Grelle Lichtblitze und die rasche Abfolge holografischer Fenster, stets abgewechselt von der relativen Dunkelheit des Arbeitszimmers. Abgeriegelt von dem Licht des Tages, den Stimmen der Fauna, der Betriebsamkeit der Kollegen und anderer potentieller Störfaktoren, durch einen metallenen Paravent für dem Aussichtfenster, wurde die Stille nur durch leise Atemzüge und herumwirbelnde Hände unterbrochen. Statistische Daten und dazugehörige Algorithmen in Hologrammen festzuhalten und auszuwerten, mochte eigentlich eine angemessene Aufgabe für einen Forschungsassistenten sein, doch die innewohnende Brisanz des Datenmaterials, machte die Arbeit des Magisters zu einer rein persönlichen Angelegenheit. Die verengten Augen blickten, üblicherweise in sekundenschneller Abwechslung, vom Bildschirm zu den Händen, während gedanklich bereits erste Reflexionen und Theorieentwicklungen zu den Daten unternommen wurden. Doch die Hände führten die Arbeit wie von selbst mechanisch fort und scheinen der geistigen Anwesenheit nicht zu bedürfen.
Erst die Erinnerung an einen kürzlichen Rückschlag des aktuellen Projektes, durch unbrauchbare Daten, bedeutete einen Bruch des Arbeitsprozesses. Wie durch einen Scherz der Natur, ereignete sich just im gleichen Moment ein wohlbekannter und wenig erwünschter Tumult in den Korridoren, vor dem Arbeitszimmer des Magisters. Erst ein klirrendes, dann ein brechendes Geräusch. Stets gefolgt von sich nähernden Schmerzensschreien und zornigen Forderungen nach Ruhe, aus den Zimmern anderer Kollegen. Der Magister verdrehte entnervt die Augen und ließ seine Ohren leicht hängen, während sich seine Hände kurz zurückzogen. "Zekk", fuhr es ihm durch den Kopf. Ein neuer und zeitweiliger Hospitant , der sich nicht nur durch eine skrittähnliche Blödheit, sondern auch durch eine nicht geringer einzustufende Tollpatschigkeit am ganzen Brill-Allianz-Labor einen Namen gemacht hatte. Und das in Blitzgeschwindigkeit. Zekks Leistungen beschränkten sich auf Kurierdienste, bei denen er mit alarmierender Regelmäßigkeit Schäden an Innenausstattung und Forschungsmaterial verschuldete. Sowohl dem Magister, als auch vielen Kollegen war es ein Rätsel, welcher Depp Zekks Hospitanz überhaupt genehmligt hatte. Da der Tumult aus den Korridoren in seiner Intensität deutlich zunahm, erhärteten sich die Befürchtungen des Magisters, dass Zekk womöglich ihn aufsuchen wolle. Noch während er sich die missgelaunt die Schläfen massierte und dabei die Augen fest zusammenpresste, platzte Zekk in das Zimmer hinein. Sein Erscheinen war ihm jedoch nicht möglich, ohne auf dem kleinen Teppich am Eingang auszurutschen und hart mit dem Gesicht auf dem Boden aufzuschlagen.
