Das Spiel im Schatten

Das Spiel im Schatten


Leise knirschte der Sand unter ihren Stiefeln, als sie sich auf den Weg aus Löwenstein heraus machte. Auch wenn sie einiges an Proviant dabei hatte, ihre Pistolen offen am pechschwarzen Leder ihres Mantels trug, so fügte sie sich doch erstaunlich gut in das Treiben der Hafen-Metropole ein auf ihrem Weg. Sie verschmolz förmlich mit der einsetzenden Dämmerung an diesem Tag, während ihre Schritte sie immer weiter in Richtung der Gendarran-Felder trugen. Aber in ihren Gedanken war sie schon längst im Harathi-Hinterland und auf dem Einsatz, den Kuraiko vertrauensvoll in ihre Hände gelegt hatte. Die spärlichen Informationen, die sie dem Brief des Magisters entnehmen konnte, verhießen nichts gutes. Trotzdem mussten sie sich beide sicher sein, dass hier kein falsches Spiel mit ihnen getrieben wurde. Und genau das sollte Alexa herausfinden, die fehlenden Puzzlestücke zusammenfügen und ein Gesamtbild abliefern – zusammen mit Magister Sooc, dessen Wohlergehen - neben der Observation seines Einsatzes - das Primärziel ihrer Reise war. So trat sie durch das Nordtor der Stadt und setzte unbehelligt ihren Weg fort.


Die Stunden vergingen in denen sie ohne Pause marschierte, der nächste Tag brach an, und schließlich beendete sie die erste Etappe. Auf einer Erhebung neben dem Seraphen-Lager des Wynchona-Sammelpunktes hatte sie versteckt ihr Lager aufgeschlagen, sich etwas ausgeruht, ehe sie auf der Lauer lag und abwartete. Und dann kamen sie – eine bunt gemischte Truppe aus Menschen, und mittendrin ein einziger Asura, so dass sie die logische Schlussfolgerung anstellte, dass er der Magister sein musste. Aus ihrem Versteck heraus konnte sie nicht alles sehen oder hören, aber ein paar der Gestalten erkannte sie, zumindest flüchtig. Gesichtszüge, die sie auf ihren Streifzügen in Götterfels schon erblicken konnte. Der Gossenheiler, der in gewissen Kreisen der Stadt so etwas wie eine kleine Berühmtheit war. Zwei, die offensichtlich dem Grenth-Klerus dienten. Dem gegenüber standen aber auch viele unbekannte, sowohl Gerüstete als auch offensichtliche Magier und andere, die sie nach der ersten Beobachtung nicht zuordnen konnte. Ein paar der Seraphen schlossen sich dem Trupp auch noch an. Alles in allem konnte sie davon ausgehen, dass die Truppe rein von der Schlagfertigkeit her kaum Probleme bekommen sollte. Doch wusste sie nicht um die Fähigkeiten der Mitstreiter des Magisters. Noch nicht.


So blieb ihr erst einmal nichts weiter übrig, als der Lagebesprechung aus ihrem Versteck heraus zu folgen. Die Durchführung einer Unternehmung ist nur so gut, wie die Überlegungen, die man vorher dafür anstellt. Der Kontext der Situation entscheidet über bestimmte Vorgehensweisen, und ob sie zu Erfolg oder Misserfolg führen. Stille Gedanken, die ihr durch den Kopf gingen, während die Truppe sich beriet, debattierte – und letzten Endes doch nur einen groben Schlachtplan aufstellte, mit dem sie ins Feld ziehen wollten. So war es auch für Alexa Zeit, sich an ihre Fersen zu heften. Immer mit Abstand, immer von einem Versteck zum nächsten, dass die Natur und die Umgebung ihr boten. Noch war es hell, noch konnte sie die Schatten nicht zu ihrem Vorteil nutzen. Aber dies war am Zielort auch nicht mehr von Nöten, wie sich schnell herausstellte, beschwor der Magister doch einen Nebel herauf, der sowohl sie und die Truppe um den Magister einhüllte, als auch die Gegner – Banditen, die sich an besagter Höhle niedergelassen hatten und gemeinsame Sache mit der Inquestur machten. Nun begann der erste Teil des Kampfes, bei dem sie dazu verdammt war, sich im Hintergrund zu halten. Meter für Meter arbeitete sich die Truppe um Magister Sooc durch den Nebel, genau so blind wie die Gegner oder sie selbst. Das einzige Instrument ihrer Sinne, auf dass sie sich in diesem Falle noch verlassen konnte, war ihr Gehör. Und so schlich sie hinterher, als das Knallen der Büchsen auf sich warten lies. Der felsige Untergrund der Anhöhe bot ihr mit seinen verstreuten Steinbrocken gute Deckung, während die anderen über die offene Fläche liefen. So fand die erste und einzige Salve der Banditen auch Ziele, doch hatten sie wohl mehr Glück als Verstand und es gab keine Schwerverletzten oder Tote. Einer der Inquesturler – offensichtlich ihr Anführer – steuerte noch ein paar Obszönitäten bei, während man weiter vorrückte, doch dann wurde es still. Zu still, befand der Magister und lüftete den Nebel wieder. Aber inzwischen hatte Alexa einen weiteren Verbündeten gefunden – die Nacht war hereingebrochen, und mit ihr die schützende Dunkelheit, mit der sie Kraft ihrer Magie eins wurde.


