Die Schlacht gegen die Karka

Die Schlacht gegen die Karka


Barden Ohneheim


Der Angriff


Jahrelang diente er den Seefahrern als Augen, um ihnen eine sichere Fahrt in den Hafen von Löwenstein zu gewähren. Kein Riff, keine Sandbank entging seinem hellleuchtenden Blick. Nicht mal die dunkelste Nacht mit ihren ewig weiten Schatten vermochte die Untiefen im schwarzen Meer zu verstecken. Seinem Blick verdankten viele Seefahrer, die nach Löwenstein fuhren, um ein lukratives Handelsgeschäft abzuschließen, dass sie ihre Waren behalten haben, wie ihr Leben. Doch nur die wenigsten hatten ihm es wirklich gedankt… und heute war es zu spät.
An der Stelle, wo der Leuchtturm einst in den Himmel reichte und jedes Haus in Löwenstein um das doppelte überragte, stand nur mehr eine Ruine. Schwarz und zertrümmert. Ein Sinnbild für das was in der vergangenen Woche in Löwenstein eingebrochen war. Keine Flutwelle, kein Erdbeben, kein Sturm vermochte in den vergangenen Jahren die Stadt mit ihren markanten Häusern, die an Schiffe erinnerten und auch teils welche waren, etwas anzuhaben. Es war auch keine Flutwelle, kein Erdbeben oder Sturm, die ihre Zerstörungswut an der Stadt ausließen.
Astrid erinnerte sich wieder daran, als sie die Überreste des Leuchtturms erspähte. Sie stand am großen Platz, wo heute Spendenaufrufe geführt wurden: Für Bewohner der Stadt die all ihr Hab und Gut und ihr Haus verloren haben. Noch vor einer Woche war der Platz gefüllt mit Lachen, Tratschgeschichten und Verkäufern, die ihre Waren als die Besten der Welt anpriesen und dementsprechende Preise verlangten. Diese Händler waren auch der Grund, warum Astrid das Asuraportal benutzt hatte, um von Hoelbrak, ihrer Heimat, nach Löwenstein zu kommen. Bei Giomir einem Fleischhändler fand sie gutes Geld für ihre selbst erjagte Ware. Der Fleischhändler lobte nie die hervorragende Qualität der Waren, die Astrid ihm feil bot. Es hätte ja die Jägerin auf falsche Gedanken bringen können, um mehr Geld für sich raus verhandeln zu wollen, das alles wusste Astrid. Sie wusste auch wie viel sie für die Nahrung verlangen konnte und wie Giomir versuchte, den Preis nach unten zu drücken. Es misslang ihm immer.
Giomir stand heute nicht hinter seiner Teke. Das Fleisch, das zur Zierde hinter ihm hing, duftete nicht verführerisch über den großen Platz und das würde es auch nie wieder tun, denn Giomir lebte nicht mehr. Er starb, wie viele Bewohner am ersten Tag bei der Zerstörung von Löwenstein. An dem Tag, als riesige krabbenähnliche Monstren aus dem Meer stiegen und ohne Vorwarnung, zuerst den Leuchtturm und dann die Stadt angriffen.
Als die kleineren Krabben, die nicht größer waren als ein Asura, an Land trabten, versammelten sich alle Bewohner der Stadt nahe der Brüstung, um das Schauspiel zu verfolgen, auch Astrid, wie auch Giomir. Später sollte dies für viele ihr Todesurteil sein. Es folgten weitere Krabben, die größer waren. Einige waren menschenhoch, andere so groß, wie Norn und dann gab es noch die… Die rotgepanzerten Krabben, die größer waren als jedes Haus in Löwenstein und Götterfels, den Palast der Königin mit eingerechnet.
Als man sah, was die Krabben vorhatten, war es schon zu spät. Der Leuchtturm wurde in seine Einzelteile zertrümmert. Panik brach aus. Die Krabben marschierten wie ein Überfallkommando in die Stadt ein. Die Schaulustigen rannten umher, kreuz und quer, wie Hühner, denen man den Kopf abgeschlagen hatte. Schon zu diesem Zeitpunkt wurden die ersten Bewohner getötet, doch nicht durch die Greifer der Krabben, sondern sie wurden zertrampelt durch die eigenen Leute.
Noch heute hallen die quellenden Schreie und Hilferufe in Astrids Kopf wider. Sie konnte nichts tun. Auch als Giomir von einem der riesigen Beine zerquetscht wurde, konnte sie nur zusehen, wie seine Innereien sich über den Platz verteilten. Sie war zu weit weg und Pfeil wie Bogen trug sie nie bei sich, wenn sie nach Löwenstein reiste. Es war ihre Schuld, glaubte Astrid und redete sich es ständig ein. Sie hätte Giomir retten können, wie auch weitere, wenn sie bloß ihren Bogen dabei gehabt hätte.
„Geht es dir gut?“ fragte die bärenhafte Gestalt eines Norn an Astrids Seite, nicht nur hier an der Brüstung, sondern auch in ihrem Leben.
Astrid wandte den Blick von den Ruinen des Leuchtturm ab. Sie fühlte, wie Tränen sich in ihren Augen füllten. Sie hätte Leben retten können. Schnell wischte sie mit der Hand die Flüssigkeit aus den Augen. Skerimur hätte nur wieder gesagt, dass es nicht ihre Schuld gewesen wäre und so weiter, aber sie wusste es besser. Trotz seiner hünenhaften Statur, sogar für die eines Norns, hatte Skerimur ein einfühlsames Vermögen und würde jede Lügengeschichte zum Besten geben, nur damit Astrid nicht traurig wäre. In vielen Situationen war es ihr sogar recht, denn sie sah bestimmt nicht zum Küssen aus, wenn sie am Morgen aufwachte und bestimmt nicht jedes Kleidungsstück stand ihr perfekt, aber mit solchen Lügen konnte Astrid leben, aber nicht mit der, dass sie nicht auch Mitschuld trug, an so vielen Toten.
„Es geht mir gut, danke“ log Astrid und schaute hoch in das braunbärtige Gesicht ihres Liebsten. „Wir sollten weiter, bevor das Schiff ohne uns ablegt.“ Sie musste schnell das Thema wechseln, bevor Skerimur weitere Fragen über ihren Zustand stellen würde. In den braunen ruhe ausstrahlenden Augen hatte sie schon gesehen, dass immer noch Sorge über Astrid darin schwamm.
Skerimur stimmte seiner Liebsten zu, indem er ihr einen Kuss auf die Lippen gab. Der Bart, der ihr sanft über die Wangen streichelte fühlte sich so fein und kuschelig an, dass sie am liebsten in den Barthaaren geschlafen hätte. Ihre Ratschläge über ordentliche Bartpflege hatte Früchte getragen, wenn sie bedachte, wie rau und strohig er sich vorher angefühlt hatte, da bekam sie noch heute ein Schaudern.
Der Kuss endete, zum Bedauern von Astrid, aber es musste sein. Es würde sich schon wieder eine Gelegenheit finden ihrem Bärchen, wie sie Skerimur liebevoll nannte, erneut zu küssen, dass wusste sie. „Wir sollten jetzt wirklich los.“
„Du hast Recht.“ Wann jemals nicht? Dieser Satz fand sein Ende dort, wo er entstand in den Gedankengängen des blonden Hauptes.
Wie bei einem ihrer morgendlichen Spaziergänge durch die Fauna und Flora des Wanderer Hügels, so schritten die beiden Norn auch über die Stege von Löwenstein, dicht umschlungen. Astrid hatte ihren Arm um die aus Eisen gepanzerte Taille von Skerimur gelegt, der wiederrum hatte seine riesige Pranke um die Schultern seiner Liebsten gelegt. Die Möwen kreischten begrüßend der orangen Morgensonne entgegen. Die Wellen des Meeres klatschten gegen die Schiffe und Stege, die es hier am Hafen von Löwenstein im Hauf gab. Sanfte Strahlen der Sonne wärmten die Luft. Bei dieser friedlichen Stimmung hätte man wirklich meinen können, die beiden Norn würden nur einen Spaziergang machen, bevor sie sich an eine Bar setzen würden, um gemütlich zu frühstücken, doch dies war weit gefehlt. Das Ende ihres Spazierganges endete nicht in einer Bar, sondern auf einem Schiff, wie auch schon bei vielen Personen zuvor.
