*Spoiler, vulgäre Ausdrucksweise und Gewalt im zweiten Teil*
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Ein gewöhnliches Mädchen? Der Magister konnte sich ein leises Auflachen schlechterdings nicht verkneifen, als er die Gedanken und Geschehnisse des Abends Revue passieren ließ. Er befand sich allein auf der Dachterrasse und lehnte an der für ihn turmhohen Balustrade, während sich unter ihm das nächtlich ruhige Ossa erstreckte. Fackeln und Kerzenschein in den Häusern, verdichteten sich zu einem Ozean der kleinsten Lichter, während eine kalte Brise sich wie ein leichtes Schauergefühl durch Haar und Ohren zog. Die abendliche Kälte hatte viele Leute ins Warme getrieben und draußen eine weitläufige Stille hinterlassen, welche durch das muntere Treiben im Schankraum kontrastiert wurde. Einem kurzen Blick auf das neolithisch, wenngleich idyllisch wirkende Häusermeer, folgte ein kurzer Schluck aus seinem Glas. Es war eine automatische Geste, denn der Durst war längst gelöscht worden.
Es erforderte doch einiges an abenteuerlicher Vorstellungskraft, sie im Lichte eines gewöhnlichen Mädchens und den damit assoziativen Kleinmädchenträumen zu sehen. Welche Träume mochten weibliche Menschenkinder wohl haben? Insbesondere, wenn sie entweder mit Aufmerksamkeit gefüttert wurden wie ein Mastschwein mit Abfällen, oder immerzu nach dieser gierten, wie nach einer erlesenen und viel zu selten vorrätigen Speise? In ihrem Fall erschien dem Asura beides möglich, so auch eine Mischung beider Aufmerksamkeitsgrade, welche beide jedoch in den jeweils falschen Situationen zur Geltung gekommen waren. War es wie in die Märchen und Geschichten, an welcher sich die jungen Bookah so erfreuten? Beinhalteten Kleinmädchenträume romantisierte Imaginationen von schönen Kleidern, Frisuren und Festen, auf denen man zu bezaubernder Musik mit minder bezaubernden Vertretern des anderen Geschlechts tanzen durfte? Oder der Beschluss jener interaktiven Institution namens Ehe, mit einem Prinzen oder Ritter auf weißem Hengste, nebst der utopischen Aussicht, eine makellose Familie zu gründen? Ein erneutes Lachen konnte der Asura angesichts dieser hanebüchenen Vorstellungen beim besten Willen nicht unterdrücken. Lagen sie doch im diametralen Gegensatz zu den Eindrücken, welcher er sich von seiner 'vertrauenswürdigen Geschäftspartnerin' bisher machen konnte. Egal aus welcher Perspektive es sich einzubilden versuchte, er konnte die offensichtlichen Schleier von Fiktion und Illusion in seinen Gedanken nicht ausblenden.
Dennoch kühlte seine Laune, äquivalent zu der vorherrschenden Temperatur, ein wenig ab. Sie wich der üblichen Gefühlsmischung von Ernsthaftigkeit, veredelt mit einer Prise gesundem Skeptizismus. Vielleicht war sie ja einst wirklich so gewesen. Möglicherweise war sie das in ihrem Innersten noch immer. Dem Magister mangelte es gleichwertigen Erfahrungen und Einblicken in die familiären Strukturen von Menschen, dennoch mutmaßte er – insbesondere bei einer solchen Familie – dass es alles andere als leicht war, dort glücklich aufzuwachsen. Nun kannte Sooc nur zwei andere Mitglieder jener Sippschaft. Und auch diese bestenfalls nur flüchtig. Doch bereits in singulären Erfahrungen durch unvernünftige Konversationen, hatten sich jene Angehörigen als das idealtypische Gegenteil von Solidarität, Freundlichkeit und Intelligenz erwiesen. Wie es wohl war, unter solchen Leuten aufwachsen zu müssen? Musste man jemandem seine Zuneigung schenken, nur weil man zufälligerweise Blut und Stammbaum mit ihm teilte? Der Magister seinerseits tat es nicht. Seine 'Familie' war entschieden kleiner, aber auf ihre eigene Art ebenfalls hochgradig problematisch. Wer war er also, dass er das 'gewöhnliche Mädchen' hätte verurteilen können? Für das, was sie vorgab zu sein, wirklich war und vielleicht gerne sein wollte? Letztlich wollte jeder so leben, wie er es als richtig erachtete. Nun gingen diese Vorstellungen und Überzeugungen von Richtigkeit heterogen auseinander und waren gar zahllos. Doch intersubjektiv, davon war Sooc überzeugt, sehnte sich ein jedes Wesen letztlich nach Zufriedenheit, einer gewissen Anerkennung und einem Raum der Geborgenheit.