Scheinbar unbeeindruckt vom Schmerz - und der musste angesichts der Blessuren und der blutenden Platzwunden am Kopf beträchtlich sein - rappelte sich der Hospitant auf und klopfte sich eilig den Staub von seiner schmutzigen Robe. "Kurator... und Magister... oder Magister und Kurator Sooc.." "Was?!" "Eine sehr wichtige Nachricht!" Zekk war völlig außer Atem und sprach abgehackt, durch eine unbewusste Geste zur Stirn schien er neue Platzwunden erst jetzt zu bemerken. "Eine Einladung des Golemnanten Raac an Eure Abteilung. Er hält morgen, zu Tagesanbruch eine Rede zu neuen Erkenntnissen am Kolleg der Statik in Rata Sum. Euer Beisein wird von Raac ausdrücklich gewünscht." Zekk zog hektisch einen Datenspeicher mit einer vertonten Nachricht hervor machte sich daran sie auch abzuspielen, doch Sooc kam ihm zuvor. "Deswegen dieses Chaos? Ich wage mir gar nicht auszumalen, welche Unordnung Ihr dort draußen angestellt habt." "Ja Magister", brachte Zekk nur knapp mit reuigem Blick hervor, als Sooc den Datenspeicher entgegen nahm und ein Aufstöhnen unterdrückte. "Gut, seid bedankt. Richtet Ingenieur Raac aus, dass er sich diesbezüglich nicht nochmals bei mir zu melden benötigt...", noch im Satz vollzog Zekk eine blitzartige Drehung um die eigene Achse, damit Soocs Nachricht möglichst schnell übermittelt werden konnte, obwohl er sie noch gar nicht zur Gänze kannte. Wenige Augenblicke später war Zekk erneut verschwunden und der Magister vollendete seinen Satz in Einsamkeit: "...denn ich werde es auch nicht." Sooc gluckste, als er den Datenspeicher kurzerhand über den Paravent aus dem Fenster warf.
Mit nicht unwesentlicher Schadenfreude nahm der Magister wahr, wie am Ende des Korridors etwas - oder besser gesagt jemand - mit vollster Wucht gegen das große Kontrollpult stieß und danach schreiend die Treppe herunterstürzte. Eine Einladung zu einem Vortrag von Golemnant Raac. Der Magister musste laut lachend den Kopf schütteln. Raac galt als ein sehr konservatives Mitglied des Kollegs für Statik, so dass seine Denkweise und sein Sprachduktus - der Auffassung Soocs nach - mittlerweile qualitativ auf Ebene eines jener Golems anzusiedeln war, mit denen er sich so gerne beschäftigte. Der Magister malte sich vor dem geistigen Auge aus, wie der Vortrag des Golemnanten wohl von statten gehen sollte. "Liebe Mit-Genies, liebe Krumitglieder, liebe Gäste, bitte begrüßt zusammen Raac, welcher uns über seine aktuellen Forschungen
auf den neuesten Stand bringen wird!" Und dann würde der Golemnant in mechanischer Manier angeschlichen kommen. "Aktiviere-Kommunikationsprotokoll-hallo-liebe-Zuhörer-ich-bin-Raac-und-Fehler-Fehler-Systemabsturz-Betrieb-wird-unverzüglich-eingestellt-Neustart-und-Formatierung-empfohlen." "Danke Golemnant Raac für diesen erhellenden, sehr tiefgründigen und in jeder Hinsicht mitreißenden Vortrag!" Nochmals lachend fasste Sooc seine Konzentration wieder, um mit seiner bisherigen Arbeit fortfahren zu können.
Der jüngste Rückschlag der Forschung war selbstverständlich kein Resultat von Soocs Fehlplanung gewesen, sondern der Inkompetenz der Wartungsabteilung anzukreiden, welche sich augenfällig unzureichend über die zwingend notwendige Instandhaltung gekümmert hatte. Hierbei handelte es sich um ein Experiment, in welchen eine eingepferchte Gruppe von Skritt auf engstem Raum, unter dem Druck fortwährender Temperaturänderungen und täglich abnehmender Nahrung, numerisch-mathematische Leistungen erbringen sollten, um als Belohnung mit weiterer Nahrung versorgt zu werden. Ein Intelligenzanstieg durch die Hinzunahme weiterer Skritt blieb aus. Keinerlei Anzeichen der Bereitschaft, respektive einer Befähigung zur Lösung der Aufgaben wurden ersichtlich. Eine Störung des Temperaturreglers führte dann jedoch zu einem Brand. Keines der Testsubjekte überlebte. Als einer der wenigen Eingeweihten und Hauptverantwortlicher hinter jenem Experiment, war der Magister genötigt gewesen, den dadurch entstandenen Schlammassel zu bereinigen und zu vertuschen.