Der Angriff der riesigen Krabben war nicht nur ein Problem für Löwenstein, sondern die übergroßen Krustentiere tauchten an allen Küstenstädte Tyrias auf und brachten Zerstörung, deshalb beschlossen die großen Reiche beziehungsweise ihre Anführer ein Bündnis zu schmieden. Die junge Königin Jennah von den Menschen, der Meister der Hallen Knut Weißbär von den Norn, die drei Imperatoren von den Charr, die zwölf Erstgeborenen der Sylvari und der Arkane Rat der Asura hatten beschlossen Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Das Bündnis fand schnell heraus, wo sich die Karka, wie man die Bedrohung nannte – denn es kämpft sich leichter gegen einen Gegner, wenn er einen Namen trägt -, aufhielten: In der Südlicht-Bucht im Meer des Leids. In den darauffolgenden Tagen wurden nach langen Verhandlungen, wie man gegen die Karka vorgehen solle, Vorkehrungen getroffen, damit eine Bedrohung weniger auf Tyria ihr Unheil ausüben würde.
Damit kein Reich sich als große Helden gegen die Karka emporheben solle, wurde beschlossen einen kleinen Trupp Freiwilliger in die Südlicht-Bucht zu versenden. Die Proklamation wurde von Götterfels bis nach Ebonfalke, von der Flammensteppe bis nach Rata Sum versendet, auf das die größten Helden kommen würde, um die Welt zu retten, mit entsprechender Entlohnung verstand sich.
Astrid brauchte keine Sekunde überlegen. Sie hätte immer mitgemacht, auch ohne Aufforderung von den Hohen Herrschafften. Die Rache für einen gefallenen Freund trieb sie an, wie viele andere in der Kogge auch, bei der sie angelangt waren.
Wie ein Edelmann betrat Skerimur als erster die Planke, die zur Kogge hinab führte. Die Planke raunzte und knarrte, als würde sie ihre Missgunst darüber äußern, dass so ein gewichtiger Norn über sie schritt, jedoch brach sie nicht. An Bord angelangt, wo sich schon sicherlich mehr als drei Dutzend Freiwillige versammelt hatten, um sich lautstark miteinander zu unterhalten, reichte Skerimur seine gepanzerte Rechte, um seiner Liebsten einen sicheren Geleit zu gewähren.
Astrid brauchte diese Hilfe nicht, dennoch hätte sie die helfende Hand gerne angenommen, denn jede Berührung mit ihrem Bärchen brachte der Jägerin wohltuende Ekstase, jedoch geschah etwas, dass sie von der Hand nochmal zurück zucken ließ.
„Einen schönen guten Morgen, Frau Vanessa Leisbach“ erklang eine raue, wie Reibeisen klingende Stimme, zu der die höfliche Begrüßungsform überhaupt nicht passte.
Die Begrüßung wäre nichts Besonderes gewesen, denn es kam schon manchmal vor, dass sich Personen, die sich am Morgen trafen, auch einen schönen guten Morgen wünschten. Am Abend kam das eher selten vor. Viele Asurawissenschaftler forschen noch heute, wieso das so ist. Der zweite Teil des Satzes war es, der Astrid interessierte. Sie kannte den Namen der Frau und auch die Frau, deshalb war sie verwundert, dass sie hier wäre.
Vanessa Leisbach war eine gute Wächterin und setzte ihre Fähigkeiten meistens dazu ein, um Transporte zu verteidigen, meistens von der Handelsfirma Dead Rabbit Artefakte und Waren, wo sie prozentuale Miteigentümerin war und immer wieder Leute rekrutierte. Daher kannte auch Astrid sie. Mit den Augen, die so tief und unergründbar waren wie der Ozean, schaute die Menschenfrau Astrid damals an, bevor sie die Norn für einen Transport anheuerte, der von Hoelbrak nach Götterfels führte. Für diese Reise bräuchte sie eine ortskundige Norn, die die Widrigkeiten des Zittergipfelgebirges kannte. Astrid schaute in diese Augen und willigte ein. Sie konnte nicht Nein sagen. Wieso, wusste sie nicht. Sie konnte es einfach nicht, als sie in diese Augen blickte.
Astrid schaute sich um, doch sah sie nirgends die blonde Menschenfrau mit den unergründbaren Augen, stattdessen stand ein weißfelliger Charr in blauer Panzerung vor ihr. Tief den Oberkörper nach vorne geneigt stand er da, wobei die bockartigen Hörner senkrecht in den Himmel ragten. Die Rechte hatte er zu einer Faust geballt und drückte sie gegen die Stelle, wo das Herz schlug. Auch ohne die Stimme des Charrs zu hören, wusste Astrid, dass er die Begrüßung ausgesprochen hatte und wen er damit vermutlich meinte.
„Meinst du mich?“ fragte Astrid.
„Ja?“ Der Charr erhob sich aus seiner gebückten Haltung und schaute etwas verwirrt, so vermutete Astrid, als sie die Falten auf der flachen wölfischen Stirn und den zusammen gekniffenen Blick deutete.
„Ich bin nicht Vanessa Leisbach“ korrigierte Astrid die Verwechslung „Mein Name ist Astrid Eewardorttir.“
Der Charr riss überrascht die eiswasserblauen Augen auf „Oh verzeiht, für mich sehen alle Menschen gleich aus, wenn sie nicht unterschiedliche Haarfarben tragen.“
„Ich bin eine Norn“ konstatierte Astrid. Der Charr öffnete das mit Hauern bestückte Maul, um wahrscheinlich erneut sich zu entschuldigen, doch Astrid ließ es nicht zu, sondern stellte sogleich eine Frage, die viel wichtiger ihr schien, als das ständige Fettnäpfchengetrampel des Charr. „Woher kennst du Vanessa?“
„Ich arbeite für sie. Wir reisen im Auftrag von Dead Rabbit Artefakte und Waren in entfernte Gegenden, um dort Artefakte zu beschaffen, die dann Frau Tezla sündhaft teuer verkauft, deshalb hat uns Frau Vanessa den Auftrag erteilt: Der freiwilligen Armee beizutreten und nach wertvollen Gegenständen Ausschau zu halten.“
„Und wie heißt du?“ wollte Skerimur wissen, der wieder auf der Planke stand, die raunzend sogleich ihre Beschwerde Ausdruck verlieh.
„Oh, verzeiht“ Der Charr verbeugte sich und schlug mit der geballten rechten Faust gegen die Brustpanzerung „Mein Name ist Varhakan Leonzahn, meines Zeichens Leibwächter von Josei Maho.“
„Mein Name ist Skerimur Eisdorn. Nenn mich einfach nur Skerimur.“ Mit dieser Vorstellung trat der Norn wieder auf den Steg und reichte dem Charr die Hand und Varhakan erwiderte die Geste mit seiner klauenbesetzten Pranke.
„Kommt diese Maho auch noch?“ fragte Skerimur weiter.
„Nein, sie ist leider… unpässlich.“
„Ach, wie schade. Sollen wir uns zusammen tun im Kampf gegen die Karka? Es ist immer gut eine weitere Waffe an seiner Seite zu wissen und so können wir auch besser aufeinander aufpassen.“
Varhakan schien verwirrt vom Vorschlag des Norns zu sein, jedoch willigte er ein.
Ja, so war ihr Bärchen, dachte sich Astrid. Er kannte keine Unterschiede zwischen den Rassen. Egal ob sie ein wölfisches Gesicht hatten mit Hauer, die ohne Probleme Knochen zermalmen konnten und dazu noch riesige Hörner, die einen fast so groß erscheinen ließen wie Skerimur selbst. Wenn bloß alle so wären wie er, dann hätte keine Bedrohung Tyrias Fuß auf dieser Welt fassen können und die Urdrachen wären auch nur noch Legenden, die man in der Prahlhalle zu hören bekäme. Die Zukunft wäre eine bessere für sie beide, ihre Familie und ihre ungeborenen Kinder.


