Spoiler anzeigen
Gewalt
Spoiler anzeigen
Der Blondschopf lugte vorsichtig hinter einem Baum hervor. Er kam oft hierher, denn häufig gab es hier etwas zu essen. Man musste nur die Zeit gut abpassen, denn es war nicht gern gesehen was er hier regelmäßig tat. Die Menschen beteten hier am Melandruschrein und ließen gern Lebensmittel hier, um ihren Bitten Nachdruck zu verleihen. Heute Nacht jedoch spielte sich eine Szene vor seinen Augen ab, die er nicht erwartet hatte.
Ein großer Kerl schlich im Schutz der Dunkelheit an den Schrein. Finn wusste nicht genau warum, aber er hielt es für besser in seinem Versteck zu bleiben. Der Mann trug etwas. Da er es sehr behutsam und vorsichtig an einem der Bäume ablegte, schien es ihm sehr wichtig. Der Junge beobachtete, wie sich der Kerl kurz über das abgelegte Bündel beugte und leise etwas sprach. Er schloss mit einem Schluchzen, sah sich etwas hektisch um und verschwand wieder in die Richtung aus der er gekommen war. Finn wartete noch einen Augenblick, ehe er sich zum abgelegten Bündel schlich. Da lag ein dunkelgelocktes Mädchen. Der Junge stand unschlüssig da, stupste das Kind mit der Schuhspitze an. Sollte er einfach wieder gehen? Er trat ein wenig näher, sah sich noch einmal um und dann hockte er sich vor das schlafende Kindchen vor ihm. Noch einmal wurde das kleine, dünne Ding angeschubst, dann wartete er einfach ab. Und nicht lange später blinzelte ihn ein ängstliches, blasses Mädchen an, welches nicht einmal wusste, welchen Namen es trug.
Das war jetzt fast ein Jahr her. Finn kickte einen Stein vor sich her und hatte die Hände in die ausgebeulten Hosentaschen gestopft. Es war gut mit der Kleinen, er war nicht mehr allein und seit sie da war fiel es ihm leichter etwas zu essen zu erbetteln. Weil sie niedlich war. Weil sie mit ihren großen blauen Kulleraugen, ihren dunklen wirren Locken und den dünnen Ärmchen genau die richtige Mischung aus süß und Mitleid erregend hatte. Er hatte die Kleine echt ins Herz geschlossen und während er seinen Gedanken nachhing, bemerkte er gar nicht, das er nicht mehr allein durch die dunklen Gassen stromerte. Er hatte ihr geboten, im Unterschlupf zu bleiben und auf ihn zu warten und er wusste sie würde auf ihn hören. Das tat sie immer. Er konnte nicht abstreiten, das er ihre Bewunderung genoss. Für sie war er der große Bruder, Derjenige der alles wusste. Finn grinste breit und seine Zahnlücke kam zum Vorschein. Dann nahm er ein Geräusch wahr, hob den Kopf und sah sich in der Falle. Da standen sie, die vor denen er das Mädel immer warnte und nun hatte er den Fehler selbst begangen und war in ihr Revier gelaufen.
Er fluchte und hob beschwichtigend die Hände. „Hee. War keine Absicht, wa?! Nix für ungut, wa?“ Eine Antwort bekam er nicht, nur feindselige Blicke. „Ich schwör’ ich hab nich’ aufgepasst. Will kein’ Ärger. Ich hau wieder ab und gut, wa?“ Dann rannte er. Er rannte so schnell er konnte, aber seine Verfolger waren immer dicht hinter ihm. Keinen Ton gaben sie von sich und scheinbar kamen sie auch prima mit ihrer Puste hin. Im Gegensatz zu Finn. Es brannte in seiner Lunge, das Herz hämmerte in seiner Brust und er hatte das Gefühl, es wollte hinausspringen. Sie holten auf und die Angst ließ den Blondschopf etwas an Tempo zulegen, doch lange konnte er nicht mehr durchhalten. Musste er auch nicht, denn mit einem Mal stand er vor einem Zaun. Mit letzter Kraft sprang er an diesem hinauf und wollte sich über das Hindernis ziehen, als er eine Hand an seinem Knöchel spürte. Verzweifelt versuchte Finn sich am Zaun fest zu klammern und sich dem Griff zu entziehen, doch der kam einem Schraubstock gleich und die Kraft in seinen Fingern verließ den dreizehn Jahre alten Burschen. Unsanft landete er auf dem Rücken, so das ihm die Luft wegblieb und ihm schwarz vor Augen wurde. Das letzte was Finns wasserblaue Augen sahen, war der Knüppel der auf sein Gesicht niedersauste, sein letzter Gedanke galt dem kleinen Mädchen in seinem Unterschlupf das er Arlassia getauft hatte.
Kommentare 4