Devin stand nahe des offenen Fensters seines Zimmers und hatte eine hölzerne Kiste vor sich. Diese befüllte er mit seiner wenigen Habe. Was er in größerer Anzahl besaß, waren Bücher. Eines nach dem anderen legte er einzeln hinein, vorsichtig und langsam, in einem Ritual, das er dringend benötigte. Der junge Butler, dessen Wesen sich immer mehr zu einer erschütternden Ernsthaftigkeit ausprägte, verfolgte die Umsetzung einer Entscheidung, die er bereits Monate zuvor hätte treffen sollen. Freiheit, war sein erster Gedanke, etwas, das er immer und jedem hatte schenken können und das ihm wie schlüpfrige Seife aus den Händen glitt. Devin wollte jene Freiheit noch immer nicht für sich selbst und gab nun frei, was er so sehr liebte, dass es ihn innerlich zu zerreißen drohte. Schmerz verging, er verging immer und sicher auch jener. Die Pein war nötig und reinigte, entfernte ihn von dem, was er zu brauchen glaubte. Schuf Platz für neuen Raum, der mit Dingen gefüllt werden konnte, die ihn endlich glücklich machten. Ein langer Prozess wartete auf ihn, die Wandlung des Schmerzes in etwas, was er noch nicht kannte. Etwas, das gut für ihn sein würde.
Der nächste Gegenstand, den er zur Hand nahm, war ein kleiner, fast blinder Spiegel, umarmt von schwarzen Metallfedern, die zu den Flügeln einer Dohle gehörten. Devin blickte hinein, schob einige Strähnen des etwas längeren Haares zur Seite und versuchte zu lächeln. Es missglückte in seiner Vollkommenheit. Daher begegnete ihm sein eigenes, unter seelischer Qual dreinblickendes Ebenbild. Mit der Kuppe seines rechten Zeigefingers strich er sich unterhalb des linken Auges entlang. Er fühlte ausschließlich glatte Haut, denn die Narbe trug er seit gestern nicht mehr. Man hatte sie ausradiert, wie ein missglücktes Wort, das ein gutes Buch verunstaltete. Als ihm dieser Vergleich in den Sinn kam, legte Devin den Spiegel endlich in die hölzerne Kiste hinein. Diese nahm er auf und wanderte mit bleiernen Schritten durch das prunkvolle Gästezimmer des edlen Anwesens. Hier gehörte er nicht her, hier hatte er noch nie her gehört. Ein letzter Blick wurde über die Schulter gerichtet, fand sich ein letztes Mal beim Fenster ein. Es stand noch immer offen. Kein Flügelrauschen verabschiedete ihn. Die Dohlen, zwölf an der Zahl, hatte er am Morgen in kleine Transportkäfige gesperrt und von seinem Bruder wieder nach Ebonfalke bringen lassen. Nun konnten die Vögel endlich über heimischen Dächern hausen, während Devin in der Fremde verblieb.
Gesenkten Blickes wandte er sich wieder der Tür zu, betätigte die polierte Klinke aus Messing mit dem rechten Ellenbogen und trat auf den Flur hinaus. So begab es sich, dass der Butler zu seinem neuen Zimmer im Dienstbotentrakt schritt.
Devin war frei.
MA34WtxEtDw