Die Überfahrt


Auf der Kogge herrschte reger Betrieb. Die verschiedensten Rassen, mit den verschiedensten Aussehen und unterschiedlichsten Vergangenheiten und dementsprechenden Fähigkeiten tummelten sich auf dem Ober- und Unterdeck. Anfänglich wirkte die Reise noch wie eine Kreuzfahrt über das blaue Meer. Fische schwammen an der Seite des Bootes, Möwen flogen über ihnen mit der Hoffnung eines dieser Fische zu erjagen und überall hing der frische würzige Geruch des Salzwassers in der Luft.
Im Laufe der einstündigen Fahrt, für die die Kogge über das Meer zur Südlicht-Bucht benötigte, wurde die Stimmung von Minute zur Minute immer angespannter. Astrid hörte schon jede einzelne Welle, die gegen das Bug der Bootes klatschte. Jeder hier wusste, dass dies vielleicht ihre letzte Reise sein könnte und so war die Laune nachvollziehbar. Auch Astrids Gemüt wurde unruhiger erst recht als sie die gräuliche Silhouette der Hügel der Südlicht-Bucht am Horizont sah, als würde noch ein Schleier die Kogge und die Bucht voneinander trennen. Was sollte sie tun, um sich abzulenken?
Die Asura auf dem Boot stellten sich Rätsel, von denen Astrid nicht mal die meisten Fragen verstand, geschweige die passenden Antworten. Die Sylvari saßen nur da, mit verschlossenen Augen. Die Charr kontrollierten noch mal ihre Waffen, damit ihnen beim Kampf keine böse Überraschung bevor stünde. Varhakan tat dies nicht. Er stand nur am Schanzkleid und starrte hinaus auf die Bucht, wie ein Wolf, der eine Beute erspäht hatte. Die Menschen knieten auf dem Deck und beteten zu ihren Göttern, wie auch die Norn und Skerimur, nur das sie nicht zu den Göttern, sondern die Geister der Wildnis um Beistand baten. Auch Astrid würde sich bald dem Gebet anschließen, doch wollte auch sie nicht eine böse Überraschung erleben und kontrollierte ihrerseits die Waffen, mit denen sie Rache für Giomir nehmen wolle.
Wie nicht anders zu erwarten, waren alle fünfundzwanzig Pfeile, die im Köcher standen im einwandfreien Zustand. Was hätte auch in den vergangenen zwei Stunden seit der letzten Kontrolle passieren sollen sein? Ein Pfeil alleine machte aber noch keine passende Waffe, um die harte Schale der Karka zu durchbrechen. Astrid nahm ihren aus den Hörnern des Langhornbocks geschnitzten Bogen in die Hand. Die Form des Bogens, der an ein Flügelpaar erinnerten, war eine Sonderanfertigung, die ihr Vater bei ihrer ersten Jagd überreicht hatte. Seit dieser Zeit hatte Astrid niemals einen anderen Bogen für die Jagd verwendet. Sie hatte auch nie eine schwere Verletzung davongetragen. Also warum sollte sie den Bogen wechseln? Es gab schon öfters Angebote, dass die Jägerin einen moderneren Bogen benutzen solle, der auch viel ausgewogener war und mit dem man auch viel leichter zielen konnte, als mit dem Kompositbogen in Flügelform, aber Astrid lehnte immer ab. Der Bogen war ihr Glücksbringer und schon lange ein Teil von ihr. Würde Astrid den Bogen weggeben, wäre es so als würde sie ihren Arm hergeben. Nicht mal als Wetteinsatz benutzte sie den Bogen, wegen der Befürchtung sie könnte ihn verlieren.
Mit der Linken hielt Astrid den weißen Bogen fest, während die Rechte die Sehne in die Schlaufe legte. Mit einem Zupfen mit dem Zeigefinger testete sie noch die Spannung. Hundertzwanzig Kilo. Ja, damit konnte sie die harte Schale der Karka durchbrechen.
Die mechanischen Vorkehrungen für die Schlacht hatte die Norn hinter sich gebracht, nun kam die spirituelle Vorbereitung dran und dazu gesellte sie sich zu ihrem Liebsten, neben dem sie sich gleich hinkniete und begann zur Schneeleopardin ihrem persönlichen Schutzgeist zu beten.


