Tagebuch eines Söldners - Buch XII, 51. Eintrag

Ein warmer, kräftiger Luftzug ließ den Stoff am Zelteingang zur Seite flattern und gab somit die Sicht auf das Lager frei, auf das geschäftige Treiben, die Soldaten, Ärzte und Priester sowie gelegentlich auch auf einen Toten, der davon getragen wurde. All das wurde ertränkt in den Geräuschen des Kanonendonners, die Schreie der Kämpfenden sowie der Verwundeten und das leichte summen der Luftschiffe. Aber der Söldner befand sich nicht in dem Treiben, draußen vor dem Zelt, unter der brennenden Sonne, sondern er war im Zelt, am einzigen Tisch, tief über ein ledergebundenes Buch gebeugt.


Wir schreiben den 29. Tag im Jahre 1328 NE, Zeit des Phönix und dies ist mein 51. Eintrag in diesem Buch. Sieben Tage ist es nun her, dass wir von Shaemoor marschiert sind. Zwei Tage seit dem wir nun endlich im Lager der Standhaftigkeit sind. Es war ein langer, beschwerlicher Marsch, den wir zu einem Großteil unbeschadet überstanden haben.


Der Marsch bis zum Fort Salma sowie der Tag Rast vor Ort war ereignislos, wenn man von dem recht wechselhaften Wetter absah. Ich bin ganz froh darum, dass Myrtol nicht dabei ist, wäre der Beginn eines Feldzuges im Regen für ihn Grund genug gewesen daheim zu bleiben. 'Wenn der Himmel weint, dann ist das ein böses Omen.' - ein guter Mann, ein besserer Soldat aber abergläubisch, leider, um nicht zu sagen, dass er in allem ein böses Omen sieht. Nichts desto trotz würde ich ihn und auch die anderen mit all ihren Makeln nicht missen wollen, bei keinem meiner Feldzüge, wie ich bereits auf dem Marsch feststellen sollte. Aber dazu komme ich später.

Nebst den Seraphen waren rund zwanzig Freiwillige bei dem Feldzug nach Westen dabei und diese Zahl sollte sich auf gute hundert erhöhen nachdem wir den Ort Tonteich wieder verlassen hatten, denn dort trafen wir auf eine Gruppe der Abtei Durmand. Ebenso wie wir waren sie auf den Weg in die Silberwüste und schlossen sich unter der Führung unseres Kommandanten der Kolonne an. Der Grund weshalb sich diese Gruppe ebenso an die Front aufmachte, ist mir bis zum jetzigen Zeitpunkt schleierhaft, scheint es doch mehr zu sein als bloße Verstärkung. Zumal, wenn ich das richtig verstanden habe, die Abtei Durmand eher für ihre Entdecker, Forscher und andere höchst gebildete Themen bekannt ist. Nicht jedoch für ihre Kampfstärke und ihr strategisches sowie taktisches Wissen. Vielleicht jedoch sollte ich mich nicht so weit aus dem Fenster lehnen, immerhin führte die von der Seraphenkommandantur festgelegte Marschroute direkt an einem Fort vorbei, dass von den Zentauren gehalten wurde. Es ist mir schleierhaft weshalb sich nicht um eine alternative Route gekümmert worden ist oder aber die lokalen Kräfte insofern verstärkt worden sind, dass die Zentauren genug zu tun haben würden statt unsere Kolonne anzugreifen.


