Wie immer dauert es seine Zeit, bis Nachrichten aus den Hinterlanden die zivilisierteren Gegenden erreichen. Doch mit einer Bauernfamilie, die erste Kunde von den jüngsten Ereignissen nach Löwenstein bringt, laufen nach und nach mehr Berichte in der Hafenmetropole ein, und allmählich beginnt sich ein Bild zu zeichnen. Ein Bild von einem Triumph Mensch über Zentaur.
Es muss ein bis ins kleinste Detail geplanter und sorgsam vorbereiteter Überfall gewesen sein, der von einer Gruppe unterschiedlichster Volksangehöriger, aber unter dem Kommando eines Krytaners auf das Sperrlager zwischen Faun-Bresche und Zahnsplitterpass verübt wurde. Von einer fiktiven Karawane ist die Rede, die mit präparierten Fässern voller Alkohol geladen gewesen und nahe des Zentaurenhortes vorbeigetrieben worden sei. Während die pferdeähnlichen Kreaturen erst den Treck überfielen und später ihre leichte Beute feierten, hätten getarnte Söldner oberhalb des Lagers Sprengladungen zwischen den Felsen angebracht. Als in der Nacht die gewaltige Explosion ertönte und die Gerölllawine den Hang abging, waren die meisten Zentauren kaum in der Lage, adäquat auf den drohenden Tod zu reagieren: sie starben oder wurden zumindest verletzt.
Aber das sei ja noch längst nicht alles gewesen. Im Gegenteil: an diesem Punkt wäre das Getöse erst richtig losgegangen. Laute Geräusche zerfetzten die sonstige Stille: Knall auf Knall, wie von zahllos abgefeuerten Gewehren hallte über das Gelände. Ein ohrenbetäubendes Geheul wie von drei Dutzend Schattenkreaturen, deren Kreischen und Jaulen einem schier das Trommelfell zu zerfetzen drohte. Der Staub hatte sich noch nicht gelegt, da fielen bewaffnete Streiter in das feindliche Gebiet ein. Angeführt von einem dunkelhaarigen Mann, dessen Kriegsgeschrei sich ohne Mühe mit dem der Charr und Norn an seiner Seite messen konnte, stießen sie in den Talkessel hinab wie eine zweite Lawine.
Während ein Teil des Trupps den Erzählungen nach jene Wachen beschäftigte, die nicht betrunken oder betäubt waren, schien das Ziel der Unternehmung nicht die grundsätzliche Zerstörung des Sperrlagers gewesen zu sein. Den sich zu dieser Zeit dort aufhaltenden Modniiranführer hatte man im Visier. Angeblich einer der Kommandanten während des Zentaurenangriffs auf eine Stellung der Söldner am Wildgrathügel, bei dem die dort stationierten Truppen beinahe restlos aufgerieben worden waren.
Dass es gelang, die bis an die Zähne bewaffnete und gepanzerte Bestie zu bezwingen, ist wohl allein dem Herrn Balthasar zu verdanken, denn trotz – oder vielleicht sogar wegen – der guten Vorbereitung erwies sich der Zentaurenkriegsherr als äußerst zäher Gegner, nicht bereit, auch nur einen Zoll nachzugeben oder sein Fell billig zu verkaufen. Nachdem er gefallen war, zogen die restlichen Angehörigen seiner Stellung sich zum nahen Überwacht-Lager zurück. Die Söldner sichteten die Trümmer der Baracken, nahmen mit, was lohnenswert erschien und schlugen sich den Gerüchten nach anschließend selbst in die Wynchona-Wälder. Vermutlich, um einer angreifenden Nachhut vom Donnerfels auszuweichen, der sie wohl kaum hätten standhalten können.
Roog Keane, so hieß es, habe mit kalter Genugtuung aufgenommen, dass einer der beiden verantwortlichen Zentauren für den Wildgrathügel-Zwischenfall den Kopf verloren hatte. Regelrecht unheimlich sei sein Gesichtsausdruck gewesen, und an der anschließenden Feier zur Rückkehr seiner Leute habe er sich nicht beteiligt.
Wer kann davon gehört haben?
- Bürger und Reisende von Löwenstein
- mit etwas Verzögerung auch Einwohner und Besucher der sonstigen Hauptstädte