Tagebuch eines Söldners - Buch XII, 3. Eintrag

Die Handbewegung, welche das gebundene Buch von der dünnen Staubschicht befreite, war beschwingt und ungeduldig zugleich. Es schien fast, als sei der Besitzer eben jener Hand entweder deutlich Ungehalten oder aber – sehr erfreut. Was es auch war, das Buch landete zielsicher auf dem Schreibtisch und eine leere Seite wurde aufgeschlagen. Eine Weile betrachtete der Hauptmann die Seite nachdenklich bevor er den Federkiel zur Hand nahm, in das Tintenfäßchen tunkte und ansetzte zu Schreiben.



Wir schreiben den 96. Tag im Jahre 1326 NE, Zeit des Phönix und dies ist mein 3. Eintrag in diesem Buch. Es ist einige Zeit her, dass ich die Zeit und vor allem die Muse fand meine Gedanken niederzuschreiben. Allerhand ist passiert und ich bezweifle, dass es in nächster Zeit weniger werden wird. Die letzten beiden Monate waren, gelinde gesagt, interessant.

Der Ärger mit der Seraphenkompanie hat sich nach meinem letzten Eintrag im Sande verlaufen. Ich weiß tatsächlich nicht, ob Ihre Gnaden oder Seine Hochgeboren weiteres unternommen haben oder eben nicht. Wenn, dann habe ich es nicht erfahren und werde es wohl auch nie. Aber, und das ist im Grunde das erfreuliche daran, die Nebelfeuerkompanie hat nun einen neuen Leutnant. Aus mir nicht bekannten Gründen wurde dieser – "Übergangsleutnant" – Sir Maximilian Crawford zum neuen Leutnant der 7. Kompanie ernannt. Ich hoffe, dass besagte Kompanie dadurch wieder zu dem wird, was sie wohl dereinst gewesen sein soll. Unter der Führung von Elasir Terix hat nicht nur die Reputation stark gelitten.

Was die Ministerialwache angeht, so gab es weitere Probleme. Ein neue Wache namens Dronorion Avenor hat versucht Ayven Schnee auszufragen. Der Umstand, wie es zu dem ganzen Debakel kam, ist in meinen Augen mehr als fragwürdig. Fakt jedoch ist, dass diese Wache froh sein kann das Leutnant Kastella seine Machenschaften entweder gut heißt oder gar befohlen hat. Andernfalls würde er sicherlich nicht mehr die Uniform der Ministerialwache tragen. Ihre Gnaden und Seine Hochgeboren waren nicht begeistern. Ebenso wenig von meiner eigenen Vorgehensweise. Verständlich, denn im Nachhinein betrachtet hatte mein Plan einen recht offensichtlichen Fehler – weder Seine Hochgeboren noch Ihre Gnaden wussten davon. Und es kam, wie es ganz offensichtlich kommen musste. Dieser Avenor traf auf Ihre Gnaden und auch, wenn sie sich sehr wahrscheinlich nichts hat anmerken lassen, wusste sie dennoch von Nichts. Ein Umstand, der nicht hätte sein müssen. Abgesehen jedoch von diesem Vorfall und jenem in der Rurikhalle, ist es erstaunlich ruhig geworden um diese Kompanie der Ministerialwache. Entweder, weil das, was Ayven mir dereinst berichtete, stimmt oder weil Kastella genügend andere Probleme in der letzten Zeit hatte.

Letzteres würde mich nicht im mindesten verwundern, selbst bei Kastella. Eine Gruppe bestehend aus wahnsinnigen oder verblendeten Bauern, abgerissenen Söldnern und sonstigem Gesocks berief sich darauf, Götterfels und ganz Kryta von dem Übel zu befreien, dass sich Adel nennt. Damit würde ein "Neuer Morgen" eingeläutet werden und so nannten sie sich auch. Der "Neue Morgen". Am Anfang nahm diese Bande niemand ernst, gab es doch die Ministerialwache und die Seraphen. Von den Hausgarden gar zu schweigen. Dann jedoch ermordeten sie einen Freiherrn, während er eine Rede gegen diese Gruppe hielt. Vor den Augen der Wachen. Erst dann schienen alle diese Gruppe ernst zu nehmen. Die Eisenwölfe wurden in ständiger Bereitschaft versetzt und ich befahl sogar zwei von ihnen mehr über diesen "Neuen Morgen" heraus zu finden, was – im Nachhinein betrachtet – auf einer Ebene scheiterte, die grandioser nicht hätte sein können. Nach dem Freiherrn folgte ein weiterer Baron – Seine Hochwohlgeboren Baron Rural Hammerfall, seines Zeichens Vasall des Hauses Locksley und Verlobter mit Ihrer Hochwohlgeboren Baroness Livlana Locksley.

