Ein Schritt nach vorne

Das Adrenalin schoss durch seine Adern, als Renvars Klinge mit der Spitze voran auf ihn zukam. Mit einer Parierbewegung lenkte er den Stahl mit seinem eigenen Schwert nach rechts ab, wollte den renvarschen Fleischkolloss vor sich mit dem Schild eine wischen, doch dieser hatte schon damit gerechnet, und rammte seinen eigenen Schild dagegen. Holz krachte auf Holz, ein klassisches Kräftemessen.
“Flamme des Nordens, eh? Glaubst du, mit deinem derzeitigen Kampfgeist, schaffst du auch nur die erste Runde? Denkst du dass du dir diesen Namen so verdienst?”, hallte die raue, basslastige Stimme des Kriegsmeister über den Trainingsplatz, aber das war Alrik gewohnt. Renvar verhöhnte und verspottete ihn bei jedem Training, um seine Nerven zu stählen. Er verzog nur das Gesicht und presste mit aller Kraft den Schild gegen Renvars, doch dieser schob ihn nur durch den Schnee, als wäre er ein Fliegengewicht. Seine Stiefel rutschten durch den Schnee, als wäre keinerlei Widerstand da, der ihm hätte Halt geben können. Alrik kannte niemanden der seinem Meister etwas entgegenzusetzen hatte. Ein Mann so groß und mit so vielen Muskeln, dass man hätte meinen können, die Berge höchstselbst hätten ihn die Welt gesetzt. Man kombiniere diese körperlichen Attribute mit Flinkheit, jahrelanger Kriegserfahrung, und der Wildheit der Bärin, und man sieht sich einer unaufhaltsamen Lawine gegenüber, die rau lachend ihren Gegner überrollt. Den Namen “Bergfaust” trug er mehr als zu Recht.


Seit Alrik sich bei Kaydis für die Tribute angemeldet hatte, trainierte er täglich mit Renvar. Jeden Tag. Stundenlang. Hätte man Alrik gefragt, hätte er nicht mal beantworten können, warum er sich angemeldet hatte. Langeweile? Eine innere Leere, die er mit einem Titel füllen wollte? Ruhm? Geld? Anerkennung? Die Flamme des Nordens…. ein großer Name. Eik und Jule hatten es als ein Omen bezeichnet. Sollte seine Bestimmung wirklich dort liegen? Dinge über die er nachgedacht hatte. War er es wert diesen Namen zu tragen? Würde er das Schwert überhaupt jemals finden? Doch völlig egal warum er sich angemeldet hatte, er wusste dass er um jeden Preis gewinnen wollte, egal was er dafür tun musste. Der Einzige der ihm noch im Weg stand war Renvar. Seine finale Prüfung. Innerlich machte sich bereits wieder der altbekannte Zweifel breit. Renvar besiegt, das war eine Sache für sich, doch er wollte nicht nachgeben.


Knurrend fletschte Alrik die Zähne, und grub die Füße in den Boden, stellte sich dem Kolloss entgegen der ihn vor sich her schob. Motivation alleine würde die pure Körperkraft des Renvar nicht aufhalten können. Eine Entscheidung musste gefällt werden, bevor Renvar ihn einfach umwarf. Da schlug er Renvars Schwertarm beiseite und setzte zum Stich gegen ihn an, an den Schilden vorbei, um den Kriegsmeister in die Defensive zu drängen. Dieser wich auch einen Schritt zurück und gab die Blockade auf, doch nicht ohne verächtlich zu schnauben, während sich auf der Stirn beider Kontrahenten der Schweiß bereits abbildete.
Jetzt hatte er seine Gelegenheit, da holt er auch schon mit dem Schild aus, doch nicht zum Schlag, sondern mit dem scharf geschliffenen Metallrand zum Schnitt, so dass sein Gegner blocken musste, und aus der Drehung heraus folgte ein Stich, gezielt auf sein linkes Bein, so dass Renvar den Schild nach unten reißen musste, um abzuwehren. Seine rechte Flanke war nun frei, doch natürlich holte auch Renvar mit dem Schwert aus, um zu kontern. Ein Angriff den Alrik ausnahmsweise fast schon mühelos mit dem Schild beiseite schlagen konnte, während ihm das Blut in den Kopf schoss. Um ihn herum existierte nichts mehr, kein Vogelzwitschern und kein Wind, kein Schnee und keine Kälte, kein Schatten und kein Licht. Alles was jetzt zählte war seinen Meister zu übertrumpfen.
Der Wolf des Hochgipfels…… konnte er seine eigene Stimme immer wieder in seinem Kopf wiederhallen hören, wie ein uraltes Feuer dessen Glut längst erloschen schien, und wieder zu neuen Flammen entfacht war.


