Unerwartete Wende

Unerwartete Wende



Endlich waren ihre zerschnittenen Füße verheilt. Wie sie es hasste, nicht das tun zu können wonach ihr war. Sie war sicher nicht leicht zu ertragen gewesen, so unleidlich und unbeweglich. Es war ihr ein Dorn im Auge, sich nicht selbst komplett um ihre Tochter kümmern zu können. Stattdessen hatte dieses rothaarige Mädchen viel übernommen, wenn Lucius nicht abkömmlich war. Das hatte ihr insgeheim schwer Bauchschmerzen verursacht und sie hatte versucht sich nichts anmerken zu lassen. Jetzt, wo sie wieder laufen konnte, ging sie jeden Tag mit ihrem Kind zum Strand und auf dem Rückweg immer am Portal nach Götterfels vorbei in der Hoffnung, Neuigkeiten aus der Heimatstadt zu erfahren. Auch heute würde sie wieder den Umweg über den Portalplatz machen.


Löwenstein gefiel ihr eigentlich ganz gut. Jeden Tag an den Strand zu gehen tat ihr gut und Rosalie hatte so viel Freude daran im Sand zu buddeln, Muscheln zu suchen und Krebse zu ärgern. Arlassia beobachtete das spielende Mädchen, genoss die Sonne auf ihrem Gesicht und den Wind in ihren dunklen Locken. Sie grub die nackten und mit frischen roten Narben verzierten Füße in den feuchten Sand und lachte auf, als Rosalie zu ihr gerannt kam um sich mit einem lauten Kreischen auf ihre Mama zu stürzen. Die Dunkelhaarige ließ sich mit ihrem Kind im Arm nach hinten in den Sand fallen und lachte, als sie das proppere Mädel an gestreckten Armen in die Luft hob. Rosalie schrie vor Freude auf, dann fiel ein Schatten auf Mutter und Kind.
Schnell war die Frau mit dem Kleinkind auf dem Arm auf den Füßen, ehe sie realisierte das keine Bedrohung vor ihr stand. Das rothaarige Mädchen, Meryl, stand vor ihr und lächelte zurückhaltend. Rosalie begrüßte die junge Frau erfreut quietschend und Arlassia versuchte sich nicht anmerken zu lassen, daß es ihr einen eifersüchtigen Stich versetzte. "Meryl, hallo." Sie zwang sich zu einem Lächeln. "Ist alles in Ordnung?" Die Rote nickte auf Arlassias Frage hin und erwiderte leise: "Ich dachte, du hättest vielleicht gern Gesellschaft." Überraschung flackerte in Arlassias Augenblau. Damit hatte sie nicht gerechnet und natürlich war ihr klar, daß Meryl selbst Gesellschaft suchte. Die junge Frau versuchte sich noch ein wenig einzufinden und Arlassia musste sich selbst eingestehen, daß sie nicht unbedingt dazu beigetragen hatte damit Meryl sich wohlfühlen konnte. Die Herzlichliese lächelte ein wenig und sah der jungen Rothaarigen entgegen. "Wir müssen bald aufbrechen und zurück gehen. Setz dich zu uns." Arlassia ließ sich mit Rosalie im Arm in den Sand plumpsen und Meryl setzte sich ihr gegenüber.
Rosalie war sofort Feuer und Flamme und plapperte in ihrer eigenen Rosaliesprache munter vor sich her. Sowohl die Mama als auch die rothaarige Tante wurden direkt zum Spiel aufgefordert und bald saßen die beiden großen und das kleine Mädchen im Kreis und buddelten um die Wette im Sand, bis eine beachtliche Sandburg entstanden war. Das Kleinkind war das Verbindungsglied zwischen den Frauen die sich bisher alles andere als nah gestanden hatten. Zunächst gruben sie schweigend, dann ganz langsam, näherten sich die beiden in einem Gespräch. "Ich will dir dein Kind nicht wegnehmen." sprach Meryl ruhig, unvermittelt und ohne aufzusehen. Arlassia hielt inne, die Hände tief im Sand und den Blick darauf gerichtet. Sie erwiderte nichts, musste lediglich hart schlucken. So gut wie sie gedacht hatte, war ihre Tarnung wohl doch nicht.


Rosalie schlief nach einem aufregenden Tag satt und frisch gebadet in ihrem Bettchen und die beiden Frauen saßen zusammen in der Küche, eine Flasche Wein und zwei Gläser auf dem Tisch und ein gemeinsam zubereitetes Essen im Ofen. Arlassia hatte heute viel über Meryl erfahren und auch einiges über sich preis gegeben. Es fiel ihr nicht leicht, nicht einmal Lucius wusste alles und auch dem Mädchen gegenüber blieb sie in vielerlei Hinsicht bedeckt. Aber es hatte alles Zeit.


Als später am Abend der Fuchs und der Löwe die Küche betraten, blieb ihnen nichts anderes als die deutlich angetrunkenen und kichernden Damen erstaunt anzugaffen... und ins Bett zu verfrachten.

Kommentare 7

  • Moment, kann eine Wende in so einer kurzen Geschichte unerwartet sein, wenn man im Titel darauf hingewiesen wird?


    Yes it can.

    • Ich weiß, oft ist das was ich über Arlassia schreibe für Außenstehende verwirrend. Ich versuche Brücken zu schlagen. Danke für deinen Kommentar :)

  • Ich kann mich Luc da nur anschließen: ich war sehr überrascht und gleichermaßen erfreut, dass du die kleine Rothaarige miteinbezogen hast.


    Zur Geschichte selbst: ein sehr unbeschwerter Schreibstil, man liest den Text in einem Rutsch gut durch, auch wenn man ihn beispielsweise nur überfliegen wollte, weil es alles sehr angenehm und nicht unnötig kompliziert geschrieben ist. Die Dreh- und Wendepunkte sind so verarbeitet worden, dass man einen Moment lang an ihnen hängt und sich denkt "Ups, doch nicht so unbeschwert!" - jedenfalls ging es mir so.


    Kurzum: eine wirklich schöne Geschichte.
    Ich würde ebenfalls sehr gerne mehr lesen! Die Arlassia und ihre Rosalie! :)

  • Ich mag diese Einblicke in Arlas Leben sehr. Mich freut es grad enorm das du Meryl mit reingenommen hast.
    Jetzt würd ich gern Luc und seine Mädchen an den Strand stecken zum Sandlöwen bauen. Schreib mehr. Mehr.Mehr. Ich mags total ❤