Nach dem Tag Rast am Fort Salma führte unser nächster Marschtag bereits in das Gebiet der Brisban-Wildnis, sodass wir nunmehr nur noch zwei Tage von unserem eigentlichen Ziel entfernt waren. Man hätte also meinen können, dass wir nicht nur zügig und nach Plan unterwegs waren, sondern auch ohne größere Zwischenfälle. Aber leider sollte sich dies mit dem besetzten Fort ändern. Ich weiß nicht, ob die Strategen hinter dieser Route dachten, die schiere Größe Truppe wäre Grund genug für die Zentauren davon abzusehen uns anzugreifen, was, wie jedem Veteranen klar sein sollte, ein Trugschluss ist. Sie griffen an und es ist ein verdammtes Wunder, dass wir dem Ansturm Stand gehalten haben, denn mein Schildbruder im Wall war niemand anderes als Albert von Weißenstein, Leutnant a.D. von Ebonfalke. Es war nicht einmal der Umstand, dass er kein Schild trug, würde seine Rüstung ihn doch zumindest vor einigen, wenigen Pfeilen schützen. Nein, es war der Umstand, dass dieser Jüngling, grün hinter den Ohren wie er nun einmal ist, der Meinung war Ruhm ernten zu müssen. Brüllend, sein Schwert mit beiden Händen schwingend brachte er nicht nur sich selbst in Gefahr, sondern auch unsere ganze Flanke. Wäre er gefallen, hätten sie ohne Weiteres einen schnellen Angriff in die Lücke starten können. Das Ausmaß eines solchen Angriffes hätte nicht nur sein und das Leben der gesamten Nachhut gekostet; Es hätte die gesamte Kolonne zerreißen können. Aber damit nicht genug, nein, denn das war lediglich das kleinere von zwei Übeln, die dieser angebliche Leutnant in dem Scharmützel begangen hat.


Die Zentauren waren nach wiederholten, abgewehrten Angriffen auf den Schildwall im Begriff sich zum Fort zurück fallen zu lassen. Aber genauso gut hätte dies auch eine List sein können, eine Finte, um unsere sich auflösende Formation schlicht nieder zu reiten. Hinzu kam, dass in demselben Augenblick in unserem Rücken einer ihrer Anführer auftauchte und unsere Ärztin angriff, wie auch immer er es schaffte durch die Seraphen zu brechen. Seine Hochgeboren, möge ihn Grenth holen, nahm das zum Anlass die Formation zu verlassen und meine linke Seite den noch immer vorhandenen Feinden preis zu geben, obwohl bereits die Truppe der Abtei den Befehl ihrer Kommandantin befolgte, um diesen Zentauren und seine wenigen Beschützer nieder zu machen. Diesen Befehl der Frau habe ich gehört. Flanagan, der neben mir kämpfte, hat ihn gehört. Selbst der Schütze hinter uns hat es – bei allen Göttern! - gehört! Wieso also nicht dieser verfluchte Weißenstein? Welche Geister haben ihn geritten, dass er um des Ruhmes Willen seine Waffenbrüder gefährdet?! Bei den Sechs, ich bitte euch, gewährt mir diese Weisheit, denn ich verstehe es nicht!


Wir nahmen unsere Gefallenen mit zum nächsten Lager, was sich schwierig gestaltete, denn wir haben ebenso eines der Lastentiere verloren. Und obwohl wir langsamer und verwundbarer waren als zuvor, kamen wir ohne weitere Zwischenfälle an unserem nächsten, geplanten Rastplatz an. Dort bewies sich zum zweiten Mal an diesem Tag, dass der Baron seinen Rang entweder dadurch erhalten hat, dass er von Stand war oder aber man wollte ihn schlicht ruhig stellen. Die Gefallenen waren noch nicht einmal mit Grenths Segen begraben, da zeigte dieser Mann mir zum zweiten Mal, dass er Stolz und Ruhm über die Maßen wertschätzt, bestand er doch vor einem Rekruten der Seraphen auf seinen Rang. Selbst, als ich daraufhin wies, dass er nicht mehr im Dienste Ebonfalkes stand, so pochte er nur noch deutlicher auf die Benutzung seines Ranges. Zugegeben, vielleicht war es meine Schuld, sprach ich ihn damit die ersten Tage an, in der Überzeugung einen wahren Offizier Ebonfalkes vor mir zu haben. Ich hätte mich offenbar nicht mehr täuschen können. Ich danke daher den Göttern, dass nach meinem Gespräch mit Seiner Hochwürden Dronon, der Feldwebel Ahlefeldt mich zum Kommandanten der Nachhut ernannt hat. Es war zwar nicht meine Absicht, dass ich die Nachhut befehlige aber ein Kommandeur war so oder so notwendig gewesen. Und das sollte sich bereits am nächsten Marschtag beweisen, wurden wir von einem riesigen Wurm angegriffen.