So näherte man sich dem Lager vor der Höhle und damit dem vermeintlichen Inquesturstützpunkt an. Die Banditen waren feige und hatten den Hinterausgang genommen – leider zu Ungunsten einer Seraph-Patroullie in der Nähe, die in einem kurzen, lauten Feuergefecht den Kürzeren zog. Doch wurde auch den Abenteurern um Magister Sooc keine Verschnaufpause gegönnt, denn nur kurz nachdem man den Höhleneingang gesichert hatte, konnten sie eine Explosion aus der Höhle hören, der irres Geschrei vom Anführer der Inquestur-Operation vorausging. Alle waren in höchster Alarmbereitschaft, auch Alexa. Ich muss mir im Klaren sein, wenn ich eingreife, ist die Deckung dahin.Wieder gefasste Gedanken, ruhig geplantes Vorgehen und der Entschluss, erst einmal weiterhin in den Schatten zu operieren. Sie kam näher, während ein Teil der Truppe den Vorstoß in die Höhle wagte. Anschließen wollte sie sich – aber was dann geschah, damit hatte sie nicht einmal in ihren kühnsten Vorstellungen gerechnet. Ab diesem Punkt begann die wahre Schlacht – zwischen ihr und zwei Begleitern des Magisters.


An die Höhle heranzukommen, im Schutz der Nacht und der Felsen, war noch einfach. Sie arbeitete sich im Schatten voran, nutzte Nischen im Gestein, um darin zu verschwinden. Immer näher kam sie dem Eingang. Doch viel schwieriger sollte sich der Versuch, hineinzukommen, gestalten. Aus ihrer letzten Deckung heraus beobachtete sie den Eingang – den eine junge Frau versperrte. Im fahlen Licht der Nacht konnte sie ihre Bewaffnung zunächst nicht ausmachen, aber durchaus den grimmigen, angespannten Blick. Wahrlich niemand, mit dem man in der Hitze des Gefechts ein Gespräch führt, um zu erklären, dass man ebenfalls nur zum Helfen hier ist. Aus den Tiefen der Höhle dröhnte schon dumpf der Lärm eines weiteren Kampfes – davor knisterte die Anspannung in der Luft, war förmlich greifbar. Die Gruppe hat anscheinend Kampferfahrung und achtet auf Rückendeckung – Gut. Sie versperrt mir im Notfall den Weg und sorgt dafür, dass meine Tarnung fällt – schlecht. Ein zaghafter, vorsichtiger Blick aus ihrem Versteck – etwas weiter hinten war wohl noch jemand, mit dem die junge Dame am Eingang in Kontakt stand. Einer der Magier, wie sich später noch herausstellen sollte. Kurz nur die Beobachtung, dann ihre Feststellung – das Misstrauen ist da. Ein Gefühl, eine Ahnung auf deren Seite. Im Notfall muss ich sie ruhigstellen. So leid es mir tut.. Ihr Gedanke, der nicht zu Ende geführt wurde, legte sich ihr Blick doch wieder auf den ihres alarmierten Gegenübers – und der verhieß nichts Gutes. Wie ein Wolf, der die Witterung aufgenommen hatte und nun begann, der Spur zu folgen, sah die junge Frau direkt in ihre Richtung. Noch war Alexa in der Felsspalte, verborgen im Dunkel der Schatten, ja sie trat sogar wieder ein Stück zurück, tauchte noch tiefer hinab. Aber das junge Ding kam näher, maßte sich an, einen genaueren Blick zu riskieren – nur um dann doch wenige Meter vor dem Spalt stehen zu bleiben. Stattdessen folgte ein kurzer Fingerzeig, ein Wink in Richtung Höhle – ehe die Frau sich wieder zurückzog und aus Alexas Blickfeld verschwand. An ihre Position trat stattdessen der Magier, auch er näherte sich an – doch im Gegensatz zu der Frau zögerte er nicht lange und zog eine Pistole vom Gürtel. Sie sah es sehr wohl aus ihrem Versteck heraus, dennoch fühlten sich die nächsten Sekunden an wie Stunden. Die Waffe auf sie Gerichtet, ein Schuss, der sich löst. Der Zauber, den sie wirkt, um mit den Schatten zu verschmelzen, unsichtbar zu werden auf dieser Ebene der Existenz, nur für den Hauch eines Atemzuges, genug Zeit, um sich aus der Affäre zu ziehen. Genug Zeit, um sich zurückfallen zu lassen, in eine weitere Spalte ein Stück zurück. Und dann – Streifschuss. Das Projektil, das hinter ihr wie Glas in tausend Scherben zerspringt, violette Scherben, die sich nur einen Augenblick später gar ganz