"Sooc. Auf ein kurzes Wort." Trotz seiner scharfen Ohren hatte der Magister das Eintreten seines älteren Kollegen, dem Arkanisten Muzz, nicht bemerkt. Eilig rief er ein anderes Hologramm auf, bevor er sich der Ursache der Unterbrechung seiner Arbeit zuwandte. "Was gibt es?" Der Ältere trug ausgefranste Kleidung und wedelte beim Sprechen theatralisch mit beiden Händen. "Das Experiment zur Essensrationierung wurde vorzeitig beendet." Sooc rieb sich kurz am Kinn und fuhr mit der Zunge über die scharfen Zähne, während er in sich ging. Die Rede war von jenem Experiment, in denen zehn Skritt in einem hermetisch abgeriegelten Raum und einer beträchtlichen Menge Nahrung eingeschlossen wurden, um ihr langfristiges Planungsvermögen bei der Rationierung und Konservierung von Lebensmitteln zu ermitteln. "Was ist geschehen?" "Die zwei physisch stärksten Testsubjekte haben die Hoheit über die Nahrungsvorräte beansprucht und sich in kurzer Zeit regelrecht zu Tode gefressen. Keinerlei Anzeichen einer langfristig intendierten Planung." Muzz presste missbilligend die Lippen aufeinander, während Sooc unzufrieden den Kopf schüttelte. "Ich würde beide zu Koryphäen der Obesitas ernennen, sofern die Obesitas ein akademisches Fach wäre... und sofern sie jemals wüssten was 'Koryphäe' und 'Obesitas' bedeuten." "Was sollen wir tun?" "Wir entscheiden beim morgigen Colloquium darüber. Weiß Qhira schon davon?" "Ich hatte vor, es ihr gleich zu erzählen", bemerkte der Arkanist, als er sich bereits zum Gehen aufmachte und von dem Magister nicht daran gehindert wurde.
Ein Fehlschlag? Oder ein erwartbares Resultat? Zum frühzeitigen Abbruch des Experiments eröffneten sich gleich mehrere Theorien - in jedem Fall sprach es nicht für eine kollektive Intelligenz der Skritt. Vielleicht musste ihre Anzahl noch exponentiell erhöht werden? Während Sooc mit seinem Finger am Mundwinkel tippte und dabei nachdenklich im Zimmer auf- und abging, fasste er Gedanken zu ersten Theorien, welche er durch den Bezugauf sein fehlgeschlagenes Experiment teilweise gleich wieder verwarf. Er würde sich morgen beim Colloqium noch mit seinen Kollegen intensiver austauschen müssen. Kaum hatte er sich nach dieser erneuten Unterbrechung wieder an die Arbeit machen wollen, wurde er ein drittes mal in seiner Konzentration gestört. Der Magister quittierte dies mit dem entnervten Umstoßen eines Gefäßes von seinem Arbeitstisch.
"Komme ich gerade ungelegen?" "Das gelingt Dir immer. Diese ständigen Unterbrechungen gehen mir allmählich auf die Nerven. Was ist denn? Muzz wollte gerade zu Dir."Die langohrige Feldforscherin Qhira trat ein. "Er war schon da, es geht um etwas anderes." Qhira redete nie um den heißen Brei herum, sondern kam ohne Umschweife zur Sache. "Im Foyer wartet ein Bookah. Er hat verlangt, dich zu sprechen." "Ein Mensch? Wer ist er?" Der Magister setzte eine ungläubige Miene auf. "Telakkah oder so ähnlich." "Was will er denn hier? Insbesondere von mir?" "Hat er nicht gesagt, er will mit Dir darüber sprechen. Darüber hinaus bin ich nicht dein Kommunikationsmedium", gluckste Qhira und verließ das Zimmer wieder. "Aber Du bist noch immer der Idiot, für den ich Dich von Anfang an gehalten habe."
Sooc seinerseits konnte sich gut vorstellen, was das zu bedeuten hatte, aber das musste er ja sonst niemanden wissen lassen. Er betrachtete noch ein letztes mal seine statistischen Daten und machte sich dann auf den Weg nach unten, das Chaos im Korridor - welches noch immer von Zekks "Besuch"zeugte - geflissentlich ignorierend.
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