Ein charmantes Kerlchen - Kapitel II

Kapitel II – Ein Blaublut kommt selten allein


Mit einem undeutlichen Flirren und einem dumpfen 'Pock' schlägt das Messer in den gegenüberliegenden Holzbalken ein. Am anderen Ende der doch recht kurzen Flugbahn steht – wer auch sonst – das charmante Kerlchen, das sich mit einer deutlich genervten Bewegung die Haare aus dem Gesicht streicht.



Welcher Idiot hatte eig'ntlich den genialn Einfall gehabt fürs' Wais'nhaus zu ne' Spend'naufruf zu startn? Is' ja nich so, dass sie irg'ndwie Geld bräucht'n aber musste es n' Blaublut sein? Die haltn sich doch alle für was besseres, weil se' mit'm gold'nen Löffel im Mund geboren wurdn.


Da wär diese komische rothaarige – Sheryna sowieso. Heiß sieht se' ja aus un' versteht auch so'n bissch'n Spaß. Wär da nich der Fakt, dass se' n' Blaublut is'. Un' dass se' damit mal so gar keine Ahnung hat, hat se' auch gleich bewiesn. Laberte großartig rum was se' den Kindern alles Gutes tun will. Er musste ihr dann erstma den Kopf waschn. War ja nich' zum aushaltn, was die da alles verzapfn wollte.


Mit wenigen Schritten durchquert er das Zimmer und ruckt – offensichtlich unzufrieden mit dem Ergebnis – an dem Messer herum bis er es in der Hand hält. Ein kurzer Blick, der sicher Metall schmelzen könnte!, gen der Klinge bevor sich das charmante Kerlchen wieder auf seine Ausgangsposition stellt.


Die hat dann erstma so getan, als ob se' sich das alles aufschreibn würd. Klar. Für wie dumm wird er eig'ntlich gehaltn? Als ob sich irg'ndein Blaublut dafür interessiern würd, was er denkt. Die wissn doch eh immer alles besser. Aber die dachte wohl sie wär richtig geschickt un' so. Hat ihn dann auch noch angelacht un' n' bisschen mit ihm geflirtet.


Das wärs ja auch noch! Er un' ne' blaublütige Frau im Bett. Auf einmal wird se' ganz überrasch'nd schwanger, weil se' keine Ahnung hat, wie man sowas verhindert un' er wird dafür gehängt. Ja, ne', is' klar. Da kanner sich auch besser's vorstelln. Nen' anderen Rotschopf zum Beispiel.. aber bei der gibts ja auch Probleme!


Un' die Probleme hattn ma so gar nichts mit ihm zu tun! Überhaupt war er ja die Unschuld in Person! ... vielleicht nich' ganz so unschuldig. Aber auf jed'nfall war er an diesm Problem nich' Schuld!


In einer ruckartigen und doch gleichzeitig fließenden Bewegung wird das Messer wieder in die Richtung des armen, bereits sehr zugerichteten, Holzbalken geworfen. Wie auch schon vorher folgt das undeutliche Flirren mit einem dumpfen 'Pock' am Ende. Ohne, dass er das Ergebnis genauer betrachtet, stiefelt das charmante Kerlchen zum Balken und ruckt am Messer rum.


Es warn ja auch neue Sachn, die da ma wieder schief liefn. Was auch immer ihr da letztns über die Leber gelaufn war hat sich in Luft aufgelöst. Un' das hatte sie ja mit ihm dann auch nochma unter vier Augn ... besprochn. Hehe ...


Ne'. Die neuen Probleme warn ungefähr genauso groß wie er, schlaksig, blass wie 'ne Leiche un' hattn blaues Blut. Un', was am schlimmstn war, das Problem war blond. 's war irg'ndein komischer Lord irg'ndwas. Rheylas. Anscheinend hatte der Rotschopf ma was mit dem. Muss wohl gewesn sein, als sie noch jung war un' keine Ahnung hatte.


Jed'nfalls hat das blöde Arschloch genau vor seiner Nase angefangn mit ihr zu flirtn. Nich', dass er jetz irg'ndwie alleinign Anspruch von den Rotschopf hätt aber das war schon 'ne Nummer. War ja noch nich' mal gut verpackt. Aber er war ja nett. Hat ja die Klappe gehaltn. Bis zum Schluß! ... Na ja, fast. Der war aber auch 'nen Weichei. Un' grün wie'n Frosch.


Leise, beinahe stumm atmet er tief ein und schließlich aus. Immerhin braucht man eine ruhige Hand, um ein Messer zu werfen oder eine Pistole abzufeuern. Na ja wenn man das Ziel treffen will. Ansonsten kann man auch betrunken sein. Wieder folgt diese ruckartige und doch gleichzeitig fließende Bewegung, gefolgt von dem typischen 'Pock'-Geräusch. Und einem lauten Fluch.


Der Rotschopf war ja nich' so begeistert, dass dem Muttersöhnchen mal wer die Meinung gesagt hat. Meinte er soll ma runter komm'n. Ja, ne', is' klar. Is' doch seine eigene Schuld, oder? Was macht der sich auch vor seiner Nase so scheiße an sie ran? Klar, hat keinen Anspruch drauf aber von so 'nem Idiotn in die Eier getretn zu werdn – ne'. Da hält er doch nich' seine Fresse. Außerdem hat der eh fast geweint. Kein Wunder. Is' ja auch 'nen Blaublut.


Was aber ma viel wichtiger war – er musste dem Rotschopf seine Haarklammern wieder abnehmen. Is' ja nich' mehr feierlich, was Haare im Gesicht lästig sin' ...


"I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it."
Evelyn Beatrice Hall; The Friends of Voltaire (1906)


"Oh mein Gott, er schluckt ihn ja wieder runter!"
Kay beim ersten Mal. (2016)