Das Treffen am Strand


Die zwei Koggen, die vor der Dritten und letzten losgesegelt waren, hatten ihr Ziel unbeschadet erreicht und lagen schon in der Bucht vor Anker. Die Strategie des Arkanen Rats hatte also Erfolg gehabt, denn sie waren es, die auf die Idee kamen, dass die Hauptflotte des Bündnisses einen Scheinangriff auf die Karka machen sollten mit dem Hintergedanken, dass dadurch drei kleine Schiffe hindurch schlüpfen konnten und so unbeschadet der Freiwilligentrupp an Land kommen könnten. Sie würden sowieso viele Verluste erleiden, also warum schon auf dem Meer damit anfangen?
Die Anlegebucht bestand aus drei Holzstegen, die provisorisch in den letzten Tagen geschreinert wurden. In Zweien schwankten schon die anderen beiden Koggen durch die Wellen, somit musste der Charrkapitän den Steg ganz rechts als Anlegeplatz auswählen.
Astrid sah schon, wie die Passagiere der anderen Koggen sich in der Bucht die Füße in den Bauch und Löcher in den Sandboden standen. Es dürfte sich um die hundert Personen handeln, die dort standen, schätzte die Norn. Mit den Leuten aus ihrem Boot wäre es am Ende um die Hundertfünfzig. Ob sie es wohl schaffen würden? Sorge machte sich im Gemüt breit. Ein Arm legte sich unterstützend um die Schulter. Es war Skerimur, wer sonst? Wer sonst hätte mit dieser kleinen Geste innerhalb kürzester Zeit ihre Sorgen halbiert, da er sie von ihren Schultern wischte?
„Gehen wir?“ fragte Skerimur und schaute mit seinen braunen Augen in die Ihren.
Diese dunklen Augen. Sie konnten Astrid immer wieder beruhigen, denn in ihnen lagen die Ruhe und der Frieden, den sie immer wieder suchte. „Ja, lass uns gehen.“
Wie schon auf den Docks in Löwenstein gingen die beiden Norn Seite an Seite die Planke zum Steg hinab. Auch diesmal raunzte das Holz, sogar lauter als zuvor, man konnte meinen, dass es sogar fluchen würde: Als wäre nicht schon ein Norn schwer genug!
Kaum hatten Astrid und Skerimur einen Fuß auf den hölzernen Steg gesetzt, wurden die weibliche Hälfte der beiden Norn von einer fröhlichen Stimme begrüßt: „Hallöchen, Astrid“ Eine lilahölzerne Sylvari stürmte auf die Jägerin zu und umarmte sie stürmisch. Wobei, durch den körperlichen Unterschied der beiden Frauen, der kurzblättrige Kopf der Sylvari zwischen Astrids Busen landete. Noch bevor die Norn etwas sagen konnte, war der Kopf schon wieder draußen. Nur die Spuren von Blütenstaub auf dem Ausschnitt, die von den vereinzelnden Blumen in den Blättern auf dem Kopf stammten, deuteten noch daraufhin, wo der Kopf noch vor kurzem gewesen war. „Ich dachte schon, ich müsste die Riesenkrabben alleine verhauen, aber mit dir wird das bestimmt spaßig.“
„Ho, Maryla“ kam Astrid endlich nach der stürmischen Begrüßung zu der ihren „Das kann ich natürlich so einer zarten Blume, wie dir nicht zu muten.“
„Ich bin keine zarte Blume!“ giftete Maryla zurück. „Ich bin ein Dornenbusch… ein wunderschöner Dornenbusch.“
„Ich weiß“ nickte Astrid zustimmend mit einem Lächeln auf dem Gesicht „Du kennst noch meinen Liebsten, Skerimur?“
„Natürlich!“ Schon stürmte Maryla zum männlichen Teil des Liebespaares „Hallöchen, Skeri!“Auch dieser wurde gleich von der Sylvari stürmisch umarmt, wobei sie diesmal gerade bis zur Gürtelschnalle reichte, was dem Norn etwas unangenehm schien, wenn man den stetig roter werdenden Kopf deuten konnte. Auch hier hinterließ die Sylvari einen Blütenabdruck, als sie wieder losließ. „Wir haben uns lange nicht mehr gesehen… du bist geschrumpft.“
„Ho, Maryla. Und du hast dich kein wenig verändert.“
„Jaja. Das ist gut, denn Perfektionismus zu verändern, bedeutet sie zu verschlechtern.“ Schnell erspähten die Augen der Sylvari eine weitere Gestalt, die hinter den beiden Norn stand und sich nicht rührte, obwohl genug Platz da gewesen wäre, um an ihnen vorbei zu gehen. „Und wer ist dieser Reißwolf?“
Varhakan ließ die Bemerkung an sich abprallen. Er hatte schon schlimmere Beleidigungen gehört, da war die Anspielung auf seine Hauer, die über die Lefzen reichten, ja überhaupt nichts.
„Das ist Varhakan Leonzahn. Leibwächter von Josei Maho“ stellte Astrid den Charr vor, der zurückhaltend hinter ihnen gestanden war.
Varhakan verbeugte sich und schlug sich mit der Faust gegen die Brust, wie er es immer tat, wenn er sich jemanden vorstellte oder in diesem Fall vorgestellt wurde.
„Du bist der Varhakan?“ fragte Maryla mit aufgerissenen Augen „Ich habe von dir gehört. Ist Josei auch da?“ Mit erwartungsvollem Blick suchte sie die Anlegestelle nach der menschlichen Magierin ab. Der Charr musste sie jedoch enttäuschen. „Sie kann leider nicht kommen. Sie ist leider unpässlich.“
„Und wo passt sie mit ihrem üppigen Busen nicht durch?“
„Durch die Latrinentür, hinter der sie seit gestern sitzt.“
Auf die Antwort von Varhakan hin fing die Sylvari lauthals an zu lachen. Der Charr wusste nicht, dass er aus der Sicht der Sylvari einen Witz gemacht hatte und war demensprechend überrascht.
„Und wer seid Ihr?“ wollte Varhakan mit dem Hintergedanken wissen, dass die Sylvari mit ihrem Gelächter aufhörte, mit dem sie schon die gesamte Aufmerksamkeit der anderen erregte.
Die Hoffnung wurde nicht erfüllt. Die Sylvari lachte weiter, dafür übernahm Astrid die Vorstellung, der in wahnsinniges Gelächter verfallenen jungen Dame: „Das ist Maryla Leafschild. Eine Hälfte der Gründungsmitglieder von Dead Rabbit Artefakte und Waren.“
„Die bessere und schönere Hälfte, hast du vergessen zu sagen“ verbesserte Maryla die Norn, die für eine Sekunde aufgehört hatte weiterzulachen und sogleich fuhr die schönere und bessere Hälfte der Gründungsmitglieder von Dead Rabbit Artefakte und Waren sich kokett durch die Blätter, wo Norn ihre Kopfhaare hatten und Charr ihre Mähnen, um jeden zu beweisen, wie schön sie doch wäre. Die Pollen flogen nur so über den Strand.
„Wenn das nicht meine Bohnenstange ist.“, dröhnte ein tiefer Bass durch das Lager.
Astrid erkannte sogleich auch diese Stimme, die normalerweise die Prahlhalle mit seinen Heldengeschichten füllte und mit sehr viel verdunstendem Met.
„Ho, Högger“ grüßten Astrid und Skerimur synchron die nornische Begrüßungsfloskel.
„Ho, Astrid. Ho, Skerimur“ grüßte der rotbärtige Norn zurück, der die gleiche Größe maß wie Skerimur.
„Hallöchen, Dickerchen“ mischte sich Maryla in die Begrüßungen mit ein.
Högger schaute in seiner schwarzroten Plattenrüstung gekleidet hinab auf die Sylvari. „Meine Bohnenstange, soll ich dir zeigen, wie dick manche Körperteile an mir sind?“
„Gerne, ich kenne da ein beschauliches Plätzchen im Hain, jedoch müsstest du dafür noch etwas abspecken, lieber Speckfaust, sonst bleibst du in der Ritze stecken.“
Högger begann donnert zu lachen und bildete mit Marylas schallendem Gelächter ein Duett der Kakophonie, zum Unmut des Kommandanten des Freiwilligentrupps, der natürlich befürchtete mit diesem Lärm die Aufmerksamkeit der Karka zu erregen.
Astrid kannte Högger schon länger als sie Skerimur kannte. Er war der typische Norn. Laut, stetig – wie er behauptete – angeheitert und ein wirklich guter Kämpfer, wenn auch nicht so stark, wie er sich in seinen Geschichten darstellte, aber dennoch gut, wie er auf einer Metlieferung unter Beweis gestellt hatte, bei der auch Astrid als Leibgarde mitreiste. Die Jägerin wunderte sich nicht, dass Högger mit Urgewalt die Söhne Svanirs, die die Metlieferung überfallen hatten, fast alleine zurückschlug, bei Alkohol kannte er keine Kavaliersdelikte.
„Und Högger schließt du dich uns an? Wir werden als kleiner Trupp in der Armee gegen die Karka kämpfen“ fragte Astrid wohlwissend, was als Antwort käme, aber sonst wäre Högger beleidigt gewesen, hätte sie nicht gefragt.
„Nein, leider, ich kann diesmal nicht deinen knackigen Arsch beschützen, denn der größte Krieger vom Süden bis zum Norden und jenseits des Zittergipfelgebirges muss als Symbol des Triumphes an vorderster Front kämpfen, deshalb überlasse ich deinen Hintern den zweitbesten Nornkrieger.“ Mit diesen Worten klopfte Högger Skerimur auf die Schultern.
„Keine Sorge ich werde den knackigen Hintern schon schützen.“
Astrid hätte auch gerne noch was zu ihrem zu schützenden Gesäß beigetragen, doch erspähten ihre Augen eine weitere Person, die sie kannte, doch den sie hier nicht erwarten hätte. „Marth?“
Der braunhaarige Menschenmann in silberner Rüstung drehte sich zur Norn um. Astrid konnte nicht glauben, dass er wirklich vor ihr stand.
„Schönen guten Morgen“ grüßte Marth Mclane mit seinem immer freundlich wirkenden Gesicht.
Astrid vergaß jede Höflichkeit vor Überraschung und fragte, statt die Begrüßung zu erwidern: „Was machst du denn hier?“
