Spoilergrund
Mal nur zur Sicherheit im Spoiler. Bisschen derber Inhalt/sprache vielleicht.
Geschichte
Borislav Iorga war ein Mann mit vielen Talenten. Man sagte ihm nicht nur ein außerordentliches Geschick im Umgang mit der Feder nach, sondern auch einen tadellosen Charakter, ein reines, gutes Wesen, einen brillanten Verstand und überdies die Fähigkeit mit einem Pfeil, sowie einem Bolzen ausnahmslos und wirklich immer mitten ins schwarze zu treffen.
Borislav Rupert Iorga war ein Mann, der mitten in der Blüte seines Lebens stand. Ein Mann, dem die Welt zu Füßen lag. Ein Sohn aus reichem, gutem Elternhause mit einer Ausbildung, nach der sich manch einer die Finger lecken würde und einer Schwester, die so über die Maßen schön war, dass es von Zeit zu Zeit schmerzte sich mit ihr im gleichen Raum zu befinden.
Borislav Rupert Valentino Iorga war ein Mann, der das gute und charakteristische Aussehen seiner Familie geerbt hatte. Blondes, volles Haar, klare wohl definierte Augen, die der Welt mit einem stolzen, selbstbewussten Blick begegneten. Gerade, helle Zähne, deren Farbe im Vergleich zu jener anderer fast schon überirdisch rein schien. Ein voller Satz Gliedmaße und um das Bild perfekt zu machen verfügte er auch noch über eine mehr als nur patente Verfassung. Seine Konstitution war so makellos wie sein Charakter.
Borislav Rupert Valentino Emiliantes Iorga war ein Mann, der bis zu seinem Haaransatz in der Scheiße steckte und sich einmal mehr in seinem Leben wünschte, dass seine Körpergröße auch nur im Ansatz an die Länge seines Namens heran reichte. Ein Mann, dessen Gesichtsfarbe langsam aber sicher in ernsthafte Konkurrenz mit dem leuchtend roten Hautlappen eines Truthahns trat, während er kopfüber von der Decke einer alten Seilerei baumelte und die Eisenfesseln unschöne Kerben in seine Fußgelenke schnitten.
Boris Iorga war ein abgehalfterter Zwerg, dem man nicht einmal mehr das Hemd am Leibe gelassen hatte und der sich jetzt in der Verlegenheit befand seinen wirklich nicht sehr ausgeprägten Schwanz der anwesenden Allgemeinheit zu präsentieren. Einer Allgemeinheit, die sich nicht lumpen ließ den sich ihr bietenden Anblick mit lauten Rufen und schrillem Gegröle zu unterlegen. Isaac Stalhand, der auf einer Whiskykiste im Zentrum seiner Leute stand, johlte am lautesten.
Eigentlich wunderte sich niemand über den Punkt, an dem sie sich alle jetzt befanden. Es war abzusehen gewesen, dass es so enden würde. So oder aber in einem riesigen Feuerball, der ganz Ascalon verschlang. Dieses hier war schon von Anbeginn an das deutlich wahrscheinlichere Szenario gewesen, auch wenn Boris es sich bis zuletzt nicht hatte eingestehen wollen. Jetzt blieb ihm nichts anderes mehr übrig, denn die Tatsachen und Fakten waren so eindeutig, dass nicht einmal mehr ein Schwätzer wir Emiliantes Iorga sich vor der von ihnen gezeigten Wahrheit noch verschließen konnte. Seltsamer Weise dachte er in diesem Moment nicht an das Ende seines recht aufwühlenden Lebens, sondern nur an den Geruch des Felles seines Katers, den er sicher in einem Bett im weit entfernten Götterfels wusste. Sofern die Gans ihn mit ihrem dicken Hintern noch nicht erstickt hatte. Dass sich diesem Gedanken anschließenden Grinsen wurde von der jubelnden Schar an stumpfsinnigen Vollpfosten gekonnt übersehen. Der dicke Batzen Speichel, der vermischt mit Blut und Rotz in Isaacs Gesicht knallte dagegen war nur schwerlich zu ignorieren. Stahlhands Antwort darauf folgte auf dem Fuße.
Schnaubend und prustend ratterte Valentino an den rasselnden Eisenketten wieder in die Höhe. Die kalte Schweinepisse brannte nicht nur in seinen Augen, sondern auch in Mund und Nase und wenigstens in letzterer war noch ein nicht zu unterschätzender Schwung aus dem jüngst genossenen Bad übrig geblieben. Sich wild am Haken windend wurde er in los. Es hatte wohl ein bisschen etwas von einem Aal, einem sehr kurzen Aal, der an einen besonders sadistischen Angler geraten war. Man beendete sein Leben nicht mit dem gezielten Knüppelschlag auf den Kopf, sondern ließ ihn langsam aber sicher an der Schnur verrecken. Verrecken...Er hatte etwas besseres verdient. Dieser Auffassung jedenfalls war Borislav, der dem lachenden Mob die Zunge heraus streckte und mindestens so albern dabei gackerte wie sein Vetter Banel. Im Gegensatz zu dem deutlich jüngeren Verwandten, begründete sich bei ihm dieses Verhalten allerdings auf dem tatsächlichen Wahnsinn, den diese schier aussichtslose Situation von ihm einforderte. Borislav Rupert Valentino Emiliantes Iorga war nämlich nicht nur ein Zwerg, der sich ständig und sehr direkt in irgendwelchen Ärger hinein manövrierte, nein, er war auch noch ein Feigling. Ein ziemlich großer Feigling, der niemals gelernt hatte, dass sich körperliches Unvermögen und eine große Klappe in neun von zehn Fällen nicht besonders gut verstanden.
