Verfluchte Helden

Das Gefühl, sich übergeben zu müssen, kam plötzlich und mit voller Wucht.
Einen Moment lang hielt die junge Frau inne, schloss die Augen, atmete durch und versuchte, die Übelkeit zurück zu drängen.
Einen Moment... ganz ruhig. Gib mir nur einen Moment...


Als sie abermals auf die ekelhaft gerissene Oberschenkelwunde sah kam auch das Elendsgefühl zurück, und sie brauchte noch einmal einige Atemzüge, bevor sie endlich mit ihrem Werk beginnen konnte - Die schlanken Finger immerhin zitterten nicht, als sie den ersten Stich setzte.
Der Mann, der sich nur wenige Momente zuvor dickköpfig geweigert hatte sich behandeln zu lassen, gab einen erstickten Schmerzenslaut von sich und wurde blass.
Noch ein Stich. Das war erst der Anfang.
Sie zog das von ihr malträtierte, gesunde Fleisch über der Wunde zusammen, um ein Stück davon zu verschließen. Der Mann schrie auf.
Einen Moment... ganz ruhig. Gib mir nur einen Moment...


Sie wusste, das es grausam war, ihn mit einer solchen Wunde ohne jegliche Betäubung zu behandeln. Vielleicht war es noch grausamer, das sie so getan hatte als könne er gleich wieder auf sein Pferd steigen und sie weiterhin begleiten, wenn sie nur erst seine Wunde versorgt hatte – Und das, obwohl ein einziger Blick aus den dunkelbraunen Augen genügt hatte um zu wissen, das die Reise für ihn hier beendet sein würde.


Das allerdings, befand sie, war seine eigene Schuld. „Wer nicht hören will muss fühlen“ hieß es schließlich, und da er ihre eindringlichen Worte wie die einer elenden Bettlerin verlacht und weggewischt hatte blieb ihr jetzt keine andere Wahl, als dafür zu sorgen, das er selbst die richtige Antwort für sich fand. Ein Blick in das schweißnasse, bleich gewordene Gesicht verriet ihr, das er kurz davor stand.
Noch ein Stich. Sie standen erst am Anfang.
Einen Moment... ganz ruhig. Nur noch ein Moment...


„Gebt mir verdammt noch mal was gegen die Schmerzen!“ schrie er auf. „Ich bleibe hier!“


Verfluchte Helden.

Kommentare 8