In der Stadt tut sich etwas. Das hört man zumindest an den Wegesrändern und Marktständen, wo von Ohr zu Ohr geht, dass gestern in Ossa ein ziemliches Seraphenaufgebot geherrscht habe.
Dreimal innerhalb eines kurzen Abstandes habe man "die Flügelchen" um die und in der Wunderlampe gesehen, Experten wissen sogar davon zu berichten, dass es sich um verschiedene Kompanien gehandelt habe. Man munkelt von einem geheimen Hinweis, der die "die Flügelchen" aufgewiegelt und besonders wachsam gemacht habe, aber passiert sei nichts, außer vielleicht, dass die Frau vom Iorga, dem Alten mit dem Gewehr, am Arm eines anderen gesehen wurde. Ein blonder Kerl, Lampengast, neulich noch mit einem weißen Fuchs auf dem Arm gesehen worden, heißt es da. Arundel oder so. Kaum haben sie den alten Iorga verhaftet, holt sich seine kindliche Angetraute einen Jüngeren. Das ist nur gerecht, hört man eines der Fischweiber sagen. Schließlich sei es sonst immer umgekehrt.
Wegen dem Pfandleiher wird es nicht gewesen sein, der dunkle Kerl, der früher immer gegenüber vom Iorgaladen an der Mauer stand. Der scheint mal wieder in der Gegend, die jüngste Iorga im Schlepptau wie so ein verirrtes Glühwürmchen. Da kann man sich ja ausmalen, sagt einer, wie sie an das Pfandhaus rangekommen ist.
Wo es um Seraphen geht, wird der Name Williams laut. Das blonde "Flügelchen". Auch der sei auf dem Ossaplatz vor der Lampe gewesen. Entweder er stelle dem Gesocks nach - denn es war doch viel Gesocks um ihn herum - oder aber das Gesocks stelle ihm nach. Diese Grünlampe von Heiler sei dort auch herumgeschlichen. Ainar Haubacher, langjähriger Stammgast in der Lampe, will es verstanden haben. Der hat vor, zu den Seraphen zu gehen. Hofft wahrscheinlich darauf, dann besser mit seinen Diebstählen davonzukommen. Denn offenbar kommen die ja sogar damit davon, Ministerialwächter vom Dach zu schießen.
Da interessiert es eigentlich keinen, dass es schon wieder einen Toten gab. Das mag aber auch an den Umständen liegen. Am frühen Morgen fand das Mit-dem-ersten-Tageslicht-aufsteher-Publikum einen ekelhaften Matschfleck aus Blut auf dem Pflaster, von weit oben aus der Oberstadt herabgefallen. Um wen es sich dabei handelte ließ sich nicht mehr erkennen, auch nicht, ob es sich um einen Springer oder einen Gesprungen-Werder handelte. Die Ermittlungen der Seraphen ergeben bis zum Mittag, dass es wahrscheinlich die Überreste eines gewissen Eugen Thomas, Arbeiter, Trinker und hochverschuldeter Spielsüchtiger, sind, die dort die Straßen verunschönt haben. Es klärt sich damit allerdings nicht auf, ob er gesprungen ist oder geschubst wurde, denn beides wird durch das neue Hintergrundwissen um ein Vielfaches wahrscheinlicher. Auf dem Platz vor der Wunderlampe ist es jedenfalls ruhig geblieben. Der "Schandfleck" fliel vom Gipfel der Stadt direkt nach Salma. Umso schneller werden die Spuren fachgerecht beseitigt. Mit sowas habe ja auch keiner rechnen können. Wenigstens, sagt Ainar Haubacher, habe er nicht versucht, sich selbst zu essen.