Aber wie sich heraus stellte, war das lediglich der Anfang. Es folgte eine Art Ruhe vor dem Sturm – ein Schweigen dieser Gruppe, so, als wären sie verwundert über ihren eigenen Erfolg. Aber wie das Sprichwort schon aussagte, es war die Ruhe vor dem eigentlichen Sturm. Trotz aller Vorkommnisse fühlten sich viele des Adels immer noch gut beschützt durch die Ministerialwache und die Seraphen. Man sah die beiden Opfer wohl als Unglücksraben an – am falschen Ort zur falschen Zeit. Nichts, was man hätte verhindern können. Wie sicher zeigte auch die Gesellschaft der Gallanis'. Neben Birkholz und mir waren noch drei weitere Gardisten des Hauses Starfall anwesend sowie eine Ministerialwache. Das unbestimmte Gefühl eines heraufziehendes Gewitters, welches mich bereits den gesamten Abend verfolgte, vereinnahmte auch Birkholz. Und wir sollten Recht behalten. Es war reines Glück, dass sich Ihre Gnaden, Seine Hochgeboren und Sir Thul außerhalb des Hauses aufhielten, als der Angriff geschah. So konnten wir sie schnell und effizient in Sicherheit bringen. Nun, bis auf Sir Aiven Thul. Er seilte sich ab, um mit Ser..

Es ist nicht an mir über ihn zu urteilen, was auch immer er getan hat. Ich bin weder in der Position, noch im Recht ein Urteil über einen Ritter Ihrer Gnaden zu sprechen, erst recht, da er der Verlobte ist. Am Ende befanden sich alle sicher in der Rurikhalle, was eine Überraschung an und für sich war, denn in den folgenden Tagen wurden immer wieder Frauen und Männer von blauem Blut entführt, ermordert und zur Schau gestellt. Ich kann den Sechs nicht genug danken für die fähigen Männer und Frauen unter meinem Befehl, für das Rudel, das ich leiten darf. Ohne sie wäre ich meiner Aufgabe nicht einmal im Ansatz nachgekommen. So aber, mit diesen loyalen sowie fähigen Männern und Frauen überstanden wir diese Krise Götterfels' ohne einen weiteren Verlust zu beklagen. Wir hatten unsere Aufgabe deutlich erfüllt und auch wenn ich es nie ausgesprochen habe, so bin ich dennoch stolz auf sie.

Dennoch hat der "Neue Morgen" etwas in Gang gesetzt, dass so schnell nicht zum Stillstand kommen wird. Ich bezweifle, dass es bewusst in den Geist der Menschen treten wird, sind wir doch Meister im Verdrängen und Ignorieren des Offensichtlichen. Mir wurde es deutlich gemacht, als Ihre Gnaden mich darum bat, Ihr das Kämpfen mit einer Waffe beizubringen – einer filigranen Waffe, die zu ihr passt. Ich entschied mich für den Rapier, eine präzise und filigrane Waffe. Darüber hinaus sehr leicht, mit einer guten Reichweite. Mehr gedacht zum Ausweichen, als zum wirklichen Parieren. Darüber hinaus eignet sie sich ebenfalls als Zierrat. Eine äußerst geeignete Waffe für Ihre Gnaden, welche sie – so hoffe ich – nie einsetzen muss. Aber ich bin erstaunt wie präzise und vor allem lernwillig Ihre Gnaden ist, hat sie doch bereits in der zweiten Stunde gezeigt – mehr instinktiv – das sie weiß, was eine Finte und vor allem wann diese einzusetzen ist. Sollte sie weiterhin mit dieser Geschwindigkeit lernen, sehe ich mich bald an der Grenze meines Könnens, war der Rapier nie wirklich die erste Wahl bei meinen Übungsstunden. Vielleicht sollte ich mit Calliope üben, ihr den Kampf mit dem Kurzschwert lehren, während ich mir selbst versuche den Kampf mir dem Rapier näher zu bringen. Einen Versuch wäre es alle Mal Wert.

Calliope. Dein Bruder hat Entscheidungen getroffen, bei denen er sich sicher ist, dass sie Dir nicht gefallen werden. Dennoch -


Die Sechs mit Dir, Schwester.


"I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it."
Evelyn Beatrice Hall; The Friends of Voltaire (1906)


"Oh mein Gott, er schluckt ihn ja wieder runter!"
Kay beim ersten Mal. (2016)

Kommentare 2

  • Ich mag solche Einträge oder auch Rückblenden. Es ermöglicht mal einen Einblick, was früher so spannendes passiert ist, was man selbst noch nicht mitbekommen hat :)

  • Anm. d. R. - Das ist ein veralteter Eintrag, den ich noch gefunden hab. Neue folgen selbstverständlich. ;)