Die Frage war berechtigt, denn die Norn kannte Marth, wie viele andere Personen auch, als Eigentümer der Wunderlampe, wo er sich auch nicht zu schade war, hinter der Theke auszuhelfen. Unter anderen hatte Astrid aus diesem Grunde bei der Wunderlampe angefangen, teilweise als Schankmaid zu arbeiten. So konnte sie auch ihre zweite Leidenschaft neben der Jagd, dem Kochen frönen und wurde dafür auch noch bezahlt! Sie liebte es die verschiedenen Rassen und Kulturen kennen zu lernen, die in der Taverne in Götterfels, der Hauptstadt des Menschenreiches Kryta, ein und aus gingen und nicht wie in nornischen Wirtshäusern dabei gleich die Möbel zertrümmerten. Dort hatte Astrid, dann auch ihr Bärchen kennengelernt, der als Türsteher auf der Schwelle stand und Gästen, die kein Benehmen an den Tag legten, bat die Taverne zu verlassen. Skerimur hatte nur – im Gegensatz zu vielen anderen Türstehern, die Astrid kannte – im äußersten Notfall zur Gewalt geneigt und dann auch nur, um sich zu verteidigen und den Gegner wehrlos zu machen. Als dann alle Gäste fort waren und Astrid die Stühle hochstellte, half Skerimur ihr und so begann ihre Liebesgeschichte. Also konnte man sagen, dass Marth der Initiator war, für dieses perfekte Liebesgespann.
„Was wohl“ erwiderte der Besitzer der Wunderlampe „Ich mache hier bestimmt keinen Urlaub. Ich will gegen die Karka kämpfen und Tyria vor einem Unheil bewahren.“
„Wirklich?“ Astrid verbarg nicht mal ihr Misstrauen gegenüber der Aussage des Menschen. Sie kannte ihn zu gut.
Marth wand sich wie ein Wurm am Angelhaken. „Und… vielleicht… finde ich ja etwas Schönes, das ich dann in der Wunderlampe ausstellen kann.“
Ja, so kannte sie den Hobbyarchäologen. Marth war wie ein Skritt, der etwas glänzendes entdeckte, wenn irgendwas Interessantes aus längst vergangenen Tagen ans Licht kam, konnte ihn nichts mehr aufhalten – nicht mal der Schichtplan an der Theke der Wunderlampe -. Der Wirt schnappte sich Rucksack, Spitzhacke und Schaufel und machte sich auf den Weg. Wenigstens lohnte es sich meistens, denn die Artefakte, die Marth fand, stellte er in der Wunderlampe aus, wieso sie auch den Namen trug. Das Haus, das die Form einer Lampe trug, mit den schönsten Wundern der vergangenen Zeiten. Aus diesem Blickwinkel betrachtet war es doch keine besondere Überraschung, dass Marth hier am Strand stand. An einem Ort stand, der unbedeutend in der Geschichte Tyrias schien, bis plötzlich überdimensionale Krustentiere auftauchteten.
„Seit wann kannst du kämpfen?“ fragte Astrid nach. Die Frage war legitim, denn seit der Zeit, die sich beide kannten, trug Marth nie eine Rüstung. Auch jetzt wie er vor ihr stand, wirkte Marth nicht wie ein Krieger, sondern mehr, wie ein Schausteller, der einen Krieger spielen solle.
„Du weißt doch, ich habe in der Stadtmiliz gedient“ prahlte Marth stolz.
„Ja, ich weiß. Sechs Monate lang und davon die meiste Zeit als Koch.“
„Aber ich habe die Grundausbildung abgeschlossen. Mit ein paar Krabben werde ich damit auch noch fertig“ demonstrativ fuchtelte Marth mit seinem Schwert herum, dass beweisen sollte, dass er den Schwertkampf beherrschte, was aber eher das Gegenteil in Astrid bewirkte.
Sie hatte gesehen, wie gutausgebildete Löwengardisten fielen, ohne auch nur einen Kratzer in der dicken Schale der Karka geritzt zu haben. Was mochten sie wohl mit Marth anstellen? Astrid wollte es sich nicht vorstellen. Zu sehr schauderte sie sich bei der Vorstellung einen Freund zu verlieren, wie schon einmal.
„Wenn Ihr wollt, werde ich ein Auge auf ihn halten.“ Es war Varhakans raue Stimme, die flüsternd zur Norn sprach.
„Wenn es keine Umstände bereitet.“
„Nein, ich bin es gewohnt Menschen zu beschützen“ Astrid schien es, dass der Charr zu lächeln begann.
„Danke.“
Von der Unterhaltung zwischen der Norn und dem Charr bekam Marth nichts mit, denn eine lilablättrige Sylvari hatte seine gesamte Aufmerksamkeit für sich beschlagnahmt. Als Marth in den Hundeblick schaute, wusste der Besitzer der Wunderlampe, was Maryla von ihm wollte, das was sie immer von ihm wollte, seit dem Tag, als sie Astrid bei der Arbeit zum ersten Mal besucht hatte.
Mit dem Augen eines Kleinkindes, das zum ersten Mal aus dem eigenen Haus kam und die Welt erblickte und sah, wie groß diese doch war, trat Maryla herein. Ein dekoratives Objekt nach dem anderen faszinierte Maryla so sehr, dass sie einen Stuhl übersah und darüber stolperte. Statt wegen den Schmerzen zu heulen, stand die Sylvari auf, als wäre nichts geschehen und schaute sich weiter um, bis sie gegen die Holztheke knallte. Wie bei jedem neuen Gesicht, das die Taverne betrat, bot Marth auch der Sylvari ein Stück Schokolade zur Begrüßung an. Dieses unbedeutende Ereignis sollte noch weitreichende Folgen haben, für Maryla und ihn. Die Sylvari hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch nie ein Stück Schokolade gekostet und wusste auch nicht, was dieses dunkle Zeug war, aber das hinderte sie nicht daran das Stück Schokolade zu essen, denn nur durch Praxis kann man neue Sachen lernen, fand die Sylvari.
Marth stieg die Schamesröte ins Gesicht, als er sah und vor allem hörte wie sehr Maryla den Verzehr der Schokolade genoss. Natürlich kannte Marth schon solche Reaktionen von Frauen, doch nur meistens aus dem eigenen Schlafzimmer und nicht in Mitten einer gefüllten Taverne, wo die Gäste all ihre Tätigkeiten einstellte, um eine Sylvari dabei zuzusehen, wie sie sehr genüsslich ein Schokoladenstück aß.
„Lieber, Marthy“ begann Maryla ihren Wunsch, der bisher nur in den Augen deutlich zu erkennen war, zu verbalisieren „Hast du noch ein Stück dieser köstlichen Schokolade für mich, kleine Sylvari? Es ist doch noch so früh am Morgen und ich bin noch sooo müde“ demonstrativ begann Maryla zu gähnen. Mit so weit geöffneten Mund, das Marth schon befürchtete, dass das Kiefer abfallen würde, wie ein morscher Ast. „Und ich werde doch erst im Laufe des Tages aktiver, das weißt du doch, aber wir müssen gleich hellwach sein, wenn es gegen die Karka geht, ansonsten werden wir sterben, werde ich sterben und das willst du nicht, oder etwa doch?“
Marth ließ etwas Zeit vergehen, was Maryla von Zehntelsekunde zu Zehntelsekunde ungeduldiger werden ließ. Der Fuß der Sylvari trommelte auf dem Boden mit so einer Wucht, dass man berechtigt befürchten musste, dass ein Loch an dieser Stelle entstehen würde.
Der Besitzer der Wunderlampe ließ sich nicht stressen und tat immer noch so als müsste er überlegen, ob das Leben der Sylvari ihm wirklich ein Stück Schokolade wert wäre.
Zu dem Zeitpunkt, als Maryla dem Menschen schon fast an den Hals gesprungen wäre, entschied sich Marth, dann doch ein Stück Schokolade aus der Tasche zu ziehen und es der Sylvari zu übergeben.
Himmelhochjauchzend nahm Maryla das schwarze Stück Ambrosia entgegen und kaute es mehr als genüsslich, was jeder in der Bucht bezeugen konnte.
„Jetzt ist sie aufgedreht.“, kommentierte Astrid das Ereignis, wofür sie von Varhakan einen überraschten Blick zu ernten bekam. Für ihn war die Sylvari schon sehr aufgedreht. Sie sollte noch aufgedrehter werden? Varhakan konnte es nicht glauben, bald aber doch.
Von einem Bein zum anderen hüpfend, dabei das Schild und Schwert in Händen haltend grölte die aufgeputschte Sylvari aus tiefster Seele hinaus: „Die Riesenkrabben sollen ruhig kommen, die haue ich alleine weg!“
„Ja, ja. Das ist meine Bohnenstange!“ grölte Högger lachend mit ein.
Der Kommandant der Armee war sichtlich erleichtert, als ein Leutnant mitteilte, dass die Vorkehrungen abgeschlossen seien, bevor noch weitere Jubelrufe, die Karka darauf aufmerksam machten, dass sich hier eine Armee versteckt hielt. Wie er es hasste mit Amateuren zusammen zu arbeiten.
„Ruhe!!!“ brüllte der Truppenkommandant in die Menge, woraufhin sogar eine aufgeputschte Sylvari für ein paar Sekunden die Füße still hielt. „Als erstes möchte ich mich im Namen Tyrias bedanken, dass so viele dem Ruf des Bündnisses gefolgt sind.“
„Keine Ursache“ brüllte ein Chor zurück, unter denen auch, wie nicht anders zu erwarten, Högger und Maryla sich befanden.
„Danke!!!“ Der Kommandant seufzte kurz, bevor er weiter sprach „Ich werde den Plan für die kommende Schlacht erörtern, damit jeder weiß, was er zu tun hat… und sie zu tun hat.“
„Hoffentlich verstehen sie nicht die Gemeinsprache, sonst wissen die ja, was wir vorhaben.“, flüsterte Astrid in ihren nicht existierenden Bart so laut, dass nur ihr Liebster sie verstand und sogleich mit einem Schmunzeln sie belohnte.
„Wir werden diese Fässer voll Sprengstoff auf die andere Seite des Berges hinter mir bringen.“
„Na ja, Berg würde ich dieses Hügelchen nicht nennen“ gab Skerimur seine geologische Meinung preis.
„Für Asura schon“ begründete Astrid die Fehleinschätzung des Kommandanten.
„Dort befindet sich die Brutstätte der Uralten Karka, der Brutmutter. Zurzeit befindet sie sich nicht im Nest, deshalb können wir die Fässer platzieren. Nachdem wir das getan haben werden wir die Uralte Karka ins Nest locken, da sie sich meistens zur Mittagszeit an den Strand begibt, und dann werden wir mit Sprengungen die dicke Panzerung der Karka sprengen, dann haben wir ein Leichtes, um mit unseren Waffen ihre weiche Haut zu durch spießen.“
„Und was wenn der Sprengstoff nicht ausreicht?“ fragte ein sandfelliger Charr aus der Menge.
„Bete zu deinen Göttern“ antwortete der Kommandant flapsig und wohlwissend, dass die meisten Charr nicht mehr zu ihren Göttern beten.


