Ängste

Die Augen schlug Ethan ruckartig auf. Es war ihm viel zu heiß im Zimmer und die erste Handlung war es, sich die zu lang gewordenen verschwitzten Haare aus dem Gesicht zu streichen. Der Mann hatte sich daran gewohnt, im Sommer Nachts zu schwitzen. Seine Frau schloss penibelst alle Fenster und zog die Vorhänge vor, nur um die Stickigkeit der vielen Kerzen und Lampen noch zu erhöhen. Er hatte sich schon lange nach einer Alternative umsehen wollen - Licht ohne Wärme, aber er konnte die Asura und ihre Erfindungen nicht leiden. Abgesehen davon, dass er ohnehin keine Zeit gefunden hätte.


Im Moment allerdings war es dunkel. Ein Hauch von Restlicht tauchte das Schlafzimmer in ein fahles Licht und es zog. Diese Umstände war es, der ihn nach ein paar Sekunden hellwach werden ließ. Kein warmer Kerzenschein? Der nächste Blick ging zum Fenster, aber es war noch dunkel draußen.
Wenig begeistert richtete der Mann sich mit leisem Knarzen des Rostes auf und ließ die braunen Augen durch das Zimmer wandern. Weder der Körper einer Frau neben ihm, noch eine Decke. Die lag dafür auf dem Boden. Von der zugehörigen Gattin jedoch sah er auch sonst nichts.
Ein tiefer Seufzer entfuhr der Kehle des Featherstones, bevor er sich aus dem Bett schwang und sich auf die Suche begab. Unter seinen Füßen knarzte der Dielenboden und wäre es nicht dunkel und Djamila untypischerweise aus den Federn verschwunden, hätte er das Geräusch wohl als heimelig wahrgenommen.


In der Küche endete seine Suche. Er selbst hatte kein Problem damit sich in der Dunkelheit zurecht zu finden.
Ohne auch nur einen kläglichen Rest der Eleganz und ihrer Erhabenheit hockte die groß gewachsene Frau im Nachthemd in einer Ecke des Raumes. Neben ihr auf dem Boden verstreut lagen Zündhölzer und eine zerbrochene Lampe. Allerdings schien das die Elonerin nicht mehr groß zu kümmern, denn sie war zum Häufchen Elend geworden, das die Beine an sich drückte und das Gesicht gegen ihre Knie presste. Der Körper bebte unter der Last des Weinkrampfes, der sie quälte.
"Djamila, Liebling.", schlug Ethan einen sanften, seiner Hoffnung nach beruhigenden Tonfall an.
Mehr als einen dunklen, männlichen Schemen im Schummerlicht konnte sein aufgelöstes Gegenüber aber nicht erkennen. Die Augen wanderten hoch zu ihm und sie starrte ihn an, als wäre sie die in die Ecke getriebene Beute eines übermächtigen Raubtiers.
"Geht weg!" Der Schrei durchschnitt die nächtliche Stille kalt. Von der tiefruhigen Stimme Djamilas war genauso wenig übrig wie von ihrem Auftreten. Stattdessen überschlug sie sich förmlich, bevor sich die dunkelschöne Frau wieder so klein wie möglich machte. Nur das schniefende Wimmern der Dame erklang noch.
Ethan presste die Lippen aufeinander und rieb sich mit der Hand die Wange, auf der der nächtliche Bartschatten stand. Dann kehrte er um, ließ Djamila allein damit, was auch immer sie quälte. Er kannte diese Momente und er wusste, dass er besser erst einmal eine Lampe holte.


Keinen Zentimeter hatte sich das jammernde Bündel aus hochgesteckte Haaren, Nachthemd und dunkler Haut bewegt. Allerdings verstummte das Schluchzen, als der Raum in ein flackerndes, warmes Licht getaucht wurde. Ein paar lange Momente ließ der Featherstone seiner Gemahlin, betrachtete sie als sie sich langsam zu beruhigen begann.
"Djamila. Es bin nur ich. Es ist alles in Ordnung.", wagte er dann einen zweiten Versuch im gleichen Tonfall. Fast wie mit einem Kind sprach er. Als er keine abweisende Geste erfuhr, trat er zu ihr hin, reichte ihr die Lampe - an die sich die dunkelhäutigen Hände klammerten, als wären sie der Leuchtturm für ein im Nebel verlorenes Schiff - und hob sie dann langsam hoch. Die Tränen, die über ihre feinen Züge rollten, waren noch nicht versiegt.


"Ist es.. Es ist wieder passiert.", stellte sie im Schlafzimmer mit brüchiger Stimme fest. Ihr Gatte setzte sie sanft auf dem Bett ab. An die Lampe klammerte die Frau sich, während Ethan sich daran machte die Kerzen und Lampen - fein säuberlich aufgestellt, als wäre ihre Position ausgemessen - wieder zu entzünden und das geöffnete Fenster zu schließen. "Der Wind muss das Fenster aufgedrückt haben." Er behielt den sanften, tiefen Tonfall bei. "Es ist alles gut, Djamila. Es ist niemand hier - außer uns."


Immer noch mit der Öllampe in den Händen guckte die sonst selbstbewusste Elonerin Ethan groß an. Die Augen waren deutlichst gerötet und sie hatte ganz offensichtlich noch nicht alles verdaut. "Kannst Du nachsehen?", piepste Djamila schon fast.
Er blickte sehnsüchtig über das Bett, nickte aber und unterdrückte ein Gähnen. "Natürlich. Gib' mir eine Minute, mein Schatz." Am Weg zurück in den Flur strich er ihr über das rabenschwarze Haar und setzte einen Kuss in den Schopf. Vor der Tür aber seufzte er ein weiteres Mal tief und begann den Kontrollgang durch das Haus. Nur in der Küche verweilte er länger, räumte auf und setzte Tee auf. Dass er heute kein Auge mehr zu tun würde, wusste er jetzt schon.

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