Zwei Schritte nach rechts. Drei nach links. Drei Schritte nach rechts. Vier nach links. Wieder zwei Schritte nach rechts. Stehen bleiben. Ein Ausatmen. Es war nicht ihr eigener Atem, den sie hörte. Es war das entnervte Ausatmen eines Mannes. Es war der Bullige. Der, dessen Namen sie nicht kannte. Noch einen Moment hört sie hin.
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Sechsundzwanzig Schritte. Sechsundzwanzig. Manchmal waren es auch nur fünfundzwanzig oder vierundzwanzig. Heute schon das zweite mal sechsundzwanzig. Stimmen. Sie hielt die Luft an. Andere Schritte. Stimmen. Ein Murmeln. Sie verstand kein Wort. Warum? Wenn sie sich nur ganz genau konzentrieren würde. Nur ein bischen mehr. Schritte entfernten sich wieder. Stille.
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Brot und Wasser. Heute wieder. Natürlich. Er hinkte. Kein Wort. Mal wieder. Auch wenn sie es versuchte. Er blieb stumm. Wie alles hier. Die Tür. Die Wände. Nichts sprach zu ihr. Und wenn doch...
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Es lag dort. Am Boden. Neben ihrer Schlafstätte. Es wartete auf sie. Geduldig. Papier ist geduldig. Ein Buch ist geduldig. Geduld. Etwas, was sie nicht beherrscht. Deswegen kam auch immer die gleiche Frage. Wann darf sie hier raus? Wann?
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Wieder die gleichen Zeilen. Langsam prägen sie sich ein. Die ersten Seiten kann sie fast auswendig.
Sie diskutieren. Über die Bedeutung. Über die Aussage. Sie beginnt zu verstehen. Je öfter sie sprechen um so länger bleibt er. Lächelt sogar.
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Es gibt Rührei mit Speck. Sie mag deftiges Essen. Mehr als Wasser und Brot. Ihr Magen knurrt laut. Sie kann nicht widerstehen. Sie kann nicht widerstehen.
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Der Hinterkopf dockt gegen die Wand. Mehrmals. Fast wie ein Code. Doch nur sie hört ihn. Dann wieder Schritte. Zwei nach rechts, drei nach links. Wann der Boden wohl unter ihr nachgibt? Vielleicht bildet sich eine Kuhle?
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Heute sollen es die nächsten zwei Seiten werden. Sie macht ihre Hausaufgaben. Sie ist nicht dumm. Vielleicht würde sie dann hinaus kommen. Bald. Ihr fehlt der Wind. Der Regen. Der Schnee. Die Sterne. Bewegung. Wieder die gleichen Fragen.
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Sie brüllt die Türe an. Sie brüllt laut. Das Echo der Mauern antwortet ihr. Nur das. Kein Wort. Das Buch wird gegen die Wand gepfeffert. Es landet aufgeschlagen am Boden. Zwei Seiten sind zerknittert. Es ist ihr egal. Es ist ihr so egal.
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Auszeit. Sie verliert zu oft. Das Kartenspielen wird anstrengend, wenn man Hunger hat. Doch sie strengt sich an. Lässt er sie gewinnen? Er soll richtig spielen. Wut steigt auf. Zu oft im Moment. Sie darf ihm nicht wütend sein. Sonst kommt er nicht mehr.
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Man sieht nicht mehr viel von dem Knick. Sie hat ihn glatt gestrichen. Das Buch kann nichts dafür. Doch es ist ihr nicht böse. Es hat Geduld.
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Und wieder wird sie diese eine Frage stellen. Wann darf sie hier raus?
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