Der Marsch beginnt


Kaum hatte sich der Trupp aus dem Schatten des Hügelchens, der den gesamten Strand überdeckte gewagt, begegnete ihnen schon der erste der vierbeinigen Krabben. Für den größten Krieger nördlich bis südlich und jenseits des Zittergipfelgebirges stellte das Krustentier keine Probleme da. Mit einem mächtigen Schwinger des Hammers brach die rote Schale und die rosa Gedärme verteilten sich auf dem weißen Stein. „Das war ja leicht. Und diese Dinger haben Löwenstein angegriffen? Tz. Lächerlich. Da müssen wohl die Herrn Löwengardisten noch etwas trainieren, am besten bei mir.“
„Das war ja auch nur ein Junges von ihnen.“, bezeichnete Astrid die menschenhohe Krabbe
Maryla schnaubte enttäuscht. Warum konnte sie es nicht sein, die diese Krabbe erledigen konnte? Jetzt konnte sie anhören, wie Dickerchen damit herum prahlen würde. Dreck! Vor Enttäuschung rannen sogar Tränen über die lila Wangen, die sie aber sogleich wegwischte, mit dem Schwanzende von Varhakan.
Marth wurde hingegen blass, wie neugefallener Schnee: „Das war nur eines der Jungen?“
„Ja.“, sagte Astrid nur, als sie zu den zerquetschten Überresten des Karka ging. Aus dem Halfter an ihrer Hüfte zog die Norn ihr Jagdmesser. Mit den Händen schob sie die aufgebrochene Schale auseinander, um an das Fleisch darunter zu kommen. Es knackte und knirschte, jedoch gab die Schale nach und Astrid konnte sich ein Stück des Fleisches herausschneiden und ihn in den Beutel stecken. „Dann schauen wir mal, ob sie gekocht schmecken.“, erklärte Astrid ihre tat.
Varhakan löste seinen von Tränen getränkten Schwanz und ging ebenfalls zu den Überresten. Ohne die nötige Vorsicht, wie es die Jägerin vor kurzem getan hatte, riss der Charr mit seinen Zentimeter langen Klauen ein anderes Stück des Karkafleisches heraus und steckte es in den Mund. Das rosa Blut tropfte über die Lefzen auf den Stein und auf die Rüstung, als der Charr kaute. Angewidert spuckte er das Stück im hohen Bogen hinaus, ins Meer, wo es platschend versank. „Roh schmecken die mal nicht.“, gab er seine kulinarische Kritik ab.
„Mein Kätzchen wird schon was Schmackhaftes daraus zaubern.“, mit diesen Worten küsste Skerimur seinem Kätzchen auf die Wange.
„Liebe Turteltäubchen“, mischte sich Maryla ein „Ich möchte euch nur ungern stören, aber falls ihr noch weitere Zutaten benötigt, sollten wir weiter.“ Die anderen Gruppenmitglieder stimmten dem Vorschlag zu, weil der Haupttrupp, der die Fässer mit dem explosiven Inhalt schützte, sich auf den Weg gen Süden machte, am Hügelchen vorbei.
Wegen Marths bescheidenen Umgang mit dem Schwert, verglichen zu erfahrenen Söldnern, Astrids hervorragendes Gefühl für Pfeil und Bogen und weil Skerimur nicht von der Seite seines Kätzchens weichen wollte, schritt die Gruppe am Ende des Zuges.
Varhakan war es recht am Ende zu gehen. Auch unter der Blutlegion diente er immer in der Nachhut und hatte dementsprechend in dieser Position die größte Erfahrung und auch den Instinkt, auf was er achten musste.
Nur Maryla war mit der Positionierung unzufrieden und gab ihren Unmut kund mit jedem Schritt über die flachen Felsen. Der Grund der Unzufriedenheit lag an der Spitze des Zuges, Högger, der eine Krabbe nach der anderen erschlug und jubelnd triumphierte. Sie wollte auch beweisen, dass sie kämpfen konnte, doch hier am Ende, gab es einfach nichts zu tun, wenn man wegrechnete, dass Astrid immer Fleischbrocken aus den Überresten, die Högger ihnen überlassen hatte, herausschnitt.
Die weißen Steine, die die Fläche der Südlicht-Bucht überdeckten, waren das einzig Flache in der Gegend. Überall ragten löchrige Felsen in die Höhe, wie Stalagniten. Korallenartige Gebilden, die größer waren als eine Sylvari oder Mensch reiten sich Seite an Seite. Es gab sogar vereinzelnde Bäume, wenn man die dürren Holzgestänge, die aus dem Boden knorrig ragten, als diese bezeichnen konnte. Der Ort wirkte tot, nicht so wie der Hain, wo sogar die kleinste Blume vor Leben sprießte. Hier sprießte nichts und deshalb hasste Maryla diesen hässlichen Ort.
Zwischen den vereinzelten Steinplatten gab es immer wieder Klusen, über die der Trupp drüber springen musste. Die Leute mit den Fässern in den Händen vorsichtiger als die ohne. Wären dies noch nicht genug, lagen die Platten auch nicht immer auf gleicher höher, wodurch es nicht sehr selten war, dass der Trupp kletternd den Weg zurück legen mussten. Die Klusen waren auch der Grund, aus dem Maryla aufhörte zu jammern und sich zu beklagen.
Niemand konnte sagen, aus welcher der Ritzen, der erste Karka an die Oberfläche drang, denn es standen sogleich ein Dutzend von ihnen hinter dem Trupp und so auch hinter Astrids Gruppe.
Die dreißig Jahre in der Nachhut der Blutlegion zeigten ihre Wirkung. Varhakan war der ersten, der den Hinterhalt sah, in den sie geraten waren. Mit einem Gebrüll aus dem Maul, wie es sein Instinkt und die jahrelange Übung verlangten, warnte Varhakan den Trupp. Blöderweise waren die anderen Gruppenmitglieder keine Charr und so betrachteten sie zuerst Varhakan, der seinen Hammer fester in seinen Klauen hielt, und erst dann folgten sie seinem starren Blick zu den rötlichen Karka, die kaum größer waren als ein Asura, sonst hätte sie mit Sicherheit nicht in die Klusen gepasst. Den körperlichen Nachteil gegenüber ihren Artgenossen merzten diese Karka mit einer Besonderheit aus: Sie spuckten Wasser. Was sich so harmlos anhörte, war eine gefährliche Waffe, denn die Wassertropfen, die aus den Mäulern zwischen den Greifern flogen, beschleunigten auf eine Geschwindigkeit von Gewehrkugeln, wodurch das Wasser eine Dichte erreichte, die an harte Felsen erinnerte.
Varhakan errichtete sogleich einen magischen Wall, der nicht nur ihn, sondern auch Marth in seiner Nähe schützte. Die Wassertropfen schossen gegen die bläulich schimmernde Wand. Statt aber wie bei einer Häuserwand einfach abzuprallen, flogen die Geschosse wieder zurück auf den Absender. Die Karka schrien auf als die reflektierten Geschosse gegen ihre harten Schalen krachten und sogar aufbrachen.
Leider war der Charr, der einzige, der die Zeit besaß, diese wirkungsvolle Barriere zu errichten.
Skerimur hielt seinen übermenschengroßen Zweihänder in Händen. Mit ihm konnte er die Geschosse nicht parieren, dafür waren sie zu schnell, dass wusste er, doch der Norn durfte auch nicht weichen, denn hinter ihm stand sein Kätzchen. Die Geschosse schlugen gegen das Becken, die Schulter, die Brust, den Oberschenkel. Skerimur stöhnte vor Schmerzen und wankte immer wieder, doch er viel nicht. Die goldschwarze Rüstung dämpfte die Schläge, aber dies war nicht der einzige Grund, warum er dieses Martyrium über sich ergehen ließ. Ein echter Norn würde wegen paar Wasserspritzer nicht Schutz suchen, vor allem nicht, wenn er das Leben seiner Liebsten schützte.
Astrid sah wie ihr Bärchen unter den Einschlägen litt. Wie er sich krümmte nur um sie zu schützen. Sie musste etwas unternehmen, um ihn zu helfen. Mit der Rechten schob sie eine lose blonde Locke wieder unter das grüne Kopftuch – Sie würde zu viel stören, wenn sie über die Augenbrauen kitzelte, und in diesem Falle wäre so etwas eine tödliche Belästigung -, danach zog die Hand den ersten Pfeil aus dem Köcher. Der Puls pochte im geregelten Rhythmus, als sie den Pfeil mit der weißen Moafeder in die Sehne legte. Das Knarren an ihrem Ohr beim Spannen der Sehne, war wie vertraute Musik. Die Augen taxierten einen Karka, der gerade dabei war eine weitere Wasserladung auf ihren Geliebten zu feuern. Diesmal nicht, dachte Astrid und ließ den Pfeil fliegen. Der Pfeil surrte durch die Luft, schnitt durch die Wasserkugel, die noch im Maul lag und schleuderte, durch die Aufprallwucht angetrieben, den Karka nach hinten. Auf seinem Todesflug riss er gleich einen Artgenossen mit nach hinten. Beide landeten auf dem Rücken. Der eine tot, der andere bemüht wieder auf alle Viere zu kommen gleich einem zuckendem Insekt. Astrid genoss keinen Augenblick den Moment, sondern feuerte schon den nächsten tödlichen Pfeil ab.
Wie Skerimur war auch Maryla fähig einen Reflexionswall zu errichten, aber auch sie hatte nicht genügend Zeit, um ihn zu beschwören, wenn sie gewollt hätte. Wie ein Blatt tanzend im Herbstwind sprang Maryla von einer Platte zur nächsten den Karka entgegen. Endlich durfte auch sie sich im Kampf beweisen. Mit dieser freudigen Stimmung wich sie lachend den Wasserspritzern aus. Die Wasserkugeln, denen die Sylvari nicht ausweichen konnte, zerschlug sie mit ihrem Schild. Die Wucht des Aufpralls verursachte aber, dass Maryla des Öfteren auf dem Weg ein paar Meter zur Seite flog, aber auch das konnte die Sylvari nicht davon abhalten, dem ersten Karka, dem sie gegenüber stand das Schwert in den Rachen zu rammen und die Schale mit einem senkrechten Schnitt von innen heraus zu spalten.
Wie von Varhakan erhofft, war die Munition der Karka schnell verbraucht, denn die Krabben konnte nicht mehr Wasser verschießen, als das sie zuvor aus dem Meer aufgenommen hatten, und das konnte bei den kleinen Gestalten nicht viel gewesen sein. So folgte der Gegenangriff, wobei Maryla schon den zweiten Karka erledigt hatte.
„Lass uns auf noch was übrig!!!“ brüllte Skerimur das Schwert in den Händen wirbelnd. Die Schmerzen der Aufschläge verbiss sich der Norn und so stürmte er auf die Karka zu.
„Dann beeil dich.“, erwiderte Maryla ganz nonchalant.
Astrid legte den nächsten Pfeil in die Sehne. Jetzt war es gefragt, Überblick zu bewahren. Sie durfte nicht wahllos auf die Krustentiere feuern, ansonsten konnte es leicht passieren, dass sie entweder Skerimur, Maryla, Varhakan oder Marth traf, die sich alle schon im Nahkampf befanden. Wie ein Adler auf der der Suche nach Beute, blickte sich Astrid um, nach einer Beute für ihren Pfeil.
Skerimur hatte keine Probleme mit den Riesenkrabben. Sein Zweihänder zerschlug eine Schale nach der anderen, dass nur das rosa Blut so spritzte. Maryla hatte gleich wenige Probleme mit ihren Gegnern, wie Astrid feststellte. Wäre nur ein Pfeil in die Richtung der Sylvari geflogen und hätte einen Karka getötet, dann hätte die Norn sich eine Standpauke anhören können, die über Monate reichen würde. Aus diesen beiden Gründen setzte Astrid die Spitze des Pfeiles auf den Kampf von Marth an. Astrid war sichtlich überrascht, wie gut sich der Hobbyarchäologe mit seinem Schwert schlug. Seine Klinge durchbohrte einen Karka nach dem anderen. Als sie Marth so beim Kampf beobachtete, kam ihr der Verdacht, dass sie wohl keinen Pfeil an die Wasserspritzer vergeuden bräuchten, doch dieser Verdacht täuschte.
Hinter einem Felsen tauchte plötzlich eines der Krabbentiere auf. Marth hatte gerade einen Schlag ausgeführt, wodurch seine Deckung offen da lag. Ein Schuss aus dem Maul des Karka aus dieser Distanz von nicht einmal drei Meter hätte ohne Probleme die Panzerung der Rüstung durchschlagen und vielleicht eines der inneren Organe verletzt. Astrid musste handeln. Sie spannte den Bogen bis die Sehne das Ohr tuschierte. Die Sehne knarrte. Hoffentlich würde sie nicht reißen, war der einzige Gedanke, der durch Astrids Kopf flog, als sie den Karka mit der Pfeilspitze fixierte.
Der Pfeil sollte sein Ziel nicht erreichten.
Mit ohrenbetäubendem Gebrüll sprang Varhakan dem schussbereiten Karka entgegen. Der Hammer in den Pranken des Charr sauste auf das Krustentier hinab. Sogar der Wind floh heulend vor der Waffe. Nur der Karka auf dem Felsen blieb. Die Schale brach ohne Gegenwehr, wie auch der Felsen. Nichts blieb mehr, nur ein Charr, der in mitten rosa gefärbten Felsbrocken stand.
Als auch endlich die anderen Mitglieder des Trupps sich herbemühten und die hinterhältigen Karka mit ihren Zaubern und Waffen erledigten, konnte sie weiter ziehen. Der Pfeil, den Astrid schussbereit in die Sehne gelegt hatte, landete unbenutzt im Köcher. Bald würde aber der Pfeil seiner Bestimmung nachgehen, dessen war sich die Norn bewusst.


