Der Morgen danach

Es dämmerte noch nicht wirklich draußen, als ein Paar Augen aufgeschlagen wurden und sich träge in der halbdunklen Hütte umschauten. Der Geschmack von Kuchen lag noch auf seiner Zunge und machte ihm Lust, auf einen weiteren großen Bissen Kuchen. Mmh, Kuchen. Wobei so ein Stück Wurst jetzt bestimmt auch ziemlich lecker wäre. Oder ein Honigbrot! Ja, das wäre fein.
Grinsend rappelte er sich von den Fellen auf, auf denen er gestern in seinen komatösen Zustand gefallen war. Die Augen wurden gerieben, worauf seine Aufmerksamkeit rasch auf den schwarzen Raben fiel, der neben ihm auf den Fellen lag. Da war ja etwas! Er wollte ihn ja noch zeigen und war dann irgendwie… eingeschlafen. So etwas aber auch. Der Junge seufzte grinsend und packte sich den Plüschraben, der als Rucksack fungierte und in den er all seine Sachen stecken konnte. Praktisch, dass der Rabe größer war als die kleine Tasche von Fulz. Nell hatte eben echt Ahnung, was Kind von heute brauchte. Der Glimmstein und der Filzhase fanden ihren Platz in dem Rucksack und Jonne rappelte sich auf die Füße. Zuerst kratzte er sich den Po. Da zwickte es ziemlich und nur deshalb war er aufgewacht! Doch mit ein wenig kratzen war es schnell besser. Dann wanderte er durch die Hütte zum großen Tisch. Sicher würde da noch etwas zu Essen stehen. Oder auf der Ablage. Oder in der Speiß. Den Raben schleifte er hinter sich her und kletterte auf den Stuhl. Ein Häufchen Sand lag noch dort, wo Fafznod gestern gesessen hatte. Die hatte komisch gerochen. Aber Ma und Pa hatten die in die Hütte gelassen, also war die nicht böse. Ganz klar.
Mit hoffnungsvollem Blick schaute der Junge über den Tisch, wo hier und da noch ein paar Schalen standen, Krümel lagen und die Platten, die bei dem Fest noch voll gefüllt waren. Doch heute? Er konnte es nicht richtig sehen, weswegen er auf den Tisch kletterte und in jede Schale schaute, unter jede Platte und sich jeden Krümel einfach in den Mund steckte. Die Finger noch im Mund dämmerte ihm, dass die Ma noch gar nicht wach war. Da schnaufte er abermals fest aus und kletterte – als kein Krümel oder Bratenfettpunkt mehr zum Stippen zu finden war – vom Tisch hinunter und warf einen prüfenden Blick darunter. Doch die Katzen hatten das, was runter gefallen war schon längst gefressen. Missmutig brummte der Junge und versuchte sich an der verschlossenen Tür der Speiß. Aber so sehr er sich reckte und streckte, er kam noch immer nicht dran, um endlich in diese Halle der Würste und Kekse zu kommen. Die Halle, in der Honig nie leer wurde und in der Schinken und Käse nah beieinander warteten. Gut, da war auch Brot… aber dieses Fest musste noch viel zu lange auf ihn warten.
Jonne schlurfte in die Hüttenmitte und ließ sich auf seinen Po fallen. Betrübt und schwer seufzte er aus, knautschte seinen Raben dabei und brummte einer der Katzen nach. Futterdiebe da. Durften schon vom Braten naschen wenn der noch nicht mal fertig war und klauten dann noch die Reste! Gemeinheit. Die große, fellige Katze spazierte galant um ihn herum und ging dann weiter durch die Hütte. Vorbei an Stiefeln und Regalen, wo sie dann auf den warmen Platz oberhalb des Ofens sprang und sich einrollte. Ein guter Platz. Dort würde Jonne sich auch einrollen und kucken. Doch Moment… Stiefel?! Er sprang auf die Füße. Da standen große und kleine Stiefel, dann noch drei Paar winzige, wovon eines ihm gehörte. Die Großen, die kannte er. Und wie er so die Stiefel zuordnete – Ma, Pa, Ina, Iida, Waag – zeichnete sich auf dem pausbäckigen Gesicht ein reichlich breites Grinsen ab. Waag hatte ihn doch mit Keksen beschenkt! Er musste noch Kekse haben, er hatte immer Kekse! Das war die Lösung! Und sofort kletterte er die Leiter nach oben in die Galerie, wobei der Rabe unten warten musste. In dem großen Lager durchwühlte er dann die Sachen der schlafenden Opfer. Ein Beutel mit Erbsen die nicht schmeckten, ein Beutel in dem seltsam glänzende Dinger waren – die total eklig schmeckten – ein Beutel mit Bällchen, die in seinem Mund platzten und seine Hände grün machten und endlich ein Beutel mit Keksen! Da kicherte er leise, setzte sich hin und begann einen Keks nach dem Anderen zu knuspern. Die Füße baumelten dabei nach unten und er hatte seinen wartenden Raben genau im Blick. Einen besseren Tag nach dem großen Päckchen-Jólnir-Tag konnte sich der Junge in diesem Moment nicht vorstellen.

„The Norn will not change simply because the Dwarves do not understand our ways.
I'd rather be hated for who I am than loved for who I am not.“

Jora

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