Estelion’s Blog
„Man sollte dich ohrfeigen!“
„Ohrfeigen? Zusammenschlagen! Wo in aller Welt warst du?“
„Guten Morgen, Mama, was machst du hier? Adrian, ich freue mich auch, dich zu sehen. Ich merke, du hast es nicht für nötig gehalten, wieder nach Löwenstein zu gehen.“
„Helena, wo warst du? Weißt du, was hier los war?“
„Nein. Denn wie ihr richtig bemerkt habt, war ich nicht da.“ Helena musste sich eingestehen, dass sie sich eine andere Begrüßung erhofft hatte. Aber nun war es nicht zu ändern. Sie hatte mit…
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„Ja! Ja! Tiefer! Noch tiefer!....gut, nein, das war zu tief.“
Der junge Mann warf einen spöttischen Blick zu Boden und streckte dann seine Hand aus, um Helena aufzuhelfen. Er sagte tausend Dinge mit einem einzigen Blick.
Sie war froh, dass er keines davon tatsächlich aussprach.
„Ich kann mich nicht daran gewöhnen, dass du so klein bist“, sagte sie zu ihm. Ihr kurzer Mund hatte sich zusammengeschoben, zu einem Bild, das sie ganz unbeabsichtigt und nicht richtig bewusst abgab, und doch…
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„Warum sollte ich mich von kleingeistigen Visionen aufhalten lassen? Diese Idioten, mit ihrer unsäglichen Dummheit und ihrer Überzeugung von nichts und wieder nichts können mich nicht ausbremsen. Ich fahre einfach über die hinweg. Wie ein Wind. Dann sollen sie glotzen und sich ihre Frisuren richten, das Geschmeiß!“
„Helena!“ Adrian stand in der Küche, den Mund erstaunt geöffnet, und lachte. „Es hat doch niemand was gesagt!“
„Ich kümmere mich um die Angelegenheiten, Adrian. Ich bin da. Also…
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Das Jahr war müd, der Himmel schwer und rot auf dunklem Land,
als durch die schwarzen Hügel schritt ein weißer Fuß im Sand.
Und wehend flog das Rabenhaar und die Gefahr war groß.
Ein dunkles und ein goldnes Kind in hoher Berge Schoß.
Und Wendelmar der Jähe war's, der sie im Schatten fand
Sein Feueraug war grün entflammt, verfangen tief im Dämmerkranz.
Balgundas Schein ward er gewahr und ihrer Stimme Lichtertanz.
Und alter Ruhm stieg in ihm auf bei ihrer Worte Melodie.
Und schlummernde…
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Helena Iorga drehte den Schrieb der Ministerin Averon in den Händen. Sie lehnte sich weit gegen die Lehne ihre Stuhls, streckte die Arme über die eigene Nase hinaus und hob das Kinn, soweit sie konnte, den Händen hinterher. Dann zog sie den Brief, und sie hielt ihn dabei verkehrt herum, bis dicht an die Augen und las ihn noch einmal über Kopf.
„Warum haben die mich immer noch nicht rausgeworfen?“, fragte sie ins leere Wohnzimmer.
Es war kein Leben zugegen, das ihr antworten konnte, trotzdem…
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„Es ist nicht so wie es ausgehen hat!“
„Geh mir aus den Augen!“
„Du verstehst das alles völlig falsch!“
„Bist du taub? Du sollst verschwinden!“
Manch guter Beobachter soll in der Lage sein, die nächste Handlung seines Gegenübers aus den Augen ablesen zu können.
Helena Iorga war ein empfindsam aussehendes Mädchen von zwölf Jahren mit milchfarbenen Locken und verschlüsseltem, hellblauäugigem Blick. Und dieser Blick gab keinen Aufschluss darüber, was sie tat.
Es war Glück, dass der junge Mann…
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Auf dem Tisch lagen, zwischen Kelchen und Bronzeplatten mit Trauben und Apfelschnitzen, hundert Jahre Familiengeschichte ausgebreitet. Ligia Iorga, umringt von zweien ihrer Kinder und dem über einige Ecken verwandten Nikolaj, deutete, das Lachen der Rührung im Gesicht tragend, auf ein Bild, das die kleine Helena zeigte. Etwa sechsjährig und feingebaut wie ein Schneeglöckchen stand sie auf der untersten Stufe eines Hausaufganges, die Hände in ein strenges Kleid eingegraben, mit einem…
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„Helena! So eine freudige Überraschung. Was führt dich hierher?“
„Adrian.“ Ihr Cousin empfing sie mit den ausgestreckten Armen eines Gönners. Sie hatte diese Geste oft bei ihrem eigenen Bruder gesehen, bei Adrian hingegen war sie ungewöhnlich. Sein Lächeln war wie Zunder, leicht entflammt, locker, aber es war auch wie ein Messerblatt, schnitt sich durch Widerstände als wären sie buttrig. War es diese Art von Lächeln, die ihn bei den Frauen beliebt machte? Vielleicht hatte er in…
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„Wollen wir einen Spaziergang machen? Komm mit. Ich zeig dir die Stadt. Was sich verändert hat weiß ich selbst nicht so genau. Ich erzähl es dir einfach so, wie ich mich erinnere.
Das Haus dort rechts ist das alte Heilhaus. Da hat sich früher Elene Winzer um die Kranken und Verletzten gekümmert, mit ihrer blauweißen Schürze. Später hatte Betty Rawson ihren Geldverleih da oben. Sie saß oft mit einem Glas Wein auf dem Balkon. Und Lucas wollte dort als Arzt arbeiten. Wir haben in dem Haus…
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Die Stumpfsinnigkeit der Tage erdrückte einem den Kopf.
Helena erinnerte sich noch daran, wie sie Als Umarmung erwidert hatte. Da hatte sie noch geglaubt, sie würde ihn verlassen.
„Ich hab mir wieder mal den Plan gemacht, die Stadt zu verlassen. Schon wieder steh ich hier wie gelähmt. Aber ich hab nichts mehr. Der Laden ist verkauft. Ich hab es schon ein paar Leuten erzählt.“
Der Gedanke schlug ihr wieder in den Magen. Sie hatte es schon ein paar Leuten erzählt…
Mit tauben Händen räumte sie die…
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