Rennen
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Rennen
Ich renne.
Immer schneller und schneller werde ich.
Meinen Kopf strecke ich in die Höhe, sodass die heiße Mittagssonne auf meinem sommersprossigen Gesicht brennt. Ich liebe es, die Sonne in meinem Gesicht zu spüren.
Durch das Rennen hört das Brennen im Gesicht auf, da der Wind mir gut tut.
Ich weiß nicht wie lange ich schon renne, doch es kommt mir vor, als wäre es eine halbe Ewigkeit und ich bin mir ziemlich sicher, dass es zumindest schon zwei Stunden sind. Das spüre ich an dem Schweiß, welcher auf meiner Stirn steht. Ich wische ihn nicht weg, denn ich mag es wenn der Wind mein verschwitztes, nasses Gesicht noch weiter kühlt.
Meine Handgelenke pochen ein wenig und ich wage einen kurzen Blick hinunter zu ihnen. Die blutigen Striemen, welche mir direkt ins Auge springen, lassen mich weiterlaufen.
Rennen. Immer schneller und schneller werde ich.
Ich versuche die Bilder in meinem Kopf auszublenden und ich bin mir sicher, dass das Rennen dabei helfen wird.
Er sperrt mich in den Keller, wickelt die Seile um meine Hand- und Fußgelenke und bindet sie an einem Pfahl fest. Er lässt mich alleine. Es ist dunkel und kalt und ich fange leise an zu weinen.
Die beiden nehmen mich mit, wickeln das Seil um meine Handgelenke und binden mich damit an den hinteren Bettpfosten fest. Es ist warm und tut gar nicht so doll weh. Sie sagen mir, dass sie mir nur helfen wollen. Ich fange leise an zu weinen.
Ich bleibe in einer Gasse stehen und versuche zu Atem zu kommen. Meine nackten Füße schmerzen und dies wird mir erst jetzt bewusst. Als ich hinab blicke sehe ich, dass sie bluten. Ich bin in irgendetwas Spitzes getreten.
Ich tauche meine Hände in ein hölzernes Regenfass und schließe die Augen. Das Wasser ist dreckig und trotzdem kühle ich meine offenen Wunden damit. Es tut gut und es ist mir egal, ob sich die Scheiße entzünden wird oder nicht.
Ich liege alleine in dem Keller und zerre an den Fesseln. Ich schreie, ich trete und heule. Er kommt nicht. Ich bin allein und habe Hunger und bekomme kein Essen.
Ich liege alleine auf dem gemütlichen Bett und zerre an dem Seil. Ich schreie und sie kommt in den Raum um nach mir zu sehen. Sie macht mich nicht los. Aber sie sagt, dass sie für mich da ist. Sie will mir Essen geben, aber ich lehne ab.
Ich klatsche mir das dreckige Regenwasser ins Gesicht. Die roten, nassen Haarsträhnen kleben mir im Gesicht und ich schließe die Augen für einen Moment. Die Panik kommt wieder hoch und sie wird schlimmer. Ich muss mich bewegen. Ich muss rennen.
Ich renne erneut los und werde immer schneller und schneller.
Ich verliere mein Zeitgefühl. Keine Ahnung wie lange ich hier unten liege. Es ist immer noch kalt und ich bin immer noch hungrig. Irgendwann öffnet sich die Luke und ein Lichtstrahl blendet mich. Ich höre es rumpeln, doch alles klingt so dumpf in meinen Ohren. Ich blinzle ihn an, spüre wie er mich hochhievt und zurück nach oben trägt. Ich will nur noch eins: Rennen.
Einige Stunden später kommt sie mit dem Frühstück zurück ins Zimmer. Meine Eltern sind plötzlich auch hier. Ich höre, dass alle auf mich einreden, doch es klingt so dumpf in meinen Ohren. Ich werde losgebunden und soll mit meinen Eltern mitgehen. Doch ich will nur noch eins: Rennen.
Ich spüre das erneute Pochen in meinen Handgelenken und das Stechen in meinen Füßen. Es ist mir egal, denn ich will nur fort von hier und diese düsteren Gedanken für immer vergessen.
Die Gedanken, die ich verdrängt hatte. Die Gedanken, die nun wieder da sind.
Mir wird übel und ich bleibe erneut stehen. Keuchend und erschöpft sinke ich auf meine Knie, was mich zusammenzucken lässt.
Es tut weh. Mein ganzer Körper tut weh. Und während ich mich auf dem Asphalt zusammenkauere wünsche ich mir, dass ich rennen würde.
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