„Du wirst nicht mitkommen.“
Ihr Tonfall duldete keinerlei Widerspruch und doch bewegt sich Fyn kein Stück zur Seite.
Der ältere Farnhund hatte sich zwar von seiner schweren Laufverletzung gut erholt, dennoch waren die Fasern etwas verkürzt wieder zusammengewachsen und behinderten ihn im Sprung und im schnellen Lauf. Die einzige Möglichkeit die den Heilern blieb, war es diese Fasern erneut zu durchtrennen – doch das wollte sie ihm nicht antun. Also akzeptierte sie seinen Ruhestand. Er nur leider nicht.
„Und du…“ Ihr Finger zeigte auf die alte Schneeeule, die sich gerade daran machte ihre Unterlagen zu durchwühlen. „…hör endlich auf damit, ich brauche das noch. Ich erwarte, dass alles hier noch halbwegs ordentlich ist wenn ich zurück komme. Haben wir uns verstanden?“
Die Tiere starrten sie nur an.
Sie wusste, es würde dennoch ein kleines Chaos geben. Aber der Versuch war es wert.
Seufzend verließ sie die Kapsel und die Membran schloss sich hinter ihr.
Probend tastete sie nach den Stielen ihrer Blätter, die aus dem Wachstumsknoten am Rücken hervortraten. Sie fühlten sich bereits etwas starrer an und sie zupfte kurz daran, um eins der großen Blätter abzutrennen.
Bei dem, was sie vorhatte, würde sie das ausladende Blattkleid nur stören und so löste sie die vergangenen Tage schon immer wieder eines der großen Überblätter sobald sie sich möglichst schonungsvoll entfernen ließen.
Der Abend senkte sich bereits über den Hain und die dunklen Schatten des Baumes ließen die Fluoreszenz ihrer Heimat zur Geltung kommen. Tanzende Lichter im Zwielicht.
Noch einige Minuten stand sie vor der Kapsel und fasste die dünnen Ranken, welche eine Art Brüstung bildeten, um den Anblick zu genießen.
Geschwister schlenderten unter ihr vorbei, manch einer blickte gar nach oben und hob die Hand zum Gruß – sofern man sich gut genug kannte.
Eigentlich hätte sie nervös sein müssen. Ihre Entscheidung, die sie so lange vor sich herschob, war gefallen.
Die linke Hand löste sich von der Rankenbrüstung und sie hob sie hoch. Der Handrücken schien auf den ersten Blick unverändert, nur der genauere Blick zeigte Verhärtungen und Unebenheiten in der glatten Epidermis, die ihren Körper bedeckte.
Sie spannte etwas, als sie eine Faust machte und die Finger dann wieder ausstreckte.
Es würde gehen. Es musste gehen.
Barfuß führten sie ihre Schritte die verschlungenen Wege hinunter aus der Terrasse hinaus. Je näher sie ihrem Lieblingsplatz im Hain kam, umso mehr kribbelte die Vorfreude in ihr und beschleunigte ihren Schritt bis sie fast lief.
Als würde mit jedem Schritt, den sie näherkam, das Gefühl der Einschränkung von ihr abfallen.
Nutzlos.
Hilflos.
So fühlte sie sich schon viel zu lange. Es war Zeit für eine Veränderung.
Auf einer Anhöhe mit gutem Blick auf die großen Blätter der Mutter blieb sie dann stehen und sah sich nochmal um. Hier war sie allein.
Die Finger noch einmal öffnend und mit geschlossenen Augen stand sie da. Das Gefühl von Magie genießend, das sie durchströmte wie ihr goldgelber Lebenssaft durch ihr Blattwerk. Wie ein alter Freund, den man viel zu lange verleugnet hatte und der einen wieder in die Arme schließt.
Früher sprach sie oft mit anderen Magiebegabten darüber, wie sich ihre Magie anfühlt. Und jeder fand andere Worte für etwas, was so schwer zu beschreiben war. Dunkel. Warm. Kalt. Blau. Rot. Tod. Leben oder Licht.
Die ersten Bewegungen waren noch gehemmt, die Finger sponnen immer heller werdende Fäden aus Magie, zogen sich länger wenn die Hände weiter auseinander drifteten. Die Bewegungen wurden sicherer, wiederholten sich in Figuren bis die zuvor wild zuckenden Lichtbögen langsam in stabilere Konstrukten zusammenfanden. Sie folgten der Spur, welche von den Fingerspitzen gezogen wurden, bildeten Kreise und Symbole. Verloren sich nach ein paar Sekunden um noch einmal verändert nachgezeichnet zu werden.
Zuletzt verharrte sie dann. Vor ihr in der Luft vibrierte ein Siegel, ein kreisförmiges Gebilde mit Runen und Symbolen.
Ein endlos lang erscheinendes Ein- und Ausatmen später wurde es von der flachen Hand ausgelöst, die in seine Mitte gelegt wurde.
Der Boden um sie herum glühte auf, der Radius breitete sich aus bis die Grenze der angespeicherten Energie erreicht war und dann war alles wieder dunkel als der Bannkreis zusammenbrach.
„Wir haben zu tun….“ murmelte sie leise zu sich selbst. „Wir haben viel zu tun.“
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