Im Grunde, er war sich trotz all der Panik und der Wirrheit seiner Gedanken über diesen Umstand doch sehr sicher, war seine Geschichte jetzt vorbei. Er würde den morgigen Tag nicht mehr erleben. Das war so klar wie seine Schwester groß war. Ivana, die einzige Wahrheit, die man den Erzählungen über seine Person wohl entnehmen konnte. Dass sie gerade nicht hier war, ihn gerade nicht so sehen musste, erfüllte ihn mit einer gewissen Genugtuung, die er seinem Peiniger mit einem unvermittelten heben des Mittelfingers entgegen schrie. Dass der keinen Nagel mehr besaß war dabei weniger wichtig. Für einen symbolischen Tritt in den Arsch reichte es alle Male. Am Ende war es ganz gut, dass Ivana wohl niemals erfahren würde warum der ehemalige Saufkumpane und Knastgenosse ihres Bruders einen solchen Brass auf eben diesen hatte. Wenigstens nicht mehr zu seinen Lebzeiten. Es spielte aber ja eigentlich auch gar keine Rolle, dass er sie als Einsatz beim dreckigen Dutzend auf den Tisch geknallt und dann verloren hatte. Immerhin hatte er damals zu keiner Zeit von Ivana Iorga, der Menschenfrau gesprochen, sondern von Ivana, die jüngst so benannte tote, kopflose Ratte aus der Latrine des Stürzenden Falken, einer Kaschemme in der Festung. Dass Isaac, der weniger Hirn als eine Skritt besaß, DAS nicht verstanden hatte...ja, nun, das war ganz gewiss nicht Borislavs Schuld gewesen. Zu seinem Bedauern stand er mit dieser Meinung ziemlich alleine auf weiter Flur.
Umso überraschter war er, als er sehr plötzlich feststellte, dass es still um ihn herum geworden war. Aufgrund der bis dato doch recht gastfreundlichen Behandlung seiner ehemaligen Freunde, vermochte er weniger klar zu sehen als er es sich gewünscht hätte. Die Augen waren zu gereizt, zu viel Blut in seinem Kopf und ob der letzten Stunden stellte sich mehr und mehr ein Gefühl der Mattheit ein, dem er sich nicht entziehen konnte. Am wenigsten in seiner momentanen Position. Er hätte darüber jetzt sicherlich gelacht, hätte ihn nicht die Erkenntnis der unvermittelten Stille so sehr aus der gerade eingeschlagenen Bahn geworfen.
Momente später, es handelte sich vielleicht nur um Sekundenbruchteile und sehr wahrscheinlich hatte Rupert einfach nur den Augenblick erwischt, da Isaacs Leute auf den uneingeladenen Besucher aufmerksam geworden waren, klang das helle, in diesen Gefielden durchaus bekannte und viel gefürchtete Klirren eines kleinen Metallstiftes durch die Halle, der springend auf den mit Stahlplatten ausgelegten Fußboden fiel und erst nach ein paar weiteren, hüpfenden Herzschlägen zum liegen kam. Ihm schloss sich das unverkennbare Geräusch einer Granate an, die jemand mit ordentlichem Schwung über den Grund in Richtung der Versammlung rollte.
Borislav blieb gerade noch genug Zeit die Mundwinkel in ungeahnte Höhen zu ziehen und das blaue Flirren, das um ihn herum aufglomm zu bemerken, ehe die Explosion ihm so manch einen Volksgenossen als fertigen Steckbausatz um die Ohren feuerte.
Es waren zwei kräftige Pranken, die den hustenden und prustenden Winzling am Kragen aus dem Schlachthaus zogen. Etwas anderes nämlich war es nicht mehr. Umgeben von deutlich vertrauteren Gesichtern, begriff er nur sehr langsam was eigentlich gerade geschehen war und wem genau er seine Rettung verdankte. Fassungslosigkeit war nur eine der Empfindungen, die ihn in diesem Moment vollkommen übermannte und als wäre das alles am Ende des Tages noch nicht genug gewesen, erinnerte sich sein Körper an die durchlebte Furcht und erleichterte sich just in diesem Augenblick, als das Adrenalin restlos aus seinen Gliedern wich.
Borislav Rupert Valentino Emiliantes Iorga war ein Mann, der gerade zum ersten Mal in seinem Leben einem Menschen gegenüber, der nicht seine Schwester war, ehrliche Dankbarkeit gegenüber empfand. Dankbarkeit dafür in einen dreckigen Jutesack gestopft und auf den Rücken eines Lastochsens geschnallt verschleppt zu werden.
...
"Komm schnür mir die Stiefel ein aller letztes Mal,
und bind zur Schleife den neuen grünen Schal!
Küss mich, mein Mädchen und wünsche mir viel Glück,
denn heute ziehe ich in den Krieg.
Es lebe hoch, die WBA!
Das wahre Blut von Ascalon,
es lebe hoch!“
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