Mittagsgerüche, nach angebratenen Zwiebeln, Fleisch und Kartoffeln, zogen durchs offene Fenster und mit der kühlen Luft herein, in das Schlafzimmer mit dem Bett, das eine einsame dunkelhäutige Schönheit beherbergte. Im Halbschlaf wälzte sie sich herum und schob den schlanken Körper auf die andere Seite des Betts, wo sie schlaftrunken auf eine lebendige Wärmflasche hoffte.
Allerdings begrüßte sie nur das Rascheln von Papier, auf das ihr Arm patschte. Erschrocken und mit einem Schlag hellwach setzte sie sich auf und ließ die Augen über den Schrieb wandern. Schon nach dem ersten Satz hatte sie allerdings aktiv zu lesen aufgehört. Sie wusste schon was da stand. Die Arbeit hatte wieder gerufen, er dürfe nicht zu spät sein und wann er zurück sein würde.
Die schriftlichen Liebesbekundungen und Entschuldigungen ihres Mannes am Ende des Briefs hob Djamila sich ohnehin für später auf, wenn der Ärger darüber, dass er sich nie wirklich verabschiedete, verflogen war und zugunsten von Einsamkeit und Sehnsucht wich.
Eigentlich hatte sie es sich ja schon denken können, mutmaßte sie, während sie mehr aus dem Bett fiel, als dass sie stieg und musste schmunzeln. Normal war es nicht, dass Ethan sie nach dem Frühstück noch einmal zum Kuscheln entführte. Vorsorgliche Versöhnung. Immerhin nicht beleidigt, sondern lächelnd, wischte sie sich die verwuschelte nachtschwarze Mähne aus dem Gesicht. Letztendlich war sie es ja von ihm nicht anders gewohnt. Er konnte schließlich keine Verabschiedungen leiden.
„Das wäre ja, als würde ich nicht wieder kommen.“, hörte sie ihn förmlich sagen und musste lachen, während sie unter der Dusche stand.
Seine Stimme vermisste sie schon jetzt.
Vor dem Spiegel befand sie, dass es bald Zeit wurde, ihre Tätowierungen nachstechen zu lassen, allerdings begab sie sich statt einen weiteren Gedanken auf das Hautbild zu verschwenden, mit milder Eile und einer so einfachen braunen Leinenkleidung aus dem Haus, dass die Djamila der Gegenwart in Götterfels sie nicht eines Blickes würdigen würde.
Zumindest würde ihr Mann dieses Mal sicher rechtzeitig zurückkehren und sich nicht wie so oft verspäten. Immerhin stand Besuch bei seinen Eltern an. Genau für diesen kaufte sie ein. Ihren Kuchen fanden die beiden in die Jahre gekommenen Leutchen nämlich ganz vorzüglich.
Sie selbst allerdings nicht.
Denn dass ihr Sohn eine Elonerin geheiratet hatte passte ihnen gar nicht in den Kram. Bei dem Gedanken daran musste sie unweigerlich die Nase rümpfen. Nur um sich dann schnell zu entschuldigen, denn die Veränderung der Mimik hatte aus Versehen Johanna, die Eierfrau, abbekommen. Aber hier auf dem wöchentlichen Markt war das ebenholzfarbene Juwel eine, die regelmäßig so freundlich und herzlich auftrat, dass man ihr gerne verzieh. Während sie in Gedanken durch die Stadt zurück zu ihrem Haus wanderte, ganz ohne viel Aufmerksamkeit zu erhaschen, ohne Schmuck und ausladenden Hüftschwung, rief die Voraussicht auf die Familie Ethans noch ein paar düstere Blicke auf dem Antlitz hervor.
Eigentlich wussten sie ja, dass Frau Featherstone, genauso wie ihr Mann, ihre Überzeugungen teilte und sie selbst nicht immer allzu zufrieden mit sich war.
Die Erinnerung verdrängte Djamila. Auf dem Sofa eines Wohnzimmers, in dem sie sich durchaus wohler fühlte als in ihrem Zimmer im Ossa-Viertel, lag sie und las ein Buch. Ein Buch, das sie eigentlich nicht interessierte. Irgendeine Art von Schnulzenroman. Sie hatte schon wieder vergessen wie er angefangen hatte. Allerdings wartete sie hier ja auch nur ab. Bis es Alice wieder besser ging.
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