Dennoch war kaum jemand in der Lage, das Gute für sich selbst zu finden. Zumindest nicht, ohne unterschiedlich böse Dinge und Taten zu begehen. Von Geburt an war man mit unterschiedlichen Voraussetzungen konfrontiert, diese Ziele auch zu erreichen. Und niemand vermochte es, sich Art und Gestaltung dieser Prämissen zu wünschen – man erblickte das Licht Tyrias ohne sein Einverständnis und in jeder Hinsicht vollkommen willkürlich. Hätte sie sich dieses Leben ausgesucht, wenn sie die Wahl gehabt hätte? Und hätte der Magister sich das Seinige ausgesucht?
Eine rührende Handbewegung, welche zu einem kleinen Aufschwappen des Wassers führte, riss ihn aus seinen Gedanken. Eine Note der Heiterkeit bahnte sich einen Weg zurück in sein Bewusstsein. Niemals hätte er sich vorstellen können, einmal dermaßen intensiv über Thematiken nachzudenken, welche er in der Vergangenheit nicht einmal kategorisch als Nebensächlichkeiten quantifiziert hätte. Darüber hinaus war das Leben nicht so schlicht und unfrei beschaffen. Der Beginn des eigenen Lebens ließ sich aus eigener Kraft nicht beeinflussen – das war unbestreitbar – die darauffolgende Zeitperiode der eigenen Existenz sehr wohl. Ein jeder besaß die Freiheit, mehr noch, die unvermeidbare Pflicht, eigenständige Entscheidungen von unterschiedlichstem Ausmaß zu treffen. Und die angebliche Existenz von schicksalhaften Mächten, welche das Leben als vorherbestimmt und in sich geschlossen charakterisierten, konnte der Magister fortwährend nur müde belächeln.
Der Asura trat ein wenig abseits, um einen Stuhl zu ergreifen und diesen nachfolgend als Vergrößerungshilfe zu verwenden. So konnte er seine Ellbogen als Kopfstütze auf der turmhohen Balustrade platzieren und den leicht glasigem Blick über das abgedunkelte Häusermeer schweifen lassen. Mittlerweile nahm er Götterfels in einem differenten Kolorit wahr. Zu Beginn hatte er hier alles und jeden nur mit geringschätzendem Missfallen beäugt und sich mehr als nur unwohl gefühlt. Jetzt empfand er gar nichts mehr, eine seltsam farblose Neutralität, die wie ein Schleier über seine Augen fiel, als er die Aussicht zu genießen schien. Der Magister fühlte sich hier nach wie vor fremd – das würde er immer tun – dennoch nicht mehr so verlassen zu Beginn. Vielleicht hatte er Gefallen an der Gesellschaft der Bookah gefunden? Im Allgemeinen auf keinen Fall, doch gab es einige bemerkenswerte Individuen, welche es geschafft hatten, ihn ehrlich und positiv zu überraschen. Vielleicht hatte er Optimismus hinsichtlich der Aufgabe gewonnen, welche für sein Hiersein verantwortlich war? Nun, nein. Das war immens unwahrscheinlich. Vielleicht glich er sich – sozialen Gesetzmäßigkeiten konform – allmählich dem intellektuellen Niveau seines Umfeldes an und war gar nicht mehr fähig, sich derart übergeordnete Gedanken zu machen? Zu hoffen blieb es aus seiner Sichtweise nicht. Egal wie der Magister es auch drehte, er wusste seinen Stimmungswechsel nicht befriedigend zu erklären. Und auch an dieser Stelle erschien es ihm wie ein nebulöses Mysterium, warum er derartige Gedanken überhaupt zuließ. Das Leben war wahrhaftig kontingent und barg windungsreiche Überraschungen.
