Ein charmantes Kerlchen - Kapitel III

Kapitel III – Rheylas


Das Gesicht verzogen zu einer von Schmerzen sprechenden Grimasse tatest das charmante Kerlchen an seiner rechten Seite, insbesondere am grün-gelblich verfärbten unteren Brustkorb, herum. Natürlich nicht ohne das Eine oder Andere Mal die Luft scharf einzuziehen.


So ne' verdammte Scheiße! Was fiel diesm arschrkriech'nden Sohn einer billign Gass'nhure eig'ntlich ein?! Is' ja nich' so, als hätte er ins' Essn von diesm blödn Blondschopf gepisst, oder?! Aber selbst wenn er das getan hätt, wär das trotzdem kein Grund gewesn so 'ne Scheiße abzuziehn! Ihm auflauern un' verprügln lassn is' ja nich' schlimm – damit kanner ja lebn. Aber damit zu drohn, dass er eins von den Kindern entführn lassn un' umbringn will? Das war nen' Schritt zu weit!


's fing ja schon an, als dieser kleine, miese dreimal du- ... scheiß Blondschopf innen Hals gekomm'n is'. War echt 'nen lustiger Abend, wenn man ma von diesm Karott'nkopf absieht, der jetz auch anfing den Rotschopf mit Muffins zu versorgn. Klar, war ja nich' so als ob er irg'ndwie das Mona- ... Monob ... halt das alleinige Recht drauf hatte. Trotzdem wars scheiße. Jed'nfalls is' dieses Muttersöhnchn da reingestiefelt un' hat angefangn mitm Rotschopf zu diskutiern.


Ein tiefes und vor allem unwilliges Brummen ertönt bevor sich der Zottelkopf anfängt wieder anzuziehen. Was sich ja nicht gerade einfach gestaltet, wenn man mal von der Lippe und der Augenbraue absieht. Glück ist es, dass keine Rippen gebrochen sind. Pech hingegen ist es, dass sie aber definitiv geprellt sind.


Sie hat sich mit diesm blödn Blaublut ja irg'ndwann nach der erstn Begegnung mit ihm getroffn. Da hat se' ihm anscheinend klar gemacht, dass se' nichts mehr mit ihm zu tun ham will. Ha! Geschieht dem blödn Arschloch recht! Nur verstandn hatters nich'. Weswegn auch immer. Er kann sich ja nich' vorstelln, dass der Rotschopf undeutlich is' bei dem, was se' will. War se' zumindest bei ihm noch nie gewesn.


Der Kerl muss's aber nich' verstandn ham. Der is' da im Hals aufgetaucht un' wollte groß n' Gespräch mit ihr führn. Un' – wenn er ma ehrlich war – nach dem blödn Mist mitm Karott'nkopf war das n' Tropfn zuviel im Krug. 'türlich hatter ihm erstma gesagt woran er is'. Warum auch nich'? Wenn ers' anders nich' versteht?! Blöd nur, dass der vorher schon irg'ndwo was getrunk'n habn muss. Der hat doch glatt angefangn Streit zu suchn wie so'n Idiot. Un' das, obwohl dem klar hätt sein müssn, dass man ihm die Fresse poliern wird!


Aber anstatt sich ordntlich seine Visage neu richtn zu lassn fängt das Arschloch an mit irg'ndwelchn Zaubertricks un' hat dabei auch noch den Rotschopf verletzt! Ihm konnts irg'ndwie nur recht sein, denn damit hat sich das blonde Arschloch 's vollkommn verscherzt. Danach stand n' tolln Abend ja nichts mehr im Weg – wenn man von diesm Griesgram Athes mal abgesehn hat. Musste direkt die Laune drückn mit seinen blödn Sprüchn. Idiot.


Am schlimmsten war seit neustem der Gurt und die Halterung für die Pistole. Das Ding alleine hatte ja schon ein ordentliches Gewicht. Blöd war einfach nur, dass der Gurt beinahe genau über die geprellte Stelle gespannt werden muss. Andererseits war es Glück, dass die Knarre an der linken Seite rumbaumelte. Wär ja schon doof, wenn sie immer wieder gegen die verletzte Seite knallen würd.


Aber irg'ndwie war ja klar, dass der Griesgram Recht behaltn musste. Dieses kleine, blonde, scheiß, blöde Rattenviech hats irg'ndwie geschafft, dass die Mutter Oberin ihn ausm' Wais'nhaus rauswirft. Aber damit wars ja nich' getan, ne'. Dieses kl ... dieser Kerl hats irg'ndwie geschafft, dass n' Kind vom Haus ihn gebetn hat das Gewehr zu holn, was er verlorn hat. 'türlich isser in diese blöde Gasse gestiefelt. 'türlich hat ihm dieser Schlägertyp eine ord'ntliche Schelle verpasst un' gleich noch eine, weil er geflucht hat. Scheißkerl. Un' dann stand auf einmal dieser blöde Penner, dieses blö - ... dieser Rheylas vor seiner Nase. Hat was von Nell fernhalt'n gefaselt. Dass er Nell ja seine Anwes'nheit aufzwingn würd'. Klar. Als ob Nell sich irg'ndwas aufzwingn lassn würd. So 'nen ...


Hat dann noch was von 'ner Hochzeit zwischn ihm un' dem Rotschopf gefaselt. Ja, ne', is' klar. Der Rotschopf war schon immer auf 'ne Hochzeit mit diesm blondn Blaublut aus. 'türlich hatter gelacht. 'türlich hatter dem Arschloch gesteckt, dass er un' der Rotschopf schon viel Spaß hattn. Hat ihn aber nich gejuckt oder er wollts nich' hörn. Jed'nfalls hatter dann angefangn die Kinder zu bedrohn. Hat ganz großspurig getan un' seinen Schläger gefragt, was's kostn würd. Kleines, m- ... !


Aber der Idiot hätt sich auch denkn können, dass er gleich alle zusammen trommelt un' denen steckt, was passiert is'. Was er dann auch gemacht hat nachdem er die ganze Bande im Hals getroffn hat. 's war zwar nich' ganz so unauffällig wie's hätte sein müssn aber was solls! Hauptsache war erstma, dass alle bescheid wusstn un' sich drauf vorbereiten dem Arschloch, dem ver- ... dem Typn 'nen Arschtritt zu verpassn. Ihm aufzulauern un' zu verprügln war eine Sache. Aber Kinder ausm Wais'nhaus zu bedrohn war 'ne andere. Da verstand auch er kein Spaß mehr. Wichser.


Mit einer umständlichen Bewegung schnappt sich der Struwwelkopf seinen Mantel und wirft ihn sich – natürlich unter einem unterdrückten Fluchen – über. Es war jeden Morgen und auch Abend dasselbe Spiel. Was es ja nicht besser macht in seinen Augen.


"Kleines! Ich geh innen Hals, was trink'n!"


"I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it."
Evelyn Beatrice Hall; The Friends of Voltaire (1906)


"Oh mein Gott, er schluckt ihn ja wieder runter!"
Kay beim ersten Mal. (2016)