Sieh die weiße Pracht
Hoch oben vereiste Flügel
Mensch, greif nach dem Sinn.
Der erste Blick:
Verirrt in der Luft...
Canthanisches Blut fließt unter einer ihm vererbten marmorhellen Haut. Ein breiterer Kiefer, der den dünnen Wangen die Fülle klaute, ein langer Nasenrücken und schmale, klein erscheinende Mandelaugen im Rahmen eines fremdländischen Gesichts. Erblasste Lippen und ergraute Augen zeugen von einem Alter, das er lang nicht erreicht hat. Denn jugendlich anmutende Fältchen um die Augen- und Mundwinkel verraten einen Spross im Sommer seiner Lebenszeit, der von der Frische des späten Winters geküsst wurde. Seine Wuchshöhe reiht sich in den Durchschnitt der Männerwelt ein, die Muskulatur beweist eine deutliche Körperbeherrschung und -Disziplin. Bewegt sich die helle Gestalt durch die Straßen und gleichzeitig durch seine Gedankenwelt, will man ihm eine knauserige Ignoranz für die Umwelt vorwerfen. Es ist, als sehe er die Schönheit weder in den frisch gegossenen Blumen der glücklichen Vorgärten, noch in dem bunten Treiben lebendiger Marktmengen; sein Heil sucht er beim selten einsamen, doch oft stillen Gang durch die Straßen in den unregelmäßig verlaufenden Fugen von Platten und Pflastern. Adrett gekleidet, oft hochgeschlossen und immerzu die Farben der eigenen Sippe tragend hat der Graf offenbar einen Faible für Gehstöcke und wenig Zeit entwickelt. Kaum ist er wo, ist er auch bereits wieder fort; hingezogen zum nächsten Ort, verschwunden, getragen vom Gang der selten eine Rast kennt.
Der zweite Blick:
... getragen von Aufwind ...
Ein Denker, ein Anachoret, ein Träumer? Erhebt der Mann seinen Blick, so vermag davon nichts und alles gleichzeitig zu stimmen. Das Grau seiner Augen ist wohl eigentlich ein sehr blasses Blau und seine farblosen Lippen kennen bei einer Unterhaltung auf der Straße selten ein Schmunzeln. Auch auf den zweiten Blick mag er wie ein schwieriger Zeitgenosse erscheinen, der allerdings Abstand von Unhöflichkeiten nimmt. Auf seine eigene Art und Weise und ausgestattet mit einem Humor, der genauso fremdländisch wie sein Aussehen wirkt, weiß er dann und wann sogar eine angenehme Gesellschaft zu sein. Allerdings sollte man diese kleinen Nuancen voller Geselligkeit nicht überschätzen; schnell wird auffallen: Sie können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein Gemüt in das enge Mieder einer dominierenden Strenge gezwängt wird, geäußert in Ton, Verhalten und Haltung. Erneut drängt sich das Bild eines Fremdländers auf, fremd der krytanischen Kultur, fremd der ascalonischen Kultur, erhoben und erhaben über vieles, vermutlich über die Welt selbst, ein Fremdweltler. Und gleichzeitig bodenständig genug, dass seine Strenge, sein eigensinniger Humor und seine Distanz zu vielem ihm äußerst schnell den Makel der Arroganz und des Narzissmus in vielerlei Augen einbringen. Was stimmt und was eine Täuschung ist erschließt sich möglicherweise erst auf den dritten Blick - doch den erhascht man selten auf der Straße.
Das Gehörte:
... rodet der Funkenflug den Wald
Eine Zeit lang soll der Graf sich in Abwesenheit gewogen haben, kaum verwunderlich. Vor knapp einem halben Jahr trat er erst wieder auf eine bescheiden kleine Bildfläche der Öffentlichkeit. Ist die Familie Aisawa ohnehin eher bekannt für einen zurückgezogenen, in wohlwollenden Zungen bescheidenen, in skeptischer Sprache ignoranten Lebensstil, so tritt Yukio vollends in diese vorgeprägten Spuren. Auf den Banketten und Festen des Götterfelser Adels soll man ihn bisher nie zu Gesicht bekommen haben. Die Wege, die ihn dann doch durch die große Stadt führen, beschränken sich oft auf die Strecke zwischen dem Portal im Rurikviertel und dem Haus der Sinne, das hauseigene Bordell - oder halt, es ist doch eigentlich ein Künstlerhaus, das viel mehr Sinne anzusprechen weiß als den einen! Nicht selten soll er dort zugegen sein, um Absprachen mit seiner älteren Schwester, dem Familienoberhaupt zu halten. Immerzu begleitet von Gardisten aus dem eigenen Hause. Verhüllte Männer in schwer anmutender Plattenrüstung, Vollvisieren, Wappenröcken mit Hausfarben. Zu seiner Seite ist auch oft das Wesen, das in seiner Freizeit sicher den Frohsinn aus ihm saugt. Eine Canthanerin mit dunkler Haarpracht, wie er selbst sie hat, doch dem Hörensagen nach keine Verwandte. Eine Dienerin? Seine Geliebte. Nein, in Wahrheit schätzt er nur ein weiteres Paar Hände dabei zu haben, falls er irgendetwas hin und her tragen muss; Ordner, Pergamente, Taschen. Und seitdem er seine Position als rechte und stützende Hand seiner führenden Schwester einnimmt, hinterlässt der Graf zunehmend seine ganz eigenen Pinselstriche auf der Leinwand der Familie; und sie tragen offenbar die reinen Hausfarben. Nach einem schweren Unglück soll er paranoid geworden sein und die hauseigene Wache um ein Vierfaches aufgestockt haben, was dem Haushalt der Familie ungemein geschadet habe. Das Anwesen in Ebonfalke wird, in gründlicher Absprache mit und dank gepflegten Beziehungen zur Ebonvorhut zu einer echten Festung ausgebaut. Eine Festung in einer Festung - Wie weit wollen sich diese Fremdländer noch isolieren? Zum Glück gibt es noch seine Schwester. Sie hält das Haus der Sinne aufrecht. Ginge es nach ihm, hätte man jedwedes Geschäft auf krytanischem Boden vermutlich hingeschmissen.
Disclaimer: Bild wurde von mir mit einem Screenshot aus Guild Wars 2 bearbeitet. Die Hintergrundlandschaft ist gemalt von F. Gnesicze und wurde auf wallpaperup.com gefunden.