„Kein Axiom legitimiert die unabdingbare Simplizität des Lebens. In oppositioneller Hinsicht, muss es jedoch auch nicht forciert kompliziert sein. Doch reliabel vorhersagen lässt sich der Lebensweg durch das Momentum des Zufalls niemals. Prognosen gestalten sich schwierig. Insbesondere, wenn sie die Zukunft betreffen.“
Von vorrangiger Relevanz war zweifellos, das man sich Mühe gab, irgendeine Art von Leben zu führen. Bedauerlicherweise auch, wenn dieses nur auf sinnbefreitem Gewäsch und Geschwafel fußen sollte. Erneut musste er Magister leicht erheitert auflachen. Ob er wohl das einzige Individuum war, welches sich das ausufernde Dickicht des Götterfelser Tratsches mokierte? Wenngleich die Menschen ansonsten auch nichts bemerkenswertes zu schaffen vermochten - das Beitreiben der hiesigen Gerüchteküche und die Zubereitung exotischer Leckerbissen bizarrster Dimension, beherrschten sie ohnegleichen. Neulich waren Sooc abstruse Gerüchte zu Ohren gekommen, das irgendein mit-Genie schon mehrmals Hausverbot in einem örtlichen Etablissément erhalten hatte, doch nichtsdestotrotz ständig wieder dort aufzukreuzen gedachte. Für den Magister klang das ganz nach einem gewissen Schwerenöter, der aufgrund von Triebhaftigkeit und sexuellen Neigungen schlechterdings nicht von einer gewissen Lokalität in Salma lassen konnte. Die Süchtigen und Sündiger scheuten das bestimmende Reglement nicht, sie lebte davon, es zu verletzen. Anderen Mäulern zu Folge, sollte sich ein weiteres mit-Genie öffentlich zum Narren gemacht haben, als es gewaltphantasierend einen Präventivschlag gegen sämtliche Hyleks – von ihm nur pauschal als 'Krötenköpfe' tituliert - gefordert hatte.
Der Magister wusste dazu nur den Kopf zu schütteln. Eine Geste, welche seine großen Ohren umher segeln ließ, wie zwei alkoholisierte Fledermäuse im stürmischen Nachtwind. Bereits der bloße Gedanken, dass sich gewisse mit-Genies, hier in der Fremde und größtenteils in der Gesellschaft intellektuell unterlegener Wesen, leichtfertig lächerlich zu machen wussten. Damit schadeten sie nicht nur dem eigenen Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein. Im schlimmeren Falle fügten sie der Reputation ihrer Artgenossen schwerste Kratzer hinzu, beflügelten artifizielle Vorurteile und erregten Missfallen. Nur gut für den Magister, dass er derartiger Torheiten nicht einmal in genuin theoretischer zu begehen beabsichtigte.
Nein, die Begehung von Torheiten entsprach in keinster seinem Metier, dachte der Magister bei sich, als er seine kleine Apparatur hervorholte und mehrere Hologramme darauf erschienen ließ. Er besah sich das neueste, welches er bei dem Gespräch heimlich aufgenommen hatte. Glücklicherweise war sie der asuranischen Schrift nicht mächtig, oder hatte zumindest vorgegeben, es nicht zu sein. Ansonsten hätte sie den Vorgang mutmaßlich bemerkt. Das violett leuchtende und in rhythmischen Abständen leicht aufblitzende Hologramm, zeigte das bewegte Bild eines weiblichen Bookah in Soocs Zimmer. Grundsätzlich nichts besonderes, doch eventuell ließe sich dies durch eine künstliche Tonspur akustisch untermalen. Eine belastenden Tonspur beispielsweise. Das wäre nicht viel und wahrscheinlich würde auch keine jener inkompetenten Wacheinheiten das jemals glauben, aber es war ein Anfang. Ein verschmitztes Lächeln umspielte seine Lippen.
„Sich angemessene Garantien zu erschaffen erscheint lediglich als sinnvoll und vernünftig, sollte sich das ein oder andere gewöhnliche Mädchen eklatant ungebührlich benehmen.“ Absicherung war zweifelsohne ein angenehmer Aspekt des Lebens, insbesondere, wenn sie auf die Kosten anderer ging. Dennoch legte sich die hohe Stirn des Asura abermals in Falten. Verabscheute er sie wirklich so sehr, dass er sich an einem solchen Vorgang auch noch erfreute? Oder würde es die Sache leichter machen, nur wenn er sich das einredete?
Ein dumpfer Knall, gefolgt von wüstem Geschrei – welches er durch die vermeintliche Distanz nur sehr flüchtig wahrnahm – ließ den Magister den Gedanken nicht zu Ende führen. Pistolenschüsse. Zweifellos kamen sie aus dem Ossa. Gerade als er die ungefähre Richtung auszumachen beabsichtigte, intensivierten sich die dumpfen Knallgeräusche. Erneut rang er sich ein Lächeln an, dieses mal war es eindeutig sarkastischer Natur. Diese Bookah und ihr selbstzerstörerisches Verhalten. Natürlich wusste er nicht, ob an dieser Schießerei nur Bookah beteiligt waren, doch einen anderen Schluss ließ sein Gedankengang nicht zu.
