Ein eisiger Schrecken durchfuhr an frühen Morgen des 17. Kolosstages mehrere Bewohner des östlichen Marktviertels, die unfreiwillig Zeuge eines Leichenfundes wurden. Wenngleich das Viertel wohl nicht aufgrund seiner guten Sicherheitslagen von sich reden macht, wird die Angelegenheit wohl insbesondere den sensiblen Gemütern in Erinnerung bleiben. Angesichts des Stimmengewirrs in der Gerüchteküche, gelten jedoch nur ein vorausgegangener Mord und der Leichenfund als solcher nicht strittig. Über die Umstände des Fundes, den Verblichenen und die möglichen Todesumstände, scheiden sich jedoch die kleinbürgerlichen Redegeister.
Eine erste Version handelt von dem Auffinden eines Verstümmelten, der im Bauschutt von zwei erschreckten Straßenarbeitern gefunden wurden. Restlos verschmutzt von freigelegten Innereien aus der Bauchgegend, Blut, Kalksteinasche und Kies, sei das Antlitz nach einer mutmaßlichen Salve Schrotkugeln nicht mehr erkenntlich gewesen. Furchtbarer Verwesungsgestank, den selbst die kühle Luft des Kolosses nicht einzudämmen vermochte, habe die Anwohner jedoch zuerst auf den Bauschutt aufmerksam gemacht.
Eben jenen Geruch und die generelle Beschaffenheit des Leichnams bestreiten wiederum Andere. Der Körper des Verblichenen sei verdreckt gewesen, allerdings weil einige Nachbarn bei der morgendlichen Gartenarbeit den grausigen Fund machten und weitere Anwohner geholfen haben, die Leiche zu bergen. Frisch soll sie gewesen sein, allerdings auch so bleich wie die Nebel selbst. War sie etwa blutleer? Die Erzähler wollen es nicht ausschließlich. Angeblich fehlten beide Arme abwärts des Ellbogens und das Gesicht war mit Schnittwunden übersät.
Dem wiederum widerspricht ein Anwohner mit eifriger Vehemenz, der darauf schwört, dass der Leichnam gar nicht zufällig gefunden wurde, sondern dass auf barbarische Weise mehrere seiner Körperteile in den Gassen und Hinterhöfen verteilt wurden, als wollte jemand ein Beispiel denkbarster Morbidität demonstrieren. Seine Nachbarn äußern sich entweder gar nicht zu dieser Vermutung oder bestreiten sie nachdrücklich, da sie nicht „leichenhaftes“ im eigenen Hinterhof gefunden haben sollen. Und selbst wenn, wie sollten die Leichenteile überhaupt dorthin gekommen sein? Da will der Anwohner einige Nachtschwärmer mit einem Sack beobachtet haben, den sie in der Nähe deponierten. Mehr als diese bloße Beobachtung weiß er jedoch nicht preiszugeben.
Wer der Verblichene denn nun eigentlich sei, ist indessen ein Rätsel. Stämmig und gar massiv soll der Leichnam gewesen sein, denken zumindest die Meisten. Viel mehr bekannt scheint nicht zu sein. So herrscht auch um dessen vermeintliche Herkunft keine Klarheit. Ein Großteil der Anwohner schließt aus, dass er in der Nähe gelebt hat, weil bisher noch von keinem Nachbarn berichtet wird, der urplötzlich verschwunden ist. Manche Stimmen meinen, er könnte aus einem Nachbarviertel oder gar aus Löwenstein stammen. Vielleicht auch einer jener elonischen Flüchtlinge? Ein Löwensteiner erscheint so manchem plausibel. Mutmaßlich weil nicht jeder eine konkrete Vorstellung davon hat, wie denn so ein typischer Löwensteiner überhaupt aussieht. Wenige Anwohner, aber dennoch deutlich mehr als von einem gesunden Menschenverstand vielleicht erwartend, bestreiten eine elonische Herkunft des Leichnams vehement. Denn Eloner dürften gar nicht aus dem Ossa raus, geschweige denn, dass sie jemand noch dort heraus tragen würde.
Wer kann von diesen Gerüchten gehört haben?
- Anwohner des Östlichen und der benachbarten Viertel
- Akteure des öffentlichen Rechtsvollzuges, vergleichbarer oder klerikaler Institutionen
- Schwadroneure und Interessierte