auflösen. Keine Wunde. Kein Blut. Das war kein normales Proj-… Wieder ein angefangener Gedanke, während sie sich erst einmal in ihre Deckung zurückzieht. Dann – Trugbilder. Gestalten, die vor ihrem Versteck stehen, wild gestikulieren und auf sie zeigen. Sie verraten. Schemenhaft, geisterhaft. Die fremde Frau, der Magier der abermals mit seiner Pistole auf sie zielt. Das Gefühl von Schwindel, dass sich einstellt. Es sind.. Illusionen Alexa. Es ist nicht real. Der Schuss war ebenso eine Täuschung. Du bist stärker als das. Kämpfe dagegen an! Worte die sie sich in ihren Gedanken selbst zuspricht, dann die Erinnerung an das Gespräch, bevor sie loszog. Fühlst du dich dem gewachsen, Alexa? Ich möchte nicht, dass du unnötige Risiken eingehst – Ich werde dich nicht enttäuschen. Ich werde wohlbehalten zurückkehren und den Auftrag erfüllen. Langsam wird der Blick wieder klarer, ordnet der Verstand die wirren Bilder und Eindrücke. Doch fürs Erste verblieb sie, wo sie war, zumal etwas vom Höhleneingang her in ihre Richtung kullerte. Eine Granate? Nein. Ein magisches Licht, dass den Eingangsbereich ausleuchtete. Ausgebracht von der Fremden, die jetzt wieder die Stellung hielt. Wo Schatten ist, ist auch immer Licht. Aber in diesem Fall würde ich gerne darauf verzichten. Sie scheint von meinem Schlag zu sein, das junge Ding. Anerkennung? Womöglich. Vielleicht sollte man sie aufsuchen, wenn das alles hier vorbei war. Vielleicht sollte man darüber nachdenken, sie in ihre Reihen zu holen. Vielleicht sollte man es ihr zumindest erklären. Doch jetzt war nicht der Zeitpunkt dafür. Sie verharrte in ihrem Versteck, während das Kampfgetümmel in der Höhle seinen Höhepunkt zu erreichen schien. Sie verharrte, während Schüsse fielen, und Dinge explodierten. Verharren und lauern – ein auf geistiger Ebene zermürbender Vorgang. Das Überleben des Magisters hatte oberste Priorität, sagte sie sich immer wieder, doch im Moment lag es nicht an ihr. Und dann… abermals Stille. Sowohl draußen vor der Höhle, als auch drinnen. Ein kurzer Ruf, ein Wink – und ihr wachsames Gegenüber gab ihre Position auf und zog sich ebenfalls in die Höhle zurück. War es vorbei? Es schien so. Erst hielt sie noch ein paar Momente inne, dann trat sie aus ihrer Deckung, blickte in die Höhle. Sie hörte die Stimmen der Menschen. Sie hörte den Magister. Sie hatten es überlebt – und der Erfolg war auf ihrer Seite gewesen. Den Sechsen sei dank. Es ist vorbei. Ich sollte trotzdem in der Nähe bleiben.Unausgesprochen die Worte, ehe sie abermals ihre Schattenmagie wirken lies und sich dann in die Nacht zurückzog und zu ihrem Lager zurückkehrte. Sie traf Vorbereitungen, und das zurecht, wie sich später noch herausstellte. Doch für den Moment hatte sie das Spiel in den Schatten gewonnen – oder?


Gewidmet Lynn, Alesha und allen anderen, die am Sooc-Plot beteiligt waren.

Kommentare 9

  • Für mehr psychedelische Trips in kämpfen¡

  • Ich hab es gerade erst gelesen. Davon, dass es mehr als ein mentaler kleiner Streifschuss war wusste ich gar nichts! Frech, diese Mesmer!


    Aber wunderschön eingefangen, die Situation. Enemy at the gates im wahrsten Sinne des Wortes, auch wenn wir natürlich nicht ahnen konnten, dass du eigentlich kein Feind warst.


    Danke für das schöne Zwischenspiel.
    Danke für diese Geschichte.
    Und danke für deine Widmung.


    Denk dran, man 'sieht' sich immer zweimal!

    • Danke dir :) Und nachdem es in der Situation selbst nicht so rauskam, dachte ich, ich pack das einfach noch mit rein - kleine Überraschung für Alesha :D Und ja, man sieht sich immer zweimal, ich freu mich drauf^^

  • Yee, Super Time Hacker schreibt jetzt auch Geschichten \o/ Top geschrieben, bitte weitermachen!

  • Eine wundervoll geschriebene Erläuterung der Perspektive des ominösen "Gastes", welche dem Abend eine ganz besondere Facette hinzufügt! Habe es mit immenser Freude gelesen :)