Er schläft. Seine Lider flackern, während die Traumbilder hinter ihnen wilde Welten zeichnen. Ich will es gar nicht wissen.
Die kleine Flasche lasse ich zurück. Er wird ihren Inhalt gebrauchen können.
Als ich nach draußen trete, verschwindet die Wärme des herrschaftlichen Nestes. Ein blutbeflecktes Nest, voller verdorbener, stinkender Eier – aber warm. Das Schmunzeln kann ich mir kaum verkneifen, aber ich verbiete mir zurück zu schauen. Die eigenen Schritte verklingen in den letzten noch kalten Nächten. Der Frühling ist nahe und Melandru breitet bald schon ihre Blumendecke aus. Wie eine Flut an lieblichen Gerüchen wird sie den Gestank des Krieges kaum überdecken können. Erneut muss ich dumpf lächeln und trete ein, wohin mich meine Schritte geführt haben – die behaglich sorgenden Arme des Flaschenhalses.
Es ist erst der zweite Schnaps, aber als ich meine Augen wieder öffne, der scharfe Geschmack nur noch die Kehle kitzelt und nicht mehr sticht, schillern die Farben der zwielichtigen Kaschemme einen langen Moment. Das Lachen, das feiste Prosten und der stumpfe Singsang verbirgt nicht die Furcht, die wie finstere Schatten an ihnen klebt. Ich kann sie förmlich schmecken. Sie alle können das. Aber sie sind gut darin sich selbst zu verbergen. Sie haben meine Hochachtung für ihr Maskenspiel. Er steht vor der Türe. Er ist ganz nahe, atmet leise in unser aller Ohren und wartet nur darauf durch die vielen kleinen Risse unserer Politik in diese verdurstende Stadt einzudringen.
Wonach die ihre Kehle giert, das habe ich noch nicht heraus bekommen, doch vielleicht mag es mir irgendwann vergönnt sein.
Tu es.
Ich bitte den Wirt um einen weiteren Schluck, die Rechnung im selben Atemzug begleichend. Nur einer. Ein letzter, was ist schon dabei? Im Grau des nahenden Morgen werde ich es bereuen; aber jetzt?
Jetzt noch nicht.
Meine Hände wischen wirre Strähnen aus meinem Gesicht, als ich die Beine aus dem Bett strecke und gar nicht mit dem falschen Fuß aufstehen kann – es fühlen sich einfach beide falsch an. Leise lachend starre ich auf die gegenüber liegende Wand – die so nahe ist, dass ich sie mit den Zehen berühren könnte, ohne mich bemühen zu müssen. Warmes Fell umstreicht hungrig meine Beine und blind taste ich nach ihrem Kopf. Er war nicht mehr hier, als ich zurück kam, nur eine Notiz, die mir dankte – er wisse nun, was er tun werde.
Ich habe ihm nicht gratuliert. Nicht einmal symbolisch; weil es mir gleichgültig ist. Sein zurückgelassener Münzbeutel ist mir mehr wert, als seine seelische Gesundheit. Kurz befeuchte ich meine Lippen und lange nach der Kleidung über dem Stuhl.
Das einzig Gute am Frühling ist, dass die Kräuter wieder sprießen – und vernachlässigte Schöße sich sehnen geliebt zu werden. Blutende Herzen. Gerade im Angesicht des Krieges wird ihnen ihre Menschlichkeit so unangenehm klar, dass sie heimlich her kommen, um einen Weg zu finden, wie sie es ihrem Herzblatt beibringen. Ich habe warme Worte für sie und einen Traum. Schenke ihnen süßen Schlaf und erholsame Nächte, um in wichtigen Nächten Wunder vollbringen zu können.
Lausige Lügen.
Sie wartet ungeduldig. Ich habe noch getrockneten Fisch, erinnere ich mich, die knarzenden Treppen hinter mir lassend.
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