Die Wächter des Eingangs


Ein Loch, in dem sogar der Palast der Königin Platz gefunden hätte, diente als Eingang in das Hauptnest der Karka. Der schwarze Fels, war über und über mit den grauen Korallen übersät. Marths Herz pochte heftig in der Brust. Zum Glück lagen nicht nur die Rippen, sondern auch noch seine schwere Panzerung davor, sonst wäre das Herz bestimmt schon längst heraus gesprungen. Wie groß mochten wohl die Kreaturen sein, die so einen großen Eingang benötigten? Der Archäologe konnte es sich nicht vorstellen, denn plötzlich erzitterte die Erde und riss ihn beim gedanklichen Malen der Geschöpfe heraus.
Als der Boden erbebte ging ein missmutiges Raunen durch den Trupp. Konnte es sein, dass der Lavastrom, der unter der Südlicht-Bucht floss, nun empor schießen würde? Der Asurakommandant konnte es nicht glauben. Der Arkane Rat hatte nichts von baldigen Ausbrüchen berichtet, als sie die Geologie des Ortes studiert hatten. Was mochte es dann sein?
Ein Donnergrollen begleitete das Beben. Unweigerlich schaute der Kommandant hoch in den Himmel, doch dort war kaum eine Wolke zu sehen. Was war für beide Naturkatastrophenvorzeichen verantwortlich? Der Kommandant bekam die Antwort wenige Sekunden nach der innerlich gestellten Frage.
Das Beben entstammt von zwei Karka, die mit jedem Schritt aus der Höhle heraus die Welt erzittern ließ. Das Gewicht der Schritte erzeugte auch das Donnergrollen, was aber mehr durch die Echos des Berges intensiviert wurden, denn als sie heraus traten verringerte sich das Geräusch, was aber nicht dazu führte, dass der Truppe weniger Furcht versah.
Marth erschauerte beim Anblick der dunkelroten Monstren. Die Karka maßen die Größe der Wunderlampe, nur mit dem Unterschied, dass Marth das Innere der Beiden nicht gerne betreten wollte. Unwillkürlich wich Marth zurück. Was sollte er tun? Gegen diese riesigen Geschöpfe hatte er keine Chance. Er konnte froh sein, wenn er mindestens einen erfolgreichen Schlag versetzen konnte, bevor sie ihn zertrampelten. Das Schwert in der Hand senkte sich. Die Klinge war nur mehr mit dem hartnäckigsten rosa Blut verziert, den Rest hatte er mit einem Tuch abgewischt, wie man es ihm in der Grundausbildung beigebracht hatte, damit die Schneide nicht stumpf werden würde. Was man ihm aber nicht beigebracht hatte war, wie man gegen zwei haushohe Krabben kämpfen konnte, ohne dabei zu sterben. Gegen die kleineren Artgenossen konnte sich Marth behaupten, aber gegen die… Marth ging weitere Schritte zurück, bis er auf was Hartes stieß.
Der Mensch drehte sich um und sah Bläue, wie die des Himmels. Marth hob den Kopf und schaute in das wölfische Gesicht von Varhakan. Der Charr schaute konzentriert gerade aus auf die beiden Karka, die den Eingang der Höhle bewachten.
„Halte deine Angst in Zaum.“ Marth wusste, dass der Charr mit ihm redete, auch wenn er seinen Blick nicht von den Karka abgewandt hatte. „Die Angst ist das, was dich am Leben lässt, doch lass dich von ihr nicht übermannen. Bleibe konzentriert. Achte auf die Bewegungen deiner Gegner. Es ist immer dasselbe, egal ob du gegen einen Menschen, einen Oger oder zwei riesige Karka kämpfst. Befolge immer dieselbe Strategie. Achte auf die Bewegungen deines Gegners und dann wenn du eine Lücke siehst stoße zu. In diesem Fall auf die Gelenke, die sind am ungeschütztesten.“
Es war das erste Mal, dass der Charr mehr Sätze benutzte als einen Haupt- und einen Nebensatz, da sah man wie wichtig es für ihn war, glaubte Marth zu meinen. Der Mensch nickte zustimmend, um anzudeuten, dass er alles verstand. Erst als Marth bemerkte, dass der Charr nicht sehen konnte, dass er nickte, weil er ja noch die Karka beobachtete, stimmte Marth auch noch verbal zu, doch ging die Zustimmung unter dem Gebrüll des Kommandanten unter, der lauthals schrie „Feuer!!!“
Astrid sprang auf eine der löchrigen Felsen, um einen Überblick über das Geschehen zu haben und damit ihre Pfeile auch ja nicht einen vom Freiwilligentrupp hinterrücks erledigen würde. Viele andere Fernkämpfer von Bogenschützen bis hin zu den Magiern nahmen an der Norn ein Beispiel und platzierten sich wiederum auf Anhöhen, um eine freie Schussbahn auf die Karka zu haben.
Die Nahkämpfer blieben auf ihren Posten und bildeten eine Mauer aus Hämmern, Schilden und Schwertern, die im Schein der Sonne glänzten.
Der Kommandant war erleichtert als er die Formation vor sich und um sich bewunderte. Waren doch nicht alles Möchtegernhelden, die nur auf Ruhm aus waren, um damit bei der Frauen anzugeben, dass sie auch dabei waren. Es standen auch erfahrene Recken in den Reihen und wussten, dass man einen Feind nicht über die Hälfte der Distanz entgegen laufen sollte, sondern vorher die Fernkämpfer einsetzte, um den Gegner zu schwächen.
Der Atem aus Astrids Lunge wurde durch ihr Zutun, stetig ruhiger, bis sie den idealen Atemzyklus besaß, um genau zu zielen. Zwischen Zeigefinger und Mittelfinger zusammengedrückt, zog die Norn den Pfeil aus ihrem Köcher. Obwohl Astrid nicht sah, welchen Pfeil sie aus dem Köcher zog, wusste sie vom Ertasten her welchen sie bald in die Sehne legte. Es war der Pfeil, der schon heute einmal in der Sehne lag, doch noch nicht durch die Luft fliegen durfte. Jetzt war es soweit und Astrid mochte fast meinen, dass der Pfeil frohlockte, als er aus dem stickigen Köcher raus in die frische vom Meersalz geschwängerte Luft gezogen wurde.
Astrid atmete aus, als sie das Pfeilende mit dem markanten Einschnitt in die Sehne legte. Der Einschnitt hatte natürlich einen Sinn. Er diente dazu, dass der Pfeil nicht von der Sehne rutschen konnte und so der Pfeil wer-wusste-wohin fliegen würde.
Zusammen mit dem spannen des Bogens, der raunzend der Kraft der Norn nachgab, atmete Astrid tief ein. Dabei musste sie aufpassen, dass ihr Busen nicht den Pfeil ablenkte, wie es am Anfang ihrer Pubertät noch der Fall war, als ihr Busen noch wuchs. Sie musste sogar ihre Technik neuumlernen, aber im Laufe der Zeit ging es ihr wieder ins Blut und der Körper wich schon von alleine aus, ohne mentale Unterstützung.
„Feuer!!!“ drang der Befehl des Kommandanten an das Ohr der erfahrenen Jägerin.
Wie ein Adler, der einen Hasen auf dem Boden laufen sah, verschwamm die Welt um Astrid herum. Ihre Augen taxierten den rechten Karka, der mit wuchtigen Schritten näher trat. Die Erschütterungen brachten die Welt in Unruhe, doch nicht die der erfahrenen Jägerin. Nichts konnte sie mehr ablenken. Sie sah nur das mit Greifern versehene Maul des Ungetüms. Dort im Rachen würde der Pfeil ihr Ziel finden. Sollen die anderen auf die Gelenke zielen, um die Karka zu verlangsamen. Ihr Einschlag in den Rachen und in das Innere des Karka würde ihnen den Sieg erbringen mit so wenigen Verlusten wie nur möglich.
Astrid atmete aus und ließ im selben Augenblick den Pfeil durch die Luft surren. Die Augen folgten dem Pfeil auf jeden Meter bis zum Ziel. Die Rechte zog schon den nächsten Pfeil aus dem Köcher. Der Rache, in dem nur die tiefste Finsternis herrschte, war nur mehr wenige Meter von der Pfeilspitze entfernt, als plötzlich der Karka den Kopf wenden musste, weil ein Feuerzauber den Kopf des Ungetüms mit voller Wucht erwischte. Statt nun in den Rachen zu fliegen, prallte der Pfeil gegen die harte Schale der Rückenpanzerung. Als die Spitze die harte Schale traf, zerbrach das Holz des Pfeiles vor lauter Heftigkeit des Aufpralles.
„Verdammt.“, fluchte Astrid, was die einzige Unschicklichkeit war, denn schon fand sie sich wieder in der Konzentrationsphase, als sie den nächsten Pfeil in die Sehne legte.
Die meisten Geschosse und Zauber prallten wirkungslos ab, was dem Kommandanten ordentlich missfiel. Wäre der Schlachtlärm nicht so laut gewesen, hätte man sein Zähneknirschen über die gesamte Bucht gehört. Warum nehmen die sich nicht Zeit, um mal genau zu zielen?!
Es kam, wie es kommen musste und der Kommandant gerne vermieden hätte. Die Nahkämpfer mussten nun eingreifen, damit die Karka nicht in die Nähe der explosiven Fässer kommen konnten.
„Für Ruhm und Ehre!!!“ erklang es wie ein Choral aus den Hälsen der Norn, dass sogar das Donnern der Schritte der Karka überschallte.
Mit gehobenen Schwertern, Äxten und Hämmer stürmten die Nahkämpfer los. Der Kommandant befürchtete schon das Schlimmste, doch plötzlich bewiesen die Kämpfer zu seiner Verwunderung Intelligenz, denn nur die beschworenen Kreaturen der Nekromanten und Magiern, die kaum mehr Klugheit besaßen als ein Badeschwamm stürmten frontal gegen die riesigen Krustentiere und fanden dort schnell ihre Auslöschung. Die für ihre Verhältnisse intelligenten Norn, Charr, Menschen und Sylvari fächerten zehn Meter vor den Karka auseinander. Während die haushohen Wesen noch damit beschäftigt waren, die nutzlosen beschworenen Viecher zu zerstören, positionierten sich die Nahkämpfer um die Karka. Manche rannten sogar bis zum Hintern der Wesen. Diese Aufstellung überforderte das kleine Gehirn der Krabben und sie wussten nicht mehr, was sie angreifen sollten. Sie schlugen wie wild ohne Koordination um sich.
Es folgte, was folgen musste.


