Kinad von Nebelstein 2

Ein lauter Knall, Haut, die auf Haut trifft. Wärme erfüllt meine Wange, ich kenne das Gefühl, spüre das Blut wie es in meine Wange schießt, der Schmerz, der die Finger mit schneidender Genauigkeit nachzeichnet. Mein Blick? Er hat sich nicht bewegt. Ich sehe vor mich, schaue den Mann an, der sich mein Lehrer nennt. Ich glaube nicht, dass ich geblinselt habe, zumindest habe ich es nicht gemerkt.
„Streng dich mehr an. Sonst wirst du niemals lesen lernen.“ Seine Stimme ist ohne jegliche Zuneigung zu mir. Was erwarte ich? Er wird nicht bezahlt um so zu tun als wäre ich sein Sohn. Ich möchte meine Wange berühren, die Hitze mit meinen Fingern spüren, aber er lässt mich nicht. Der Stock saust auf die Hand, die sich bewegt. Ich zucke zusammen, gebe aber keinen Laut von mir, ich will nicht, dass er es hört.
„Noch einmal.“
Mein Mund ist trocken. Habe ich Angst?
„Ge.. Gesch..schichte-“
Wieder ein Schlag, der rote Striemen färbt sich blau. Ich schließe meine Augen und unterdrücke das Bedürfnis zu weinen. Ich bin kaum älter als Sechs, ich verstehe
nicht, wieso der Mann verlangt, dass ich unter diesem Schmerz zu lesen vermag.
„Dein Vater wird nicht erfreut über deine schlechten Erfolge sein.“
Mein Vater? Ich erinnere mich nicht daran, ihn jemals lachen Gesehen zu haben. Ich habe sein Haar, ich habe seine Augen.. sie sagen alle, ich wäre ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Bin ich wirklich wie er? Ich nicke und setze erneut an, ich kann meine Finger nur noch unter Schmerzen spüren, wie sie sich auf das weiche Papier des Buches legen. Ich hole tief Luft.
„Geschichte der Menschen. Kapitel 1 – König Doric“



Seine Finger fuhren über den ledernen Einband des Geschichtsbuches. Er hatte es einst auswendig gelernt, heute würde keinen Satz mehr daraus kennen.
„Pakt das ein. Alle Bücher. Werdet sie los, mir egal ob ihr sie dem Waisenhaus spendet oder den Einsturz herunter werft, Hauptsache sie sind verschwunden wenn ich wieder komme.“
Der Diener verbeugte sich und nahm sofort seine Arbeit auf. Kinad war sich nicht sicher, wie er sich den Respekt der Angestellten verdient hatte. Die emotionslosen Augen folgten dem Mann der die erste Kiste hinausschleppte. Erst als er aus der Tür verschwunden war, sah Kinad wieder in den Raum, der mehr als
Abstellkammer fungiert hatte, als sein altes Zimmer.
„Herr?“ Eine Frauenstimme. „Hier, das war hinter den Kleiderkisten.“ Kinad wendete sich um, die junge Frau war noch nicht lange in der Familie angestellt. Ihr Blick lag besorgt auf einem Bild, dass sie an Größe beinah überragte. Halb verhangen mit einem Leinentuch, legte die Leinwand sein Ebenbild dar. Ein Mann, kaum älter als er es selbst im Moment war und ein Junge, dessen Züge schon im Alter von fünfzehn Jahren schon so kalt wie die seines Vaters waren. Schwarzes Haar, grüne Augen, dunkle Haut.
„Seid ihr das, Herr?“ Sein Blick huschte zu der Frau.
„Mein Vater und ich.“ Er ging die Schritte auf das Bild zu, gab mit einer Handbewegung den Rest preis. „und der Rest der Familie.“ Schwarzes Haar, grüne Augen, dunkle Haut. Alle, seine Brüder, seine Schwester. Der Blick ruhte auf dem einzigen Abbild, dass traurige Freude zeigte, und Licht in die Dunkelheit. Eine Frau, mit rotblondem Haar, Haut wie feinstes Porzellan und ein lächeln, das die Liebe einer Mutter zeigte.
„Eure Mutter?“ Sie entschuldigte sich noch in dem Moment, als sie den Ausdruck auf dem Gesicht ihres Herren erkannt hatte.
„Sollen wir-“
„Lasst es hier, ich werde es behalten.“
Ein Knicks und schnelle Schritte, die das Zimmer nicht eilig genug verlassen konnten. Ein letzter Blick auf das Gemälde und der Vorhang fiel wieder schützend darüber.

"Yeah. That is a gun in my pants. But that doesn't mean I'm not happy to see you."


Kinad von Nebelstein - Captain Liam Ford