Ich gebe zu, ich habe eine solche Kreatur noch nie gesehen. Es heißt, es gäbe sie auch in anderer Ausführung im Königinnental, doch das wage ich zu bezweifeln. So oder so war der Kampf ein ungleicher, hatte dieses Monstrum doch nur verloren, weil wir Magier auf unserer Seite hatten. Ohne Magie wäre dieser Kampf deutlich verlustreicher für uns ausgegangen, wenn nicht sogar vernichtend. Aber zu unserem Glück hatten wir Magie und zu unserem Glück ging dieser Kampf glimpflich aus, wenn man davon absieht, dass dieser Norn, Feldwebel Ahlefeldt und Priester Dronon angespuckt worden sind. Kurz sah es sogar so aus, als würde Seine Hochwürden unter der Spucke des Wurmes niedergehen bevor er allen bewies, dass er den Segen Balthasars' wirklich hat. Mit einem Schrei, der eigentlich von keinem Menschen stammen konnte, umgab ihn kurzzeitig ein Feuer, dass den haftenden Schleim schlicht verbrannte. Es war beeindruckend, um nicht zu sagen ein weiterer Beweis, dass die Götter zwar nicht mehr unter uns wandeln aber dennoch am Leben sind. Das Monster wurde aber zu guter Letzt von der Magierin zu Fall gebracht, die ein Feuerelementar beschworen hat, um die Tat zu vollbringen. Eine beeindruckende Tat; Selbst wenn die Frau Magie dafür benötigte, schmälert es den Triumph dennoch nicht.


Der weitere Marsch verlief dann jedoch ohne Zwischenfälle und so kamen wir dann im Fort Vandale an. Man konnte den Männern und Frauen vor Ort deutlich ansehen, dass sie nicht nur den Nachschub, den wir brachten, bitter benötigten, sondern auch moralische Unterstützung in Form von einer Verstärkung. Von ihrer Ausrüstung ganz zu schweigen, war diese doch mehr ein Flickenteppich, als alles andere. Das Lager Standhaftigkeit, als wir es betraten, sah nicht besser aus. Offenbar gab es nicht lange vor unserer Ankunft dort einen Angriff der feindlichen Kräfte, die die Feste schwer getroffen haben musste. Trotz alle dem wurde an der Wehr des Lagers immer noch gekämpft, geschossen, getötet und gestorben. Mir war nicht bewusst, dass wir an diesem Ort belagert werden, denn nichts anderes war es; Eine Belagerung. Das ist ungewohnt, selbst für mich, waren Belagerungen im Hinterland eher eine Seltenheit. Immerhin war die große Stärke der Zentauren ihre Mobilität, nicht lange, andauernde Kämpfe um eine Feste. Es wird eine neue Erfahrung sein, ebenso wie das unebene Gelände und diese unerträgliche Hitze. Ich sollte mich bei Zeiten auf dem Übungsplatz einfinden, um mich zumindest an das hier herrschende Wetter zu gewöhnen.


Es ist spät, die Erkundung mit der Späherin durchaus anstrengend aber lehrreich, wie auch ihr Wissen um die Gegner, die uns hier erwarten. Nichts desto trotz kommt der Morgen in diesen Landen früh und unbarmherzig, ist die Hitze in diesem Zelt am Tag nicht zu vergleichen mit der draußen. Daher sollte ich die wenigen Stunden Schlaf in der Kühle genießen und nutzen.


Die Sechs mit Dir, Calliope, und mit Deinem Sohn.


"I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it."
Evelyn Beatrice Hall; The Friends of Voltaire (1906)


"Oh mein Gott, er schluckt ihn ja wieder runter!"
Kay beim ersten Mal. (2016)