bowle oder als persönliche Badewanne verwenden. Oder beides zugleich.
Für Dubranochev und Snikki, vor allem für Snikki, waren die Skulpturen besonders interessant. Denn auf der ganzen Reise, versteckt in ihrem Kessel, hatten sie weder die Wesen über den Wolken, noch die Ätkoge gesehen. Als sie die Gesänge in ihren Köpfen gehört hatten, wollten sie sich erst recht nicht aus dem Kessel wagen. Erst jetzt lichteten sich für sie eine Menge Unklarheiten. Auch wenn wir immer noch nicht wissen, was diese Wesen denn nun darstellen und was ihre Ziele sind, so haben wir doch einiges gelernt. Manooma ist sich sicher, dass wir noch nicht die letzte Ätkoge getroffen haben. Wir haben schlicht ein einzelnes Exemplar auf dem Kurs zur Sonne überholt.
Da Dubranochev sehr interessiert an den Schleimen ist, hat er gleich eine Menge Theorien zur Ätkoge geäußert. Ich habe ihn also zu Manooma geschickt, mit der er sich prächtig versteht. Die Aufgabe der Wachsamen ist es inzwischen, gelegentliche 'Diebe' von den glänzenden Skulpturen fern zu halten.
Ich werde keine Namen nennen.


Eintrag 34, Tag 37


Snikki ist noch immer begeistert von ihrer neuen Aufgabe und hat daher beschlossen, nach ihrer Rückkehr ein eigenes Gasthaus zu eröffnen. Sie bat mich, ihre Speisekarte aufzuschreiben, damit möglichst viele Kunden angelockt werden. Da sie mir nicht verständlich erklären konnte, was die Gerichte genau darstellen, hier die unkommentierte Speisekarte:


Schmack Lecker gütig Speis.
(Stielartig dazu drei)

Kullerringe geknackt aus Fröhlichkeit........................3

Grün lachig Gestängel
von mutig Knuspersuppe.............................................4

Verwirbelt Rotbottich
auf glänzig Giesskelch.................................................5

Freches Pappsalat
mit nettguck Funkelbrot..............................................5

Quickpilz mit
ausgesucht Obstteppich lecker....................................6

Lustig Marmiladeschuh
mit ohne Fuseln...........................................................6

Stinkigkäse ohne Nageknet.........................................6

Fröhlich Hackeschwein
von Frucht zu Baum....................................................8

Nackig Gockelbeinchen
mit kratzig Zupf vom Stall........................................10

Nobelweich Knackglibber mit wolkig
Gimpelstech zum Dranmachen..................................40

Alle Preise dabei!! Tisch zum Schieben.


Eintrag 35, Tag 38


In der Nacht, wenn man sie denn so nennen kann, wurden wir von einem vertrauten Geräusch aus dem Schlaf gerissen.


Das Geräusch war stärker, ein Blick aus der Steuerkanzel sagte uns wieso: Ein ganzer Schwarm, oder eine ganze Herde von Ätkogen war dort draußen. Sie waren verschieden groß und schwebten in unterschiedlichen Abständen dahin, alle auf dem Kurs zur Sonne. Garzza hielt die Durmand auf Abstand, damit wir die Wesen besser beobachten konnten.
Außerdem wäre der Kopfgesang in ihrer Nähe wohl zu stark gewesen.
Zusammen mit Manooma wurde ich in das Krähennest hinaufgeschickt, damit wir bessere Beobachtungen machen konnten, Nizpi und Lady Xiaoqing kamen mit.
Wir beobachteten etwas neues: Eine größere Ätkoge wurde langsamer, als warte sie auf die kleinere Ätkoge hinter ihr. Bald hatte die kleine die große eingeholt, um sich zu einem einzigen Gebilde zu vereinen, das dann langsam wieder Fahrt aufnahm. Aus der Entfernung war schwer einzuschätzen, wie sehr sich die Gebilde in ihren Größen unterschieden, aber immer wieder kam es zu Vereinigungen. Sie schwebten von allen Seiten heran, nicht nur aus der Richtung unserer Welt, auch aus der entgegengesetzten. Aus der Richtung einer anderen Welt womöglich?


Wir zählten siebenunddreißig, allerdings wurden es weniger, da sie sich immer wieder vereinten. Es mochte an der Sonne liegen, aber ihr Licht schien nun stärker, sanft pulsierte es, während die mehrstimmigen Gesänge unsere Hirne kitzelten. Eifrig schrieb und kritzelte Manooma alles was sie wahrnahm auf. Auch die Lady Xiaqing machte Notizen, ganz gelassen. Sie schien kaum aufgeregt oder überrascht zu sein, sie lächelte einmal mehr ihr undurchschaubares Lächeln auf ihrem weißen Gesicht.
(Unsere Aufzeichnugen werden übrigens als Sammelband erhältlich sein.)
Stunden haben wir die Wesen nun beobachtet. Still saßen wir in der Glaskuppel, wir hatten bald vergessen, dass es unter uns noch ein Schiff gab, es fühlte sich an als schwebe diese Kuppel allein durch die Leere.


Die Magisterin riss uns schließlich aus unserem traumartigen Zustand, sie hat befohlen, an der Herde vorbeizuziehen. Mehr Beobachtungen sind vorerst nicht zu machen. Der ständige Gesang beginnt außerdem, vielen an den Nerven zu zerren. Vor allem Rikken Kaltatem sponn Pläne, wie man so eine Ätkoge denn niederstrecken könnte.
Die Ätkogen sind langsamer als die Durmand, deren Energiewurzel stärker und stärker geladen wird, je näher wir der Sonne kommen. Also ließen wir die Herde langsam zurück. Wir waren uns irgendwie sicher, dass wir sie nicht das letzte mal gesehen haben.


Die Sonne war schon lange kein daumengroßer Punkt mehr, sie füllte nun das gesamte Fenster der Steuerkanzel aus. Nizpi gab den Befehl, die Wohnwürfel vorzubereiten.