Der Aufstieg


[align=justify]In der Kakophonie des Triumphes, die durch das Gebrüll der Charr, Norn, Menschen, Sylvari und Asura entstand, atmete ein Mensch besonders erleichtert auf. Das rosa Blut hatte die silberne Rüstung von Marth verfärbt und würde nur nach einer gründlichen Reinigung wieder zwischen den Platten raus zu bekommen sein. Wie Varhakan es vorgeschlagen hatte, hatte sich Marth darauf konzentriert den riesigen Beinen und Greifern auszuweichen und selbst erst anzugreifen, wenn er eine Gelegenheit wahrnahm. Ob er wegen dem Ratschlag überlebte oder weil die Karka einfach nicht mit dieser Anzahl an Feinden fertig wurden und deshalb nur wie wild umherschlugen, wusste Marth nicht, aber er wollte dennoch Varhakan danken, aber dieser war schon nicht mehr an seiner Seite, sondern gesellte sich schon wieder an das Ende des Trupps.
Der Kommandant begutachtete seinen Trupp, als dieser stetig näher zum Nest der Ur-Karka voranschritten. Bis auf ein paar Blessuren an so manchen unvorsichtigen Recken gab es nichts zu beklagen. Vielleicht würden sie ja doch mit knapp der Hälfte den Erfolg feiern können, aber noch war es noch zu früh, aber solche kleinen Erfolge brachten die Moral des Trupps zum Steigen. Hoffentlich werden sie nicht übermütig.
Stickige Hitze, als wären sie in ein fensterloses Zimmer gegangen, wo zuvor noch ein schwitzender Norn genächtigt hatte, drang aus der Öffnung des Nestes. Weitere Schweißperlen bildeten sich unter den Helmen und Kapuzen. Am liebsten hätte so mancher sich der Rüstung und der Kleidung entledigt, dann hätten sie weniger unter der Schwülheit gelitten, wie auch unter anderen Sachen, wie Blasen an den Füßen, leichtes Ziehen an den Extremitäten und dem Atmen, denn auf Feindesgebiet ohne Rüstung zu laufen, konnte das Leben rapide verkürzen lassen, deshalb ließen sie ihre Rüstungen an, mancher zog sogar noch die Maske über Nase und Mund. Der Gesichtsschutz diente aber weniger, um die Hitze vom Gesicht wegzusperren, als mehr den Geruch. Die Höhle war erfüllt vom Gestank verfaultem Wasser, der sich in den spitzen und schroffen Felsen abgelagert hatte. Man müsste wahrscheinlich den gesamten Berg wegsprengen, um den Gestank loszuwerden, dachte sich der Kommandat, als der Trupp den spiralförmigen Weg nach oben beging.
Diffuses rötliches Licht zeigte den Männer und Frauen, wohin sie traten. Das Licht stammte von der Sonne, die durch die wenigen Ritzen der Wände in den Innenbereich leuchtete. Die Strahlen trafen daraufhin die rötlichen Felsen und erzeugten so diesen unnatürlich wirkenden Schein. Bevor der Kommandant nachdenken konnte, warum die Felsen rötlich waren, trafen sie auf die erste Gruppe von Karka, die ihren Unmut, dass Eindringlinge in ihr Nest vordrangen, in einen Angriff zeigten. Es war dieselbe Rasse von Karka, die draußen den Hinterhalt vollführt hatten.
Welle auf Welle folgte auf den Weg nach oben. An vorderster Reihe kämpfte, wie nicht anders zu erwarten Högger und zertrümmerte einen Karka nach dem anderen. Auch Maryla und Skerimur hat es nach vorne gezogen, denn dem Kommandanten, wie auch dem Truppe fehlte die Zeit um sorgfältig eine Gruppe nach der anderen zu erschlagen. Sie musste so schnell wie möglich so viele Fässer platzieren, wie es nur ginge und das ging mit einem Bollwerk Nahkämpfer am einfachsten. Fast in jeder Himmelsrichtung des spiralförmigen Weges wurde ein Fass platziert. Zur Freude des Kommandanten ignorierten die Karka sie Fässer und griffen nur den Trupp an.
Varhakan war trotz des Befehls des Kommandanten am Ende des Zuges geblieben und schaute auf den Eingang hinab, wo weitere asura - und menschengroße Karka trappelnd hereinstürmten und dann hoch den Weg entlang. Ein missmutiges Knurren über die Lefzen konnte Varhakan nicht verbergen, als er die Schar von dutzenden Karka kommen sah.
Skerimur schaute hoch, wie weit war es noch bis ganz nach oben? Der Norn konnte nicht lange den Blick in das schwarze mit rötlichen Strichen vermischte Nichts schauen, denn sein Schwert wurde wieder gebraucht.
Neben den Karka haben sich mittlerweile auch Larven der Krebse in die Angriffsgruppen von oben gemischt. Sie hatten noch nicht mal Ansatzweise die Panzerung der großen Kollegen, was man auch an der rosa Farbe erkannte. Sie hatten dagegen eine andere nervende Eigenschaft, die Högger gleich zu spüren bekam. Eine der Larven setzte zum Sprung an und flog sogleich dem Norn ins rotbärtige Gesicht. Högger hatte gerade einen Karka zermatscht, sodass er keine Möglichkeit fand den Angriff abzuwehren oder auszuweichen. Die kleinen Klingen um das Maul der Larve bohrten sich in die Wangen und kratzten Hautfetzen als Nahrung ab. Mit festem Griff packte Högger mit dem Eisenhandschuh den weichen Körper und riss es vom Gesicht. Das heiße Brennen aus den Wunden, die die Krallen beim Wegziehen entstanden hatten, ignorierte der Norn. Sein Blut war einfach zu sehr in Wallung, um Schmerzen überhaupt wahrzunehmen, stattdessen donnerte Högger die Klette an die Höhlenwand, wo die Gedärme, wie das Blut über den Felsen und den Norn spritzten.
Der Lärm vom Gebrüll des Trupps, dem Zischen der Karka und das Scheppern von Metall erfüllte die Höhle und gab es als Widerhall zurück. Varhakan kannte die Laute nur zu gut vor allem die der Schmerzensschreie, die nach seinem Erachten stetig mehr wurden. Es war ein akustisches Chaos, der sich leider auf das Schlachtverhalten auswirkte. Keiner hörte noch irgendein Befehl des Kommandanten, wenn er überhaupt welche noch gab. So befolgte jeder den letzten Befehl, den sie erhalten hatten: Sie mussten Fässer verteilen und nach oben stürmen, auch mit den Karka im Nacken.
Schmerzen zogen sich durch Skerimurs Körper. Wie viele Wunden und blaue Flecken sich unter der Rüstung nun befanden, konnte er nicht zählen, wollte es auch nicht. Er hatte besseres zu tun. Weiteres gesellte sich Schweiß dazu, deren Salz in den Wunden brannte. Der Panzerhandschuh war immer wieder in der Lage den Schweiß von Braue und Stirn zu wischen, damit das Blickfeld nicht beeinträchtigt wurde, aber unter der Rüstung bildeten sich schon fast Seen und Flüsse. Der Atem brannte durch die Lunge, wie auch die Erschöpfung durch den Schwertarm. Der stete Lauf nach oben in schwerer Rüstung und das ständige Schlagen mit dem nornischen Zweihänder hinterließen langsam ihre Spuren, aber nicht nur bei ihm, auch bei anderen im Trupp, wie Skerimur bei einem kurzen Blick umher feststellen musste.
Von glänzenden Pollen bedeckt, das sylvarische Äquivalent zum Schweiß der Norn und Menschen, begann Maryla so heftig zu Fluchen, dass so mancher Norn rote Ohren bekommen hätte, aber sie hielt sich auf den Beinen.
„Schau nicht nach deinem Kätzchen.“, blaffte Högger keuchend und einem Grinsen im vom roten Blut bedecktem Gesicht. „Die kommt schon gut allein zu Recht. Also los weiter.“ Auch wenn man es dem rotbärtigen Norn ansah, er würde niemals zugeben, dass auch er der Erschöpfung nahe war.
„Bärin verleihe uns Kraft.“, bat Skerimur nochmals um Beistand, als er Högger folgte.
„Für Mutter!!!“ schrie auch Maryla und folgte den beiden Norn.
Die vorderste Reihe hatte fast das oberste Plateau

Kommentare 1

  • Heilige Maria Mutter Gottes ist das viel °^°