Noblesse Obligé - Nacht der Masken

Noblesse Obligé


Nacht der Masken


Spät am Abend ging Sebastian die Treppe hinab. Nicht weil er musste, nein, er hatte etwas in der Küche gehört. Vermutlich war es nur Ayla, die Hündin von Herrin Emilie, doch er wäre ein schlechter Butler gewesen, hätte er sich nur auf Vermutungen gestützt. Bewaffnet mit einem Kerzenleuchter, dessen 3 Kerzen hell genug brannten um einen Raum zu erhellen, betrat er die Küche. Dort bei der Anrichte, dort war etwas, ein Schatten. Er hob den Leuchter an um besser zu sehen.
Nichts. Nur die Küchenzeile und ein sauberer, gewischter Fußboden.
Er hob die Brauen und wollte umdrehen, als er erneut ein Geräusch vernahm. Ein leises Schluchzen. Gefolgt von etwas das wie ein aufmunterndes Bellen klang. Er drehte sich wieder um und leuchtete den Bereich erneut aus. Da war etwas, ein Flimmern in der Luft. Er seufzte leicht und senkte den Leuchter wieder etwas.


"Milady, ich würde es sehr begrüßen, wenn Ihr Eure Illusionen nicht auf mich anwenden würdet." sprach er ruhig und gelassen.


Kurz darauf zerbarst die Luft und eine Gestalt wurde sichtbar. Sie saß auf dem Küchenboden, die Beine angezogen, die Hände im Schoß, eine umklammerte etwas, die andere lag sacht auf dem Kopf der jungen Beagle-Hündin, welcher sich trostvoll auf den Schoß der jungen Dame geschoben hatte. Es war Emilie, noch immer trug sie ihr Kostüm vom Maskenball, ein Kleid in schwarz und weiß welches angedeutet wie ein Knochenskelett erschien. Die Todenschädelmaske hatte sie abgenommen und die dicke schwarze Schminke, mit der sie ihre Augen umrandet hatte damit sie unter der Maske wie leere Höhlen wirkten, war über ihre Wangen bis zum Kinn verlaufen.
Sie schniefte leise bevor sie antwortete.
"Ich wollte nur nicht, dass du mich so siehst, Sebastian..."


"Milady, mit Verlaub, ich sah Euch bereits in weitaus prikäreren Lagen." entgegnete der ältere Butler sacht. "Darf ich fragen was Euch so bestürzt? War der Maskenball ein Reinfall?"


Emilie schüttelte sacht den Kopf, während sie Ayla leicht zwischen den Ohren kraulte.
"Nein. Nein der Abend war schön. Spannend. Unterhaltsam."


Sebastian stellte den Leuchter auf dem Küchentisch ab und begann wie selbstverständlich damit, Tee zu kochen. Er kannte Emilie gut genug um zu wissen, dass wenn etwas nicht gleich mit "Ja es war schrecklich" beendet war, es etwas tieferliegendes sein musste, was sie so mitnahm.
"Hat jemand Euer Kostüm herabgewürdigt?" fragte er weiter, als er die Kanne auf den Ofen stellte und anheizte.


Erneut schüttelte Emilie den Kopf und hob ihre andere Hand, warf etwas mit einem leisen "klank!" auf den Tisch. Eine silberne Medaille in Form einer Maske an einem roten Samtband.
"Nein... nein ich hab sogar den Preis für das beste Kostüm bekommen."


Sebastian hob erneut die Braue und musterte die Medaille.
"Meinen Glückwunsch Milady. Also war es ein wunderschöner, spannender und unterhaltsamer Abend, und Ihr wart sogar der strahlende Stern des Tages indem Ihr den Wettbewerb gewonnen habt?"


"Mh-hm." meinte Emilie nur nickend, schniefte daraufhin und wischte sich etwas Feuchtigkeit aus dem Gesicht, was die Schminke nur noch mehr verwischte.


"Verzeiht, wenn ich nicht ganz verstehe..." begann er. Für gewöhnlich war Emilie doch immer begeistert wenn sie einen Preis bekam, wer wäre das nicht? Stattdessen aber schien sie totunglücklich. Sebastian entging nicht die ironische Komik des Wortes "totunglücklich", in Anbetracht des Kostüms seiner Herrin. Doch wie immer ließ er sich nichts anmerken.


"Es ist doch dasselbe wie immer..." unterbrach Emilie ihn und zog die Beine etwas enger an den Körper.


Sebastian lauschte stumm weiter, während er die Teetasse bereit machte und heißes Wasser aufgoss. Mit zwei Stück Zucker und einem Schuss Honig.


