Von Stolz und Stürzen

Von Stolz und Stürzen



Schlug ein großer, schwerer Körper ungebremst auf dem Boden auf, dann gab es ein lautes Geräusch. Je nach Untergrund variierte es, fiel mal dumpfer, mal krachender aus, aber in jedem Falle brauchte es das Schnaufen der gefallenen Person nicht, um der Umwelt deutlich zu machen, dass der Aufprall schmerzhaft war. Hier allerdings schnaufte auch der Kontrahent, der sich die Hand ausschüttelte, deren Knöchel nach dem Schlag ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Alexander blieb ein wenig benommen auf dem Boden sitzen und betrachtete beinahe ungläubig das Blut, das nach einem Griff an seine Nase an seinen Fingerkuppen klebte.
„Tut es weh?“, knurrte Adam. Alexander nickte.
„Gut!“, befand sein Bruder grimmig und streckte ihm die Hand entgegen, die nicht wie wild pochte, um ihm aufzuhelfen.
Als Alexander wieder auf den eigenen Beinen stand, trat Adam an ihm vorbei zum Spülstein hin, um erst dem Arzt und dann sich selbst ein Tuch zu befeuchten. Das erste drückte er Alexander behutsamer als seine großen Hände es vermuten ließen unter die Nase, bevor er mit dem zweiten seine eigenen Knöchel kühlte.
„Deine Frau wird dir Beine machen, wenn sie denkt, du hättest dich geprügelt.“, sagte Alexander ein wenig nasal.
Adam grunzte und blickte finster auf den Behandlungstisch, an dem er lehnte.
„Das hier soll es nun also sein, ja? Hast du dir das gut und lange überlegt.“, verlangte er zu wissen.
„Nicht lange, aber gut.“, entgegnete der Arzt, der bei der eigenen Nase eine vorsichtige Diagnose wagte. Es war nichts gebrochen, das erleichterte ihn schon einmal.
„Und der Rest? Ist es dir ernst damit?“ Doch Adam winkte seine eigene Frage schon ab, bevor Alexander überhaupt in der Lage war, darauf zu antworten. „Natürlich ist es dir ernst damit, nicht wahr? Sonst hättest du es mir nicht erzählt.“
Alexander lächelte ein nur schmales Lächeln, das Adam trotzdem dazu einlud, es ihm gleichzutun. Er fühlte jähe Zuneigung zu seinem jüngeren Bruder, doch die Sorge um dessen Zukunft überschattete die positive Empfindung.
„Das Herz will, was es will. Damit sind schon unsere Eltern gut gefahren, also wer bin ich, mich dagegen zu stellen?“
„Ein unverbesserlicher Klugscheißer?“
Alexander duckte sich rasch unter dem nach ihm geworfenen Tuch fort. Hätte er dieselben Reflexe eben beim Hieb bewiesen, wären auf seinem Hemd nun keine Blutflecken. Er blickte auf, als Adams Hand sich auf seine Schulter legte. Dass der Bruder heran getreten war, hatte er nicht einmal bemerkt.
„Ich hoffe, du hast die richtige Entscheidung getroffen, Alexander.“, begann Adam ernst. „Und sollte sie sich als die falsche herausstellen, dann weißt du, dass du auf uns zählen kannst.“
Abermals unterband er eine Antwort dadurch, dass er sich nach einem längeren Blick entschlossen umdrehte und die Türe anstrebte, an der Adam allerdings noch einmal inne hielt. Er wandte sich halb um, betrachtete den jüngeren Mann, der sich so viel gerader hielt, seit er in die Stadt gekommen war und fragte sich nicht zum ersten Mal, ob Alexander selbst die vielen kleinen Veränderungen überhaupt aufgefallen waren. Adam Beaufort war kein Mensch für Rührseligkeiten, doch es war an der Zeit, ein langes Gespräch zu führen.
Alexander verstand nicht, warum sein großer Bruder plötzlich leise zu lachen begann, seine Worte aber verstand er sehr wohl. Sie lauteten:
„Ich bin stolz auf dich.“

Kommentare 8

  • Die mag ich. :)

  • Na zum Glück gibt es in Tyria keinen Hippokrates oder Hippokratischen Eid, sonst wären diese Handlungen Hypokrisie!

  • Ach, diese Beauforts. <3

  • Ich mag Adam. Ich mag allerdings die ganze Beaufort-Sippe. Schönes, vertrauensvolles und aneinander orientiertes Familiengeflecht. Man möchte Teil davon sein, weil sämtliche Mitglieder einen großen Wohlfühlfaktor ausstrahlen. Alexander im Besonderen.


    Ich kann nicht beurteilen, wie stark die Gesamtheit seiner Entwicklung wirklich war, weil ich den Charakter noch nicht lange kenne. Aber ich bin stolz auf das, was Ghabriel mit ihm erreicht hat.


    Schön geschrieben. I like.

    • Oh, vielen Dank für das Feedback. Dass die Beauforts so wirken, wie ich sie mir auch vorstelle, freut mich sehr <3
      So viele Charakterplätze hab ich allerdings nicht, um die mir zu erstellen :D