Renvars Flanke geöffnet, sein Schild gesenkt, zog Alrik das Schwert nach oben, doch nicht um zu attackieren, nur um seinen Arm in Position zu bringen, damit er ihm den Ellenbogen ins Gesicht zimmern konnte. Er hatte damit gerechnet dass es ohnehin nicht klappen würde, Renvar hatte immer irgendwie, irgendwo, noch einen Trumpf den er auspacken konnte…. doch als der Ellenbogen das Gesicht traf, nicht. Dumpf fiel sein Meister zu Boden, und spuckte warmes, rotes Blut in den Schnee, bevor er verblüfft inne hielt, als sich Alriks Schwert an seinen Hals legte, um vom Ende des Kampfes zu verkünden.
Alriks Atem ging schwer, kleine Dunstwölkchen entkamen seinem Mund und vermischten sich mit der kühlen Nachmittagsluft, und so sah er auf den Mann hinab, wartete auf dessen Reaktion, doch dieser hob nur überrascht eine Augenbraue und begann rau zu lachen.
“Über zwanzig Jahre bilde ich dich schon aus, und nun habe ich endlich verloren. Darauf hast du lange gewartet, oder?”, doch Alrik sagte nichts und schluckte nur.
Langsam erhob er sich und klopfte sich den Schnee von der Rüstung, betrachtete den blonden Wolf eine Weile lang nachdenklich, aus alten, lesenden Augen. “Du trägst Zweifel im Herzen, seit dieser Sache mit der Vision. Aber die solltest du nicht haben. Dein Vater wusste vom ersten Tag an, dass der Wolf mit dir heult, und auch wenn du immer wieder zögerst dich dem hinzugeben, weil du ja so gerne alleine arbeitest, hast du dich immer im Rudel entfaltet, kurzzeitig auch als Anführer.”
Erst antwortete Alrik gar nicht, sondern begann langsam seinen Krempel einzusammeln, den Bogen und den Köcher die er abgelegt hatte, das Jagdmesser, die Wurfmesser. Er war gerne bewaffnet, wenn er außer Haus ging, speziell seit dem Giftanschlag vor einigen Wochen. Eine Weile schwiegen sie sich an, ehe Renvar ihn auffordernd ansah.
“Was willst du mir damit sagen, Renvar? Die Tribute sind Einzelkämpfe, ich werde alleine in der Arena steh’n.”. Mehr als Trotz lag ihm gerade nicht im Sinn. Welche Ahnung hatte Renvar denn schon, wie es ihm ging, oder was er dachte? Nur weil er Ältester und Kriegsmeister war? Doch dieser lachte wieder nur, während er mit den Fingern durch seinen voluminösen Vollbart kraulte.
“Trotzdem werden sie hinter dir stehen und für dich heulen, und das wird dir die Kraft geben dich durchzuschlagen. Verdien dir den Namen, den dein Rudel dir gegeben hat, junger Mikkonen.”.
Und mit diesen Worten verließ der Krieger, ein Lied pfeifend den Übungsplatz, und hinterließ einen verdutzten Alrik, der nur nachdenklich den Blick auf das Blut im Schnee senkte.
“Ja…. Meister…”, presste er nur leise aus sich heraus, während er die rechte Faust ballte, bis seine Fingerknöchel weiß hervor traten.
Sich den Namen verdienen…. ja. Das würde er.

Kommentare 1

  • Interessant einen potentiellen Ring-Gegner kämpfen zu sehen!
    MÖGEN DIE SPIELE BEGINNEN!