„Die durch ihre Körpergröße bedingte Eitelkeit, lässt die Menschheit ein simples Gesetz vergessen. Je weiter das Gesicht vom Boden entfernt ist, desto größer werden Schmerz und Pein sein, wenn man schließlich stürzt.“ Er tippte sein Glas an um zuzusehen, wie es von der Balustrade fiel und auf dem Straßenpflaster in Scherben ging.
~ * ~
Zamon Delaquas Körper bebte. Es war eine Mischung aus Nervosität, sexueller Erregung und dem so wohltuenden Gefühl von Macht. Beide gingen dort vorne vor ihm und seinen Pistolen auf die Knie. Wehrlos. Hilflos. Genauso wie er sie hatte haben wollen. Sie zumindest, der Andere war lediglich ein armer Teufel, der zur falschen Zeit am falschen Ort war und deswegen bald zu Grenth geschickt wurde. Die Fingerspitzen juckten und lechzten danach, abzudrücken. Er konnte es nicht erwarten zu sehen, wie sie erschossen vor ihm auf den Boden gehen würden. Sobald er den Abzug drückte – dessen war sich vollends sicher – würde er zeitgleich abspritzen. Doch er würde genug seines süßen Nektars behalten, um die Schlampe noch langsam und innerlich zu vergewaltigen, während sie sterbend vor ihm lag und er den letzten Moment ihres Lebens gleichzeitig zu ihrem Glückseligsten machen würde. Er spie wüste Beleidigungen gegen seine zwei vermeintlichen Opfer aus und verging dabei in sexuellen Gewaltphantasien.
Das hätte er nicht tun sollen. Als er siegessicher und lustvoll kurz die Augen schloss, während er sprach, hatte sie sich hochgerissen und ihm einen Streifschuss in die Seite verpasst. Panisch setzte er zwei Schüsse ins Leere, bevor er vor Wut vollends überkochte. Sie würde sterben. Durch seine Hand. Er würde es genießen, sie von hinten zu nehmen, während sie hilflos vor ihm herum zappelte. Doch zunächst sah Delaqua nichts als Blut vor seinen Augen. Wahllos setzte er mehrere Schüsse in Richtung seiner beiden Kontrahenten, verfluchte sie mit dem obszönsten Repertoire seines Wortschatzes und wähnte sie schon tot.
Auch das hätte er nicht tun sollen. Affektiv gelenkt durch blinden Zorn fanden die Kugeln ihr Ziel nur im unbefriedigendem Maße und er kassierte eine weitere Kugel, welche sich durch seine Haarpracht zog und dort eine Spurrille hinterließ. Er taumelte vor Schreck rückwärts, ließ eine seiner Pistolen fallen und landete auf dem Hosenboden. „Scheiße!“ Diese widerwärtige Hure! Hatte sie es gewagt, seine wunderschöne Frisur zu ruinieren? Dafür würde er ihr jedes Haar einzeln herausreißen! Jetzt brüllte sie ihn auch noch an! Ha! Die würde sich wundern. Es war Zeit, dass Ihr Mund mit etwas Anständigem gefüllt wurde und gleich würde das so sein. Der Knilch an ihrer Seite wagte es nun auch noch, sich einzumischen. Hätte dieser Drecksack nicht einfach krepieren können? Er zog ein Buttermesser – für Delaqua war es nichts anderes – und machte einen Satz auf ihn zu. So nicht! Fluchend rappelte sich Zamon wieder auf, zielte auf sie und verschoss seine letzten beiden Patronen.
Bei diesem goldenen Schuss kam er, stöhnte lustvoll auf und verlor die Balance. Die Liste an Dingen, die er nicht hätte tun sollen, wurde in kürzester Zeit immer länger. Er traf sie wohl, doch abermals nicht entscheidend. Sie blutete. Ha! „Hast' wohl deine Tage Du Schlampe!“ So witzig er diese Situation auch finden konnte, fand er sich urplötzlich im Nachteil wieder. Seine Kugeln hatte er verschenkt wie Naschzeug und im Gegenzug stoben nur zwei – angesichts der Situation wahrscheinlich wenig erfreute – Leute auf ihn zu. „Bastarde!“ Delaqua wusste nicht besseres, als seine Pistole nach ihr zu werfen und hernach seine Trumpfkarte auszuspielen. Mit anderen Worten, er gab Fersengeld. Dann würde er sie eben ein anderes mal kaltmachen und gleichzeitig ficken.