"5 Minuten Ruhm vorn auf der Bühne und dann bin ich vergessen. Kaum hatte ich den Preis bekommen haben sich alle wieder umgedreht. Ich schaffe es einfach nicht, zu Leuten durchzudringen. Keiner der Herren hat mir auch nur annähernd den Hof gemacht, dafür ließen sich manche bei anderen Damen kaum bremsen. Und eine Elonierin hat Leaja sogar Parfüm geschenkt weil ihr Kostüm sie berührt hat. Es ist wie immer. Alles, was andere an mir toll finden, ist meine Maske. Mein Aussehen. Niemand interessiert sich wirklich für das, was dahinter ist. Statt Zuwendung bekomm ich Sachen geschenkt."
Mit einer fahrigen Geste deutete sie auf die Medaille. "Mit schönen Dingen überhäuft werden ist scheinbar die einzige Zuneigung die ich je bekommen werde."


Sebastian reichte den fertigen Tee zu ihr herab und sie nahm ihn dankbar entgegen. Dann blickte sie hoffnungsvoll zu ihm auf. Seit sie denken kann war es immer so, dass Sebastian seinen Tee stets mit einem guten Ratschlag servierte. Sicher war das auch dieses Mal der Fall!


"Nun..." begann Sebastian. Es war wirklich ein heikles Thema. Ein Thema das wie er wusste tief im Kern von Emilie verwurzelt war und er musste vorsichtig vorgehen um sie nicht zu verletzen. Ganz besonders, wo er merkte, wie ihre Augen förmlich an seinen Lippen hingen um jedes Wort aufzuschnappen.
"Niemand sieht gerne lange direkt in die Sonne." sagte er schließlich.


Emilie runzelte die Stirn. Der Satz erfüllte neben seiner Bedeutung auch einen weiteren Zweck: Er zwang Emilie nachzudenken und lenkte sie von ihren verletzten Gefühlen ab. Es wirkte.
"Wie...?" brachte sie schließlich hervor, und Sebastian begann zu erklären.


"Ihr habt die Angewohnheit, wo immer Ihr auftaucht, Aufmerksamkeit zu fordern und seid immer bemüht, einen perfekten, unnahbaren und strahlenden Eindruck zu hinterlassen. Wenn Ihr einen Raum betretet, ist es wie ein Sonnenaufgang. Und wie bei der Sonne, verbrennen sich jene, die Euch zu nahe kommen, und zu lange hinzuschauen schmerzt in den Augen. Deswegen wenden sich die Leute ab. Vielleicht solltet Ihr einfach versuchen... ein bisschen weniger zu strahlen."


Emilie nahm einen Schluck Tee und dachte über das gesagte nach.


"Es gibt doch auch Leute, die Euch so mögen wie Ihr seid, nicht wahr?" fragte Sebastian und Emilie blickte zu ihm auf.


Sie nickte. "Ein paar. Natalia. Defiann. Kathleen, seit kurzem. Yarissa und Leaja möglicherweise."


Sebastian nickte ebenso. "Möglicherweise weil diese Eure Schattenseite gesehen haben. Die Sonnenflecken. Für sie seid Ihr weniger strahlend, gleißend und unerreichbar."


"Und verletzbarer." fügte Emilie grimmig hinzu, ihr Kinn hinter der Teetasse verbergend.


"Verletzlichkeit ist nunmal der Preis für Vertrauen." entgegnete Sebastian.


Emilie seufzte und blickte in ihren Tee. Sie sah auf der Oberfläche des Tees ihre eigene Reflexion und zog die Brauen zusammen. "Und vielleicht sollte ich mich auch nicht wie der Tod anziehen.... ich sehe furchtbar aus. Ich geh mich waschen."


Sie stand auf, stellte die Tasse ab und ging die Treppe hinauf, Sebastian ein verhaltenes "Danke" zuraunend.


Sebastian indes blickte zu Ayla herab, welche ihrem Frauchen fragend hinterherblickte und dann zu Sebastian aufsah.
Er schaute die Hündin an und zuckte nur die Schultern.


The one who puts the "laughter" in "slaughter"
And the "fun" in "funeral"!


Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Nationalismus keine Alternative, sondern eine Katastrophe ist.

Kommentare 4

  • Jaaa Sebastian ist für Emilie was Alfred für Bruce Wayne ist x)
    Freut mich dass es gefällt! Wobei ich das Gefühl hab dass die Emilie-Geschichten am besten ankommen. *g*

  • Ich liebe all deine Geschichten! Freue mich schon auf die kommenden. <3

  • Herrlich berührend geschrieben :)!

  • Wie bezaubernd. Ein <3 für Sebastian! Möge er niemals in einen kochenden Wassertopf fallen.