Doch seine Verfolger waren scheinbar wenig geneigt, Zamon einfach so davonkommen zu lassen. Er hörte einen Schuss und spürte fast zeitgleich einen stechenden Schmerz in der Schulter, der ihn beinahe zu Boden stürzen ließ. Abermals fluchte er bitterlich und wühlte hektisch in seiner Innentasche, nach dem geliebten Mordwerkzeug. Beide folgten ihm, sie wohl noch wesentlich energischer als er. „Scheiße!“, brüllte er erneut, aber bekam kurz darauf das Objekt seiner Begierde zu fassen. Damit kehrten auch Mord- und Kampfeslust in sein Bewusstsein zurück und verzogen seinen Mund zu einem manischen Grinsen. Er entschloss sich, abrupt stehen zu bleiben und die Schlampe einfach in ihn hinein rennen zu lassen. Ha! Er würde sich auf sie stürzen und in mehrfacher Hinsicht in sie eindringen. Doch zunächst mit seinem Langmesser.
„Stirb!“ Delaqua ließ sich nach hinten fallen und bereute diese waghalsige Entscheidung sogleich, als ein Buttermesser auf auf ihn zuflog und ihm die Orientierung nahm. Er stach zu, mehrmals, intensiv, inbrünstig, versuchte dabei weiter zu fluchen. Er wollte ihren Tod, doch so einfach war es nicht. Er kassierte mehrere Schnitte im Gesicht, verlor durch das Blut kurzzeitig sein Sehvermögen und wusste kaum, wie ihm geschah. Das Handgemenge dauerte nur kurz, dann schien er den Halt zu verlieren und taumelte nach hinten. Im Affekt trat er wie ein Dolyak aus, allerdings nach vorne und spürte noch, wie er sie ächzend zu Boden schickte. „Scheiße!“ Der Facettenreichtum seiner Sprache war wahrlich bemerkenswert. Er wollte sich direkt wieder erheben und der Hure den Rest geben, doch dazu kam es nicht. Denn ihr Begleiter stand nun über ihm, drückte sein Messer schmerzvoll tiefer in Delaquas Schulter und ließ ihn dadurch aufschreien. Er wollte diesen Bastard auf der Stelle ermorden, doch wurde von einem Fausthieb erst einmal wieder zu Boden geschickt.
Hustend und nun plötzlich in größter Not wusste Zamon nichts weiter, als nach seinem anderen Mordwerkzeug zu kramen. Der Stiefel, den er in seiner Lendengegend spürte, gab ihm nochmals zusätzliche Motivation, bevor sich seine Augen erneut mit Blut füllten und ihm das Sehvermögen nahmen. Dann wurde er gewaltsam an seinen schönen Haaren hochgerissen und stach zu.
Etwas eiskaltes fuhr über seinen Hals, ließ etwas glühend heißes zurück und raubte ihm die letzte Kraft. Er fühlte sich unfähig. Unfähig, zu sprechen, zu stehen, noch klar zu denken. Gurgelnd, mit ersterbenden Flüchen auf der Zunge, wand er sich hilflos auf dem Boden, während das Blut aus seiner Kehle hervorschoss, wie Magma bei einem Vulkanausbruch. Was bedeutete es eigentlich, zu Sterben? Was bedeutete Tod? Niemals hatte er sich darüber Gedanken gemacht und würde auch jetzt nicht mehr dazu kommen. Seine Augenlider flatterten und es begann, schwarz um ihn zu werden. Eine umfassende, undurchdringliche Dunkelheit, die erst Gefühle von Antagonismus und Abscheu in ihm auslöste, doch im nächsten Moment warm, gastfreundlich und ganz einfach nur richtig erschien.
Das Letzte was er in seinem Leben sah, was das Gesicht eines Schönlings, der kurz davor stand, in Tränen auszubrechen. Er wusste überhaupt nichts mehr und konnte nicht sagen, was in den letzten Sekunden passiert war. Doch einen klaren, finalen Gedanken konnte er noch fassen. „Besser von einer Schwuchtel, als von einem